von Ulrich Schödlbauer
Dass er auf seine alten Tage zum Provokateur werden sollte, kam Fac ten Chek nicht in den Sinn. Einträchtig schritt er an der Seite von Humby Humby die Stufen des Kapitols hinunter. Wer nicht wusste, dass der eine ein vietnamesischer Geschäftsmann und ehemaliger kommunistischer Frontkämpfer, der andere ein vor zwei Menschenaltern verurteilter Sexualstraftäter war, den man heute zu den reichsten Menschen der Erde zählt, hätte sie für zwei beliebige, in ein langes, etwas einseitig geführtes Gespräch vertiefte Passanten halten können, was sie zweifellos auch waren.
Worüber sie sprachen? Über T. Wer ist T? Ein Thema, über das man nicht miteinander, sondern gegeneinander spricht: ein Polarisator. Fragt einer, was an ihm polarisiert, so erhält er die sibyllinische Antwort: alles. Da dies nach menschlichem Ermessen unmöglich ist, bedeutet die Antwort: T steht für alles oder alles Mögliche. Dabei ist T so wirklich wie nur möglich. Es wäre also an der Zeit, über den wirklichen T zu reden.
Gerade das scheint unmöglich. Gäbe es sie noch, die Gänse des Kapitols, man hörte sie aufgeregt hinter den beiden schnattern: »Was redet ihr da?« Was reden sie da? Das kommt auf den Lauscher an. Sicher scheint: Der Vorgang T, einmalig in der Geschichte seines Landes, verdient eine Betrachtung diesseits des Eifers, der ihn vorantreibt und dabei so seltsam blind gegenüber den eigenen Motiven anmutet, dass ein unbeteiligter Betrachter versucht sein könnte, sich die Augen zu reiben, um sie den Akteuren versuchsweise zur Verfügung zu stellen – nur für kurze Zeit, eine Zwischenzeit, doch natürlich bliebe das, wie so vieles, ein Impuls in einem fast leeren Raum.
von Markus C. Kerber
Als Rolf Hochhuth sein Stück Der Stellvertreter mit Hilfe von Karl Jaspers und Hannah Arendt auf die Bühne brachte, statuierte er das erste Beispiel seiner Arbeitsmethode: Die öffentliche Provokation. Er rührte an einem Tabu und problematisierte die Rolle des Pacelli-Papstes Pius XII. während der Nazizeit.
Dieser Methode ist Hochhuth Zeit seines Lebens treu geblieben. Sie bekam nicht nur Ex-Marine-Richter Filbinger zu spüren, sondern auch die Treuhandanstalt, die mit dem Werk McKinsey kommt, jene Würdigung erfuhr, die ihre zwielichtigen Geschäfte verdienten. Dass sich Hochhuth zusammen mit anderen westdeutschen Autoren nicht scheute, für den Verlag ›Volk und Welt‹ eine Privatisierung zugunsten der ostdeutschen Verlagsleitung auszuhandeln, die wirtschaftlich mehr als üppig war, gehört zur Wahrheit dieses geschäftstüchtigen Dramatikers, der in seiner besten Zeit mit den Tantiemen aus seinen Stücken ein beträchtliches Vermögen erwirtschaftete.
von Ulrich Schödlbauer
Die auseinandergelogene, die zusammengelogene und die zurechtgelogene Welt üben den gemeinsamen Brückenschlag. Dem militärischen Laien mag das als eine leichte Übung erscheinen. Doch die beteiligten Streitkräfte wissen, vom Befehlshaber bis herunter zum letzten Rekruten, um das diffizile, unendlich abstimmungsbedürftige Zusammenspiel der dabei zum Einsatz kommenden Waffensysteme und sind gewarnt. Was für den Einzelnen gilt, das gilt auch für Armeen und die Welten, die sie entsenden. Wer sich eine Welt zusammenlügt, versteht leicht die Welt nicht mehr, sobald sie von einem anderen auseinandergelogen wurde. Da stimmt kein Anschluss, die Munition passt nicht zueinander, die Befehle widersprechen einander, selbst die Feindbilder stimmen nicht: eine vollkommene Konfusion, die leicht den Exitus im Felde nach sich ziehen kann, sobald der Feind von ihr Wind bekommt. Wer selbst dort, wo er nichts weiß, weiß, wie alles mit allem zusammenhängt, der weiß aus dem Grunde seines Herzens, dass derjenige lügt, der bestreitet, dass etwas mit etwas zusammenhängt, auch wenn dafür die eindeutigsten Belege auf dem Tisch liegen.
Sämtliche Abbildungen mit freundlicher Genehmigung der Urheber. Front: ©2024 Lucius Garganelli, Serie G