von Ulrich Schödlbauer
satura tota nostra est
Der Philosoph Hegel, dem Goethe einen galligen Humor nachsagte, soll einmal sehr gelacht haben. Das war, als ein durchreisender Zirkus ein schwarzes Krokodil in der Manege auftreten ließ. Allerdings verharrte es während der Vorstellung bewegungslos am Fleck und ließ, was immer der Dompteur mit ihm anstellte, sich nicht zum kleinsten Kunststückchen bewegen. Hegels Gelächter war Tagesgespräch in Berlin und die Gazetten berichteten ausführlich darüber. Besonders die Vossische Zeitung gab sich besorgt: Wenn Hegel lacht, muss die Weltgeschichte neu geschrieben werden.
von Uwe C. Steiner
Sofort nach ihrem Tod wird Sara Sampson eine »Heilige« genannt. Und zwar von ihrem Liebhaber. Hören wir die Worte Mellefonts, zu denen er sich ersticht:
»Diese Heilige befahl mehr, als die menschliche Natur vermag! […] Wenn ich als das schuldige Opfer ihrer [d.i. Marwoods; U. St.] Eifersucht gefallen wäre, so lebte Sara noch. […] Es stehet bei mir nicht, das Geschehene ungeschehen zu machen; aber mich wegen des Geschehenen zu strafen – das steht bei mir!« Er ersticht sich, und fällt an dem Stuhle der Sara nieder.
Weil er, Mellefont, sich dem Dolchstoß der Marwood entzogen hatte, war Miss Sara zur Victima geworden. Sie stirbt anstelle seiner, sie stirbt demnach auch für seine Sünden, ihre Opferschaft bezeichnet ein Stellvertretungsverhältnis, Sara stirbt als ein sacrificium. So bezeugt es Mellefont quasi in seinen Einsetzungsworten, in denen er sie eine »Heilige« nennt. Und, vor allem, bezeugt er es, indem er seine Schuld einräumt und darin seinen Verzicht auf das tragische Privileg erklärt. Sein Selbstmord mit dem Dolch dient der Läuterung und ist ausgewiesen kein tragischer Tod. Er sinkt vielmehr »an dem Stuhle der Sara nieder«, in einer Demuts- und Verehrungsgeste.
von Ulrich Schödlbauer
Selten ein so bedeutendes und zugleich schlecht geschriebenes Buch gelesen. Lobaczewskis Wissenschaftsglaube ist ungebrochen, die ›objektive‹ Sprache seiner Disziplin gilt ihm als Panazee, mit deren Hilfe sich alle großen und kleinen Verirrungen der Gesellschaft heilen lassen. Der Wissenschaftler als Therapeut der Welt, als Supervisor der Regierungen und ihr Berater – das klingt als Programm ein wenig outdated, seit die Welt begriffen hat, wie leicht Wissenschaftler – und Wissenschaften – sich manipulieren lassen. Am Ende siegt, folgt man der Theorie, so oder so die Wissenschaft. Aber in einem Prozess, dessen Ende sich vorerst nicht absehen lässt, bleibt das ein schwacher Trost.
Sämtliche Abbildungen mit freundlicher Genehmigung der Urheber. Front: ©2024 Lucius Garganelli, Serie G