
von Herbert Ammon
Vor einem halben Jahr, ein paar Wochen vor Wiederholungswahl am 12. Februar 2023, gab ich die Prognose ab, an den Berliner Zuständen werde sich auch nach den Wahlen nichts ändern. Hinsichtlich der Koalitions- und Regierungsildung habe ich mich geirrt. Das Unerwartete geschah: Franziska Giffey verzichtete – nach ihrem Verzicht auf den am OSI-Exzellenzzentrum ›The EU and its citizens‹ der FU Berlin erworbenen Doktortitel – auch auf das Spitzenamt des – funkional ungegenderten – Regierenden Bürgermeisters zugunsten des CDU-Wahlsiegers Kai Wegner. Und unerwartet unterlagen in der Abstimmung über Regierungsbildung samt Koalitionsvertrag die radikal karrierelinken Jusos gegenüber den altersbedingt ›konservativen‹ Genossen in den Außenbezirken
Wodargisten, Wodargiker, Wodargianer. Erzählung
von Ulrich Schödlbauer
Ich bin Historiker. Ich weiß nicht, wie vielen Menschen es bewusst ist, was es bedeutet, heute, im Zeitalter der Verflüssigung der Daten, der Namen und der Vorgänge, Historiker zu sein. Man muss sehr einverstanden sein mit dem Lauf der Welt, manche sagen, mit dem Gang der Dinge, obwohl darin ein Problem liegt (Dinge gehen bekanntlich nicht, es sei denn, es handelt sich um Roboter), um mit dem Auftauchen und Verschwinden von Menschen, Ereignissen und ganzen Epochen Schritt halten zu können.
Haltungsschäden in der Kultur
von Ulrich Schödlbauer
Zum achtzigsten Geburtstag des Dichters Thomas Körner rührte sich im deutschen Medienwald naturgemäß nichts. Naturgemäß deshalb, weil es zur Natur des Waldes gehört, dass es gerade so heraushallt, wie man hineinschreit. Einer, dem das Schreien so schwer fällt wie diesem Autor, teils, weil er die leisen Töne bevorzugt, teils, weil er der Auffassung ist, Dichtung beginne jenseits des Schreivorhangs, Öffentlichkeit genannt, und man müsse ihn erst durchschritten haben, um zu zählen, zählt natürlich nicht zu denen, die im Lande Rübezahl jetzt aber echt zählen.
von Herbert Ammon
Laut Grundgesetz bestimmt der Bundeskanzler die Richtlinien der Politik. Dass Bundeskanzler Olaf Scholz in seinem Ampel-Kabinett diesen Auftrag mit Durchsetzungsvermögen wahrnähme, ist schwer zu erkennen. Die treibende Kraft in der Ampel – wie in nahezu allen Bereichen von Politik und Gesellschaft in diesem unserem Lande – sind die von unbefleckten Idealen bewegten Grünen. Dass die ökologisch-materielle Familienaffäre – für Kenner der grünen Netzwerke ein keineswegs überraschender Fall von Nepotismus – des entlassenen Energiestaatssekretärs Patrick Graichen die Grünen in den Umfragen ein paar Prozente gekostet hat, fällt politisch nicht ins Gewicht. Seit Merkel ist deutsche Politik nur noch grün. An diesem Faktum wird sich auch solange nichts ändern, wie Scholz und Lindner an der Ampel festhalten.
von Aram Ockert
Als vor 78 Jahren, am 8. Mai 1945, Deutschland endlich kapitulierte, da hätte sich von den Deutschen, für die dieser Tag ein Tag der Befreiung war, niemand vorstellen können, dass eine Mehrheit der Landsleute dies irgendwann einmal ebenso sehen würden.
Dieses Jahr ist der Tag der endgültigen militärischen Niederlage Deutschlands im 2. Weltkrieg erstmalig auch ein von der Bürgerschaft im letzten Jahr beschlossener Gedenktag in Hamburg. Ein Prélude dafür, aus dem 8. Mai einen echten Feiertag zu machen.
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Sämtliche Abbildungen mit freundlicher Genehmigung der Urheber. Front: ©2023 Monika Estermann: Lascaux