von Gunter Weißgerber
Am 29. Oktober 2019 wählten die Thüringer einen neuen Landtag, in dessen Ergebnis die seit 2014 im Amt befindliche Linke/SPD/Grüne-Landesregierung (RRG) die Mehrheit verfehlte und abgewählt wurde.
Eine klare Mehrheit hätte eine Koalition aus CDU und AfD, die jedoch von der CDU abgelehnt wird. Offensichtlich bleibt es damit bei der bisherigen RRG-Koalition, die nun als Minderheitskoalition auf jeweils mindestens vier zusätzliche Stimmen aus anderen Fraktionen angewiesen ist.
Genau genommen, wird RRG nichts, überhaupt nichts mehr beschließen können, was nicht durch einzelne CDU-, FDP- oder AfD-Abgeordnete mit getragen werden wird. Der am 15. Januar 2020 der Öffentlichkeit vorgestellte RRG-Koalitionsvertrag ist deshalb eine Luftnummer – jedenfalls solange es die ominösen vier zusätzlichen Stimmen aus der Opposition nicht gibt.
von Rüdiger Henkel
Meine Frau und mich interessieren die Wahlergebnisse in Thüringen nicht nur als politisches Phänomen, denn obwohl wir seit 1958 im alten Bundesgebiet leben, haben wir dorthin noch persönliche Beziehungen zu Freunden und Verwandten, nicht sehr enge, aber immerhin. Wir besuchten uns gegenseitig, so lange es uns gesundheitlich möglich war, wir telefonieren gelegentlich und stehen im Briefwechsel zu Geburtstagen und zu Weihnachten. Wie es in Deutschland üblich ist, tauschen wir auch unsere politischen Ansichten aus. Folglich haben uns die Ergebnisse der Thüringer Landtagswahl stark berührt, aber nicht völlig überrascht.
Die Wahlbeteiligung betrug 64,9 Prozent, die Linke bekam 31 Prozent der abgegebenen Stimmen und die AfD 23,4 Prozent, das heißt: Jeder dritte Thüringer ist überhaupt nicht wählen gegangen und hat auch die Möglichkeit der Briefwahl nicht genutzt. 54,4 Prozent der abgegebenen Stimmen entfielen auf Parteien, die der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in der Bundesrepublik Deutschland äußerst skeptisch gegenüberstehen. Innerhalb der Linkspartei gibt es nach wie vor aktive Gruppierungen ehemaliger hauptamtlicher Stasi-Mitarbeiter und innerhalb der AfD gibt es waschechte Nazis.
Besteht deshalb die Mehrheit der aktiven Thüringer Wähler aus orthodoxen Kommunisten und bornierten Nationalsozialisten? Diese Schlussfolgerung wäre nicht nur zu einfach, sondern sie ist einfach falsch. Doch politische Meinungen bilden sich langfristig und sind kurzfristig nur schwer zu ändern. Sie beruhen auf wirkungsmächtigen Eindrücken, die die Leute nicht schnell wieder verdrängen. Wir alle wurden Zeugen des Wahlverhaltens zutiefst verunsicherter Menschen. Die Ursachen für das desaströse Ergebnis sind vielfältig.
von Peter Brandt
Sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger der Großen Kreisstadt Backnang, liebe Landsleute, meine Damen und Herren!
Ihr geschätzter Oberbürgermeister Dr. Nopper hat mich in Verbindung mit meinem Freund Robert Antretter eingeladen, heute Vormittag zu Ihnen zu sprechen: an unserem Nationalfeiertag, dem Tag, an dem vor 29 Jahren die staatliche Einheit Deutschlands nach vierzig Jahren Teilung und Zweistaatlichkeit wieder hergestellt wurde durch Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes. Ich bin kein Volksredner, und wenn ich Vorlesungen oder Vorträge halte, dann üblicherweise in geschlossenen Räumen. Auch wenn ich hier kein akademisches Kolleg abhalten will, wird wohl ein wenig meine – auch berufliche – Prägung durchschimmern.
Zunächst meinen Respekt, werte Anwesende, für die Art und Weise, wie Sie den 3. Oktober begehen! Wenn ich das viele Schwarz-Rot-Gold, die deutschen Farben, unsere Trikolore, sehe, kann ich indessen meinen Kummer darüber nicht unterdrücken, dass viele unserer Mitbürger, vor allem in den jüngeren Altersgruppen, nationalistische und reaktionäre Inhalte vermuten, wenn sie Schwarz-Rot-Gold sehen. Sie scheinen von der Geschichte des Dreifarbs nichts zu wissen: beginnend mit den Freiwilligen-Einheiten der antinapoleonischen Befreiungskriege und der Urburschenschaft über das Hambacher Fest hin zur ersten deutschen Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche und der dort ausgearbeiteten fortschrittlichen Verfassung, vereitelt von der wieder erstarkten Fürstenmacht, nicht zu vergessen der erbitterte Symbolkrieg 1918 zwischen dem Schwarz-Rot-Gold der Republikaner und dem Schwarz-Weiß-Rot der Monarchisten und Rechtsnationalisten.
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