von Steffen Dietzsch
Dieses Jahr wird viel an Kants dreihundertsten Geburtstag erinnert. Aber anders als bei seinen früheren Centenarfeiern werden in den (neuen) Medien, im Hochschulbetrieb, in diversen Ausstellungen und in der Diskussion jetzt auch überraschend grobe Vorwürfe und moralische Bedenken gegen Kant erhoben: namentlich eines ›Rassismus‹, des ›Eurozentrismus‹ oder gar auch der Judenfeindlichkeit in seinem Werk und Alltag. Sollte gerade das den großen jüdischen Editoren und Kommentatoren Kants, wie Hermann Cohen, Ernst Cassirer, Benzion Kellermann, Salomon Friedslaender oder Hannah Arendt nicht auch aufgefallen sein?
von Ulrich Schödlbauer
In Wien wurde ein Brunnen aufgestellt, der die Gemüter erhitzt. Wann hat das letzte Mal ein Kunstwerk (oder dergleichen) Gemüter erhitzt? Nun ja, die Wokeness hat sich ihre Opfer gesucht und ist weiter auf der Pirsch. Antisemitismus auf der Documenta ist immer für Schlagzeilen gut, vor allem, wenn eine Ministerin mit im Spiel ist. Doch da geht es um Gesinnung und nicht um Kunstkritik. Der Brunnen aber … es ist nicht gerade der Brunnen des Lebens, um den es dabei geht, gefeiert wird nur das groß geschriebene Wir, besagter Brunnen hat das älteste Wort der Kunstkritik auf sich gezogen: Er ist hässlich, daran kann nun einmal kein Zweifel bestehen, ganz nebenher auch plump und einfallslos, falls das letzte Charakteristikum nicht als besonders pikanter Einfall durchgehen soll. Es ist richtig, wenn gesagt wird, jedes zweijährige Kind könne es besser. Denn offensichtlich fehlt es dem Objekt an dem, was noch die krakeligste Kinderzeichnung auszeichnet: an Grazie.
von Ulrich Schödlbauer
In den Regionen, aus denen ich stamme, kursierte einst eine feste Wortverbindung: ›journalistischer Schw**sinn‹. Gemeint war damit nicht, Journalisten seien allesamt Schw**köpfe oder ›produzierten‹ Schw**sinn. Man bewunderte einen kleinen Stamm von Journalisten für ihre Fähigkeit, ›auf den Punkt‹ zu formulieren. Nichtsdestoweniger registrierte man, dass Journalismus, gleich welcher Richtung, dazu tendiert, intellektuelle Unterdifferenziertheit durch Massendistribution zu honorieren. Der angenommene Grund lag also mehr in einer Déformation professionelle als in persönlichem Unvermögen, heute würde man sagen: in den von Journalisten bedienten Formaten.
Sämtliche Abbildungen mit freundlicher Genehmigung der Urheber. Front: ©2024 Lucius Garganelli, Serie G