Einige Bemerkungen zum Twitter-Krieg
von Helmut Roewer
Zur Zeit kauft Mainstream-Hätschelkind Elon Musk die Nachrichtenplattform Twitter. Plötzlich kann ihn keiner mehr leiden. Umsturz – und sei es der Meinungen – hat mich immer schon beschäftigt. Hier sind die Einzelheiten.
Ob jemand twittert oder in Hamburg fällt ‘ne Schaufel um, ist für mich und sicher viele Leser von ähnlicher Bedeutung, nämlich keiner. Mein Interesse am zur Zeit stattfindenden Verkauf der Nachrichtenplattform Twitter an den südafrikanischen Tausendsassa Elon Musk speist sich aus anderen Quellen: Warum wird hier so plötzlich das Hohelied der Meinungsfreiheit angestimmt? Und das auch noch durch zwei miteinander unvereinbare Behauptungen: Wiederherstellung gegen Bewahrung der Meinungsfreiheit. Ja, was denn nun? Oder anders gefragt: Was ist hier eigentlich so Empörendes geschehen, dass alle Billig-und-gerecht-Denkenden so urplötzlich ein wildes Katzenkonzert gegen ihren einstigen Liebling anstimmen?
Zwei Basisinformationen zu Twitter und Musk: (1) Twitter ist eine sog. Nachrichtenplattform, auf der theoretisch jedermann mit seinem Elektronikspielzeug in Kurzform an jedermann mitteilen kann, was er für mitteilenswert hält. Das ist der äußere Rahmen. Im Inneren des Gehäuses werden Personendaten gesammelt und aggregiert, damit sie an Interessenten verkauft werden können. Das ist die eigentliche Geschäftsidee, die ihre Gründer reich gemacht und zudem Investoren auf den Plan gerufen hat, die dem Reichtum die notwendigen Startbedingungen schufen.
(2) Elon Musk ist ein reicher Mann. Seit Jahresbeginn sind sich die Gazetten, die von solchen Nachrichten leben, darüber einig, dass Musk der reichste Mann der Welt ist. Woher dieser Reichtum stammt, ist umstritten. Ich werde auf Details nur zu sprechen kommen, wenn es gilt, Mutmaßungen loszuwerden über den Charakter und die Gepflogenheiten dieses Mannes, der sich soeben anschickt, die Firma Twitter ihren Aktionären abzukaufen.
Damit beginnt das Rätselraten nach dem Warum. Es könnte, so stelle ich mir vor, ganz einfach so sein: Elon sitzt mit ein paar Kumpels in einer New Yorker Kneipe. Man lästert über Biden und Trump, bis einer zu Musk sagt: Trump ist dir über. – Wieso das denn? – Er hatte mehr Follower auf Twitter als du, und sie haben ihn dennoch ratzfatz auf Twitter gelöscht. Das wird dir niemals gelingen. – Doch. Wetten? – Die Teilnehmer an jenem fragliche Abend in der New Yorker Kneipe haben bestritten, dass es so war. Über Twitter sei kein Wort gefallen, geschweige denn von Musks Kaufabsicht.
Den zweiten Teil dieser Zeugenaussage (kein Wort über den Twitterkauf) können wir, glaube ich, für bare Münze nehmen. Bei dem Rest bin ist zurückhaltend. Wie dem auch sei. Tags drauf kauft Musk fast 10 Prozent der Twitter-Aktien. Dank der Firmenverfassung von Twitter steht ihm nunmehr ein Platz in einem der Firmengremien zu. Gleichzeitig meldet sich die US-amerikanische Aktienaufsicht zu Wort: Die Übernahme von Firmenmandaten durch Aktieninhaber ist ab einem bestimmten Aktienanteil meldepflichtig oder so gar genehmigungsbedürftig. Kaum sind diese Nachrichten in der Welt, als Musk scheinbar einen Rückzieher macht. Er verzichtet darauf, in den Board of directors einzutreten.
Alles atmet auf. Die Twitter-Welt scheint noch einmal davongekommen zu sein. Bleibt die Frage, wovor hat man sich gefürchtet? Nun, ganz offensichtlich vor den Ansichten des Elon Musk, mit denen er im vergangenen Jahr nicht hinterm Berg gehalten hatte. Er, Musk, ein Großbenutzer von Twitter, bezichtigte die Firma willkürlicher Eingriffe in die Meinungsfreiheit ihrer Nutzer und nannte Twitter eine Gefahr für die Demokratie in Amerika.
Diese Vorwürfe sind keine Einzelmeinung eines reichen Spinners, und sie sind auch nicht neu. Immer wieder kamen die Plattform und ihr Gründer Jack Dorsey ins Gerede. Sie würden willkürliche Löschungen vornehmen und ein besonders perfides Verfahren verwenden, das Shadow banning, auch Reichweiten-Verkürzung genannt. Deren Trick besteht darin, die Verbindung zwischen follower (Leser) und Nutzer (Schreiber) technisch zu kappen, ohne dass die Betroffenen über längere Zeiträume hinweg hiervon etwas mitbekommen: Der Nutzer denkt, er hat laut seiner Account-Anzeige 100.000 Follower, es sind in Wirklichkeit aber nur 100. Und der abgeklemmte Follower denkt, sein Idol produziert nicht mehr oder nur noch selten.
Fälle dieser Art kochten immer wieder hoch. Sie blieben indessen in den Mainstreammedien unerwähnt und konnten darüber hinaus als Verschwörungstheorien verteufelt werden. Die Abwehrfront bröckelte, nachdem die für verdeckte Recherchen berüchtigte konservative Plattform Project Veritas damit begann, heimlich aufgenommene Meinungsäußerungen von leitenden Twitter-Angestellten ins Netz zu stellen. Manch einem fielen die Gründe für seine erfolglose Twitter-Nutzung wie Schuppen von den Augen. Spätestens seit der Machtübernahme der sog. Demokraten in Washington versuchte Twitter mit Hilfe des FBI gegen diese unliebsamen Enthüllungen vorzugehen.
Mit der Abwahl von Trump änderte sich das Verhalten der Plattform. Man verzichtete auf jegliche Heimlichkeit gegenüber Nutzern, die sich der linksextremen Grundausrichtung der Plattform nicht beugen mochten. So wurden ab Januar 2021 die Accounts von Trump und anderen Republikanern ohne Federlesens gelöscht. Es war den Verantwortlichen offenbar gleichgültig, dass Trump bis dahin mit seinen 70 Millionen Followern eines der Zugpferde von Twitter gewesen war. Dieser Löschungs-Triumph hatte ungeahnte Folgen: Die Twitter-Aktie stürzte ab. Twitter wurde damit dank eigener inhaltsbestimmender Fehlspekulation zum Übernahmekandidaten. Wovon Börsianer murmelten, das geschah im März, April 2022.
Musks 10-Prozent-Einkauf bei Twitter war offenbar eine Art Versuchsballon. Nach dem Verzicht auf den Verwaltungsratssitz legte er unverzüglich nach: Er kaufe die Firma als Privatmann und zwar ganz für schlappe 44 Milliarden Dollar. Das Geld stellte die Bank von J.P. Morgan bereit. Kein Problem wenn der Kunde über 600 Milliarden schwer ist. Hatte Musks Zehnprozent-Engagement einen Sturm der Entrüstung entfacht, so folgte nunmehr ein Seebeben. Mainstream ereiferte sich, dass man – wer immer dieses Man sein mochte – den Musk-Handstreich vereiteln werde.
Nur mühselig schälten sich aus dem Wir-sind-hier-alle-einig-Sumpf die Fakten heraus. Die sahen eher ernüchternd aus, dass nämlich die Hauptempörten identisch mit der tonangebenden amerikanischen und europäischen Mainstream-Linken waren, aber keineswegs identisch mit den Aktienbesitzern der Firma. Vielmehr ist es so, dass die noch heute Hauptverantwortlichen einschließlich des Twitter-Erfinders und Ex-Chefs bestenfalls eine winzige Minderheit der Aktieninhaber repräsentiert. Die überwiegende Masse der Firmenaktien liegt in den Händen von amerikanischen und arabischen Finanz- und Rentenfirmen. Von diesen hat bislang nur eine einzige, ein Rentenfonds aus Florida, gerichtliche Schritte gegen den Musk-Coup angekündigt. Der überwiegende Rest scheint mit dem Kaufangebot von Musk, das beträchtlich über dem Verkehrswert der Aktie liegt, hochzufrieden zu sein.
Die Gegenseite hat indessen noch nicht aufgegeben. Ein Konsortium von 27 sog. Notprofit-Gruppen hat sich zusammengeschlossen, um den Musk-Deal noch aufzuhalten. Ihr Motto: Setze alle großen Gewerbetreibenden unter Druck, um bei Twitter abzuspringen. Ein einschlägiger erster Brief lässt wenig Zweifel aufkommen, dass die Firmen ab sofort rufschädigenden Kampagnen ausgesetzt werden sollen. Offene Gewalt wurde noch nicht angekündigt, aber wo Gruppen wie Black Lives Matter mit im Boot sitzen, wäre Gewaltlosigkeit wie ein Wunder des Himmels.
Musk wäre nicht Musk, wenn er das hingenommen hätte. Er hat Anzeige wegen Nötigung erstattet und lässt – das alles kann man auf seinem Twitter-Account aus erster Hand beziehen – keinen Zweifel aufkommen, wofür er die Angreifer hält, und welche Unterstützer er ihnen zuordnet: die Cintons, die Obamas und Soros sowie einige europäische Regierungen, unter denen – peinlich genug – seit geraumer Zeit auch die von Deutschland. Sein Fazit: 80 Prozent der Amerikaner sind ganz normale Leute aus der Mitte. Sie haben den berechtigten Wunsch, von diesen linken Aktivisten in Ruhe gelassen zu werden.
Bei diesem Streitstand ist es trotz alledem mehr als wahrscheinlich, dass der Verkauf in absehbarer Zeit in Sack und Tüten ist. Bleibt die Frage nach dem Warum. Ich kann hierzu nur eine Vermutung äußern, und die sieht so aus: Musk ist ein Spieler. Sein Vermögen als Luftnummer zu bezeichnen, halte ich für ungerecht, aber es hat tatsächlich mit Luft zu tun. Sei es SpaceX, die Raketen- und Satellitenfirma, sei es Tesla, die Firma für Elektro-Spielzeuge. Böse Zungen behaupten, die Autoproduktion dort sei nur ein Umweg, um richtige Autobauer mit CO2-Zertifikaten gegen teures Geld zu versorgen. Ich weiß es nicht, es klingt ein bissl nach den wackeren Schildbürgern, die das Sonnenlicht mit Schubkarren ins fensterlose Rathaus schafften. Nun also ist in Musks Sammelsurium eine Firma hinzugekommen, deren Wert auch etwas kaum Greifbares ist, denn er bemisst sich danach, wie viele Spießbürger freiwillig und kostenlos auf den Alleinbesitz ihrer wertvollen Daten verzichten, damit andere sie zu Geld machen.
Doch das ist vermutlich nicht alles. Man kann nämlich durchaus betonen, dass Musk nunmehr auch ein Mediengroßunternehmer wird. Man mag bezweifeln, ob allein der Umstand ausschlaggebend war, die schändlichen linksextremen Zensoren und deren Einfluss zu liquidieren, der bis hinein in die Präsidentenwahlen reichte. Denn normalerweise wird einer ein Medienzar, weil er selbst etwas Bestimmtes erreichen will. Wenn dabei neuerdings im Falle Twitter Meinungsfreiheit herauskommen sollte, na gut, wer wollte da etwas einwenden? Aber es bleibt ein anderes Fragezeichen im Raume stehen:
Alle Superreichen, die ins Mediengeschäft einstiegen, haben es vorgemacht: Es ging um Einfluss, denn Einfluss bedeutet Macht. Sei es Soros, sei es Gates: Sie gehen den Weg des Kaufs von einflussreichen Medienleuten. Die Liste ihrer Kostgänger ist lang. In Deutschland sind alle Mainstreammedien einschließlich des öffentlichen Rundfunks mit deren Schmiergeldern infiziert. Sei es der Amazon-Eigner Jeff Bezos, er kaufte sich eine ganze prominente Ostküsten-Zeitung, die Washington Post. Seien es zahlreiche andere, die den Weg der verdeckten Einflussnahme über Finanzfirmen wählten, wie jetzt im Fall des Aufkaufs von Springer durch einen Finanzdienstleister. Seien es die Bertelsmann-Erben, die einen weltumspannenden Medienkonzern steuern. Nun also Musk. Wohin er Twitter lenken wird, steht noch in den Sternen.
Und noch einen Aspekt mag der Leser nach seinem Belieben beäugen: Ich bin bei der Betrachtung der Reichen und Superreichen von dem Verdacht heimgesucht worden, dass wir Zeugen einer Götter-Dämmerung der Vermögens-Giganten sind. Diese selbsternannten Weltenherrscher waren sich jahrelang in einem wichtigen Zwischenschritt einig: US-Präsident Trump stand ihren Ambitionen im Wege. Deswegen musste er weg. Die sogenannten Demokraten waren die lautstarken Trittbrettfahrer und Nutznießen dieses Milliardärs-Aktionismus.
Jetzt wird die Arena neu dekoriert, und das Publikum erlebt den Kampf Mann gegen Mann. Wer ist der Schönste? Wer ist der Größte? Abgründe tun sich auf, nicht nur in der Haltung zu China und der Position zur Globalisierung. Es sind auch persönliche Animositäten, die ohne Rücksicht auf Verlust öffentlich ausgetragen werden. Wir werden derzeit Zeuge eines Kampfes Musk gegen Gates, ausgetragen auf Twitter in einer giftigen Form, welche die sonst mit Löschungen bei Gates-Schmäh rigoros verfahrende Konzernleitung veranlasste, bei Musk ängstlich anzufragen, ob diese Texte wirklich von ihm stammten. Musk bestätigte und Twitter ließ das Sperren und Löschen dann sein. Man kann es nachvollziehen.
Man muss diese Details wohl im Hinterkopf behalten, um sich vor dem Fehlurteil zu schützen, Musk sei der Gesalbte der Meinungsfreiheit. Es geht vielmehr um die Macht und darum, ein für unanfechtbar gehaltenes Meinungs-Monopol der weltenbeglückenden Links-Schickeria zu brechen. In den wilden Sechzigern gab es ein Sponti-Motto: Trau keinem über dreißig. Ich ergänze mal: … über dreißig Milliarden.