von Helmut Roewer
Falls Sie einen Konservativen kennen, so besuchen sie ihn ohne Scheu. Tun Sie es bald, denn… man weiß ja nie. Falls Sie einen Konservativen kennen, vermeiden Sie es, ihn danach zu befragen, was das denn sei, so ein Konservativer. Nehmen Sie stattdessen ein Schlückchen von seinem in überschaubaren Quanten angebotenem Roten, schlürfen den mit aufgesetztem Kennerblick und lassen sich die familiären Sammlungen zeigen, Stocknägel, Flinten, Krawattennadeln oder so. Freuen Sie sich im Übrigen an dem wohltemperierten Gespräch, das nur ab und an die Grenzen des Politischen streift und von dort mit kurzem Augen-zum-Himmel-heben wieder weggelenkt wird.
Sie werden sich höflich verabschieden und auch mit ebenderselben Höflichkeit verabschiedet werden, und wenn sie den angenehmen Abend Revue passieren lassen, dann werden Sie sagen: Schön, dass es sie noch gibt, diese Konservativen.
von Rainer Paris
»Die gefährlichsten Unwahrheiten sind Wahrheiten, mäßig entstellt.« Der Aphorismus Lichtenbergs verweist auf ein aktuelles Problem: Nicht die direkte, gar dreiste Lüge, sondern eine unmittelbar einleuchtende ›einfache‹ Wahrheit vermag oftmals Mobilisierungen anzustoßen, die elementare Dummheiten befördern und verstetigen.
»Kein Mensch ist illegal.« Richtig: Menschen können nicht illegal sein. Illegal können nur Handlungen sein, die Menschen ausführen: Mord, Diebstahl, Hausfriedensbruch. Auch Aufenthalte und Einreisen können illegal sein, wenn sie den Gesetzen des Landes, in dem sie festgestellt werden, widersprechen. Dadurch, dass diese Handlungen als illegal eingestuft werden, werden die Menschen, die sie begehen oder begangen haben, keineswegs illegal. Auch verurteilte Straftäter behalten – von wenigen Ausnahmen abgesehen – die bürgerlichen Ehrenrechte und bleiben Teil des Staatsvolks.
von Ulrich Schödlbauer
Wider das Vergessen: Wir wissen jetzt, wie das gemeint ist. Wir, die ›nach dem Kriege‹ Geborenen, haben im Schatten dieses Appells gelebt, wir haben zu verstehen geglaubt und die Aufgabe umstandslos auf das historische Geschehen bezogen, dessen Zeitzeugen wir, nach Lage der Dinge, nun einmal nicht mehr sein konnten. Wir haben uns, so gut es ging, an der ›Aufarbeitung‹ beteiligt – ein historisches Verdienst, dessen sich die Generation der späten Geburt von Anfang an brüstete und für das sie sich im Alter mit Ehren bedecken lässt, ohne, wie sich jetzt herausstellt, die psychische Dynamik kennengelernt zu haben, die dem Appell seine ganz eigene Bedeutung verleiht: anzugehen gegen die moralische Benommenheit, die den vom Albtraum des verbrecherischen Treibens Befreiten ins Licht taumeln lässt und den eigenen Anteil daran, das berühmte Mitmachen auf allen Ebenen, dadurch verwischt, dass sie die Überkomplexität des Geschehens in ein ›Das war alles ganz anders‹ umdeutet.
Sämtliche Abbildungen mit freundlicher Genehmigung der Urheber. Front: ©2024 Lucius Garganelli, Serie G