von Felicitas Söhner
Ein Anwendungsbeispiel für die Winterthur-Methode nach Fleming
Einleitung
Artefakte sind auf mehrfache Weise mit Geschichte verbunden. Zum einen liegt jedem Ding selbst eine ›Biografie‹ zugrunde, da es nach seiner Anfertigung unterschiedliche Nutzungsphasen durchläuft; zum anderen lässt sich über den Vergleich mehrerer Objekte als Exemplare einer Produktgattung der Wandel in Gestaltung und Ausstattung sowie Nutzung und Bedeutung eruieren.(Weber, S. 164) Objekte lassen sich als mögliche ›Schlüssel‹ für Handlungsmuster in soziomaterialen Beziehungsnetzen verstehen. Ausgehend von der Materialität des Objekts können dessen Situiertheit und soziale Ordnung erfragt werden. ›Materialität‹ verweist vor allem auf eine physisch-stoffliche Beschaffenheit, dessen Haptik und mögliche sensuelle Erfahrung.(Artner / Böhringer, S. 178.) So kann die Beschäftigung mit Objekten im Sinne einer experimentellen Sozialgeschichte deutlich machen, welche Handlungsräume durch bestimmte Artefakte eröffnet werden. Francis Parott analysiert die Auswirkung von Objekten auf die soziale Wirklichkeit, beispielsweise wie im stationär-psychiatrischen Setting der Bezug zum persönlichen Lebensraum durch Objekte vermittelt wird.
von Peter Brandt
Im Zuge der Black-Lives-Matter-Bewegung sind in den vergangenen Monaten in den USA und im Vereinigten Königreich vermehrt Denkmäler historischer Akteure umgestürzt, enthauptet oder auf den Kopf gestellt worden. Dabei handelt es sich vorrangig um Figuren, die mit der Ausrottung, Unterdrückung und Versklavung nichtweißer Ethnien belastet seien, so etwa die berühmten Generäle der Südstaatenarmee im amerikanischen Bürgerkrieg von 1861-65. Kompliziert wird die Sache dadurch, dass nicht wenige der symbolisch Attackierten oder Exekutierten ganz unterschiedliche Eigenschaften verkörpern. Etliche der Gründungsväter der USA, des ersten modernen Verfassungsstaats, waren sklavenhaltende Agrarier, so etwa der hauptsächliche Verfasser der Unabhängigkeitserklärung von 1776 und dritte Präsident der Union, Thomas Jefferson, ein Aufklärer und Universalgelehrter. Obwohl kein rigoroser Verteidiger der Sklaverei, hielt er die Schwarzen, anders als die Indianer, für eine minderwertige Art Menschen.
von Johannes R. Kandel
In der Grundschule in den fünfziger Jahren hatten wir einen Klassenlehrer, der Geschichte und Deutsch unterrichtete. Er hatte den Zweiten Weltkrieg als junger Soldat überlebt und war dann ins pädagogische Fach gewechselt. Er war ein guter Lehrer und wenn er mitunter Geschichten aus dem Krieg erzählte, dann waren wir mucksmäuschenstill, weil es erschreckend aber spannend zugleich war. Am Ende des Unterrichts ließ er oft seine Geige erklingen und gab eine Vertonung von Schillers berühmten Versen aus dem Wilhelm Tell zum Besten:
Begeistert sangen wir mit. Unsere Eltern, denen wir das erzählten, haben sich nie beschwert. Das wäre heute völlig undenkbar, ein solcher Lehrer hätte sogleich die Elternschaft, das Lehrerkollegium und die Schulbehörde auf dem Hals: Rüge, Entlassung, Schmähung in den öffentlich-rechtlichen und sozialen Medien.
Patriotismus, geschweige denn Nationalismus, sind mega-out in unserer multikulturellen, kosmopolitischen Gesellschaft der offenen Grenzen und des postmodernen Dekonstruktivismus.
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