Urheberrechtsdiskussionvon Hazel Rosenstrauch

Es tobt ein Kampf, er geht selbstverständlich ums Geld, aber davor steht die Macht der Definition. Wer ist Urheber, wem stehen die Verwertungsrechte zu, wovon sollen diejenigen leben, die sich das begehrte und deshalb heruntergeladene Gut ausdenken?

Ich bin eine analoge Papierfrau, aber versuche, die neue schnelle Internetwelt zu verstehen, hier probiere ich ein paar Gedanken aus der alten Welt der gedruckten Bücher: vielleicht hilft ein Blick auf Entstehung des geistigen Eigentums und das Herausmendeln von Verlags- und Urheberrecht, die wirren Gedanken zu ordnen. Auch vor 250 Jahren ging es darum, bei der Verbreitung eines neuen Massenmediums neue Arrangements zu finden, um eine gerechtere Verteilung des Profits zu sichern, daraus entstanden nach und nach Gesetze. Das neue Medium waren Bücher, die (nicht zuletzt dank neuer Techniken) massenhaft gedruckt wurden, und eine für die Zeitgenossen kaum begreifliche Sucht, nämlich das Lesen stimulierten. Liebesgeschichten und Abenteuer, Literatur aus England und Frankreich überschwemmten das Land und die damals begehrten Autoren wurden wie wild nachgedruckt, zum Teil von Großunternehmen, die - übersetzt auf damalige Maßstäbe - durchaus mit amazon und google vergleichbar sind. Je begehrter so ein Buch war, desto größer war der Schaden für den/die Verfasser, die andererseits durch diese Nachdrucke erst berühmt wurden. Es war auch damals schwierig, zwischen den Guten und Bösen zu trennen. Die Nachdrucke hatten auch Vorteile und die Bindung an den ›ehrlichen‹ Verleger konnte Nachteile mit sich bringen, wenn der schlampig druckte oder die Herausgabe eines Werks verzögerte. Eine Regelung war schwierig, weil in den deutschsprachigen Ländern des 18. Jahrhunderts viele Grenzen und unterschiedliche Währungen eine Einigung verhinderten.

Die Initiative für neue Lösungen ging einerseits von den Verlegern aus, die Originale gedruckt, finanziert, manchmal sogar bevorschusst haben. Sie haben sich zusammen geschlossen und Druck auf ihre Regierungen ausgeübt, damit der Nachdruck verboten wird. Andererseits experimentierten die Autoren selbst mit verschiedenen Formen, um weder von Verlegern, noch von Nachdruckern geschädigt zu werden. Honorare wurden gezahlt, um die Rechte an den Titeln nachweisen zu können. Die Nachdrucker druckten, wo ihre Regierungen das nicht nur erlaubten, sondern zum Teil auch förderten, weil sie sich Einnahmen versprachen: Druckereien, Papierfabriken, Kupferstecher, Schriftgießer und Verlage zahlten Steuern, beschäftigten Leute und investierten ihr Geld. Als in Sachsen, dem damals wichtigsten Umschlagplatz, Nachdrucke verboten wurden, hörten sie deshalb noch nicht auf, aber es etablierte sich - in einem langen Prozess - eine neue Ordnung und nur langsam eine neue Anschauung von Recht und Eigentum. Leben konnten immer nur wenige von ihrer Kunst.

Bei der Frage ›was lernt sich draus‹ würde ich sagen, die geistigen Arbeiter haben immer nur dann eine Rolle gespielt, wenn sich Verwerter - ob nun Verleger oder Regierungen - für sich einen Nutzen versprochen haben. Wir leben in einem kapitalistischen System, auch wenn Elemente des Wohlfahrtsstaats (wie Stipendien, Preise, creative-writing-Posten) darin eingelagert wurden. Mehr Wohlfahrt ist immer gut, aber dann stoßen wir auf die sogen. Systemfrage.

Vielleicht hilft dieser Blick zurück beim Nachdenken über neue Lösungen, bei denen die Erfinder von interessanten Produkten, Texten, Musikstücken etc. berücksichtigt werden, die großen Verwerter nicht alles abzocken und die kleinen Nutzer nicht kriminalisiert werden.

Manche Text- und Musikproduzenten werden auch heute erst durch das Netz berühmt, im Glücksfall bekommen sie dadurch neue Aufträge oder können ihre Künste an den Mann und die Frau bringen, die dafür zahlen; Neues zeichnet sich ab, wo Leute bereit sind, im Netz für gute Beiträge zu zahlen, Spenden für Recherchen überweisen oder Texte – gratis – übersetzen. Wenn die elektronische Version eines Buchs für wenig Geld, aber millionenfach verfügbar wäre, kämen die Autoren nicht nur schlecht weg. Könnte man nicht den ›like‹-Button mit der Abbuchung von ein paar Cent verbinden? Soviel ich weiß, gibt es die Technik dafür schon, und auf die Bitte um Spenden wird in diesen Kreisen durchaus positiv reagiert. So etwas sind langfristige Prozesse, wir fangen gerade erst an, das Terrain zu sondieren.

Als Zwischenlösung und laienhafte Frage: Ich freue mich jedes Jahr, wenn ein Scheck von der VG Wort mit ein paar Uhros kommt, aber davon kann ich nicht leben. Trotzdem frage ich mich, ob sich dieses System nicht ausbauen ließe. Irgendwann wurde ja auch die Bibliotheksabgabe und der Kopiergroschen eingeführt. Ob Gerätehersteller, Elektronikläden oder Leute, die Server zur Verfügung stellen, es wären für sie nur ein paar Cent und käme doch Einiges zusammen, das sich vielleicht nach dem gleichen (ungerechten) Schlüssel wie bei der VG Wort umverteilen oder in eine Kasse für Stipendien an hungernde Künstler stecken ließe?

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