GLOBKULT Magazin herausgegeben von RENATE SOLBACH und ULRICH SCHÖDLBAUER
Steffen Dietzsch
Denkfreiheit
Über Deutsche und von Deutschen, Leipzig (Leipziger Universitätsverlag) 2016, 332 Seiten
»Wichtig wäre es auch, nicht wieder in den geistig-praktischen Grundwahn der DDR zu verfallen und zu versuchen, alles Restrisiko beim Denken sozusagen volkserzieherisch (oder gar ›bürgerkriegerisch‹ – Aufstand-der-Anständigen –) zu vermeiden.«
Das Einstein in der Kurfürstenstraße war das schönste und legendärste Caféhaus Wiener Prägung in Berlin. Man fand dort die tägliche Weltpresse ebenso wie Leute ›von Welt‹ (oder solche, die sich dafür halten): ›Monde‹ & ›Demi-Monde‹ reichlich, glücklich vereint. Dort auch sitzt der Flaneur, trifft sich mit Leuten, mit denen er beruflich zu tun hat, liest Zeitung, sieht schönen Frauen nach, unterhält sich über Ausstellungen, Theater etc. Die Kolumne des Berliner Philosophen Steffen Dietzsch, Bannkreis, versammelt – in loser Folge – die Resultate seines Flanierens: kleine Glossen, Artikel zur Sache.
war ein Freund bewegt vom, wie er es nannte, heiligen Kind (›L’enfant sacré‹); es sei die wiedererstandene Jungfrau von Orleans … nur mit nicht so feurigem Ausgang. Aber da war mein Widerspruch prompt, denn: zunächst werde nicht ihr heutzutage eingeheizt, sondern uns Zuschauern von ihr. Und zum anderen rückt sie doch in der Heroen(Heroinen)skala, wenn man schon bei der französischen bleiben will, ziemlich weit nach vorn. Zu ihrer Gestalt finden sich Parallelen beim ›Unbestechlichen‹ (in Paris 1793), der – zuerst – den Schrecken »als die Konsequenz des allgemeinen Prinzips der Demokratie in seiner Anwendung auf die dringendsten Bedürfnisse des Vaterlandes« deklarierte (Wikipedia, Art. ›Terrorherrschaft‹). Und ›Schrecken‹ (›La Terreur‹) ist seither ein nachhaltiger Begriff der politischen Sprache geworden (das ist etwas anderes als das Kindermärchen von ›Einem der auszog das Fürchten zu lernen‹). Wer ›Schrecken‹ als solch zentrale Botschaft vor politischen Gremien verkündet – wie eben ›das heilige Kind‹ –, muss diesbezüglich politisch als eine Robespierienne begriffen werden.
waren von überall her wieder einmal Meldungen zu lesen, die die geistig-praktische Disposition berühren, ohne die ein freiheitlich selbstbestimmtes Leben in der Moderne nicht möglich ist: den First Amendment. Dieser krönt seit 1791 den Grundrechtekatalog aller parlamentarisch-demokratischen Gemeinwesen, er macht den spirituellen Kern dessen aus, was wir ›den Westen‹ nennen. – Wenn wir als Freie in Freiheit miteinander leben wollen, sollten wir alle Versuche abwehren, die unbedingte Geltung dieser Norm einschränken zu wollen.
Eine bedingte Meinungsfreiheit ist keine! Weder moralische, noch religiöse Gründe, natürlich auch nicht Mehrheiten oder Stimmungs- und Notlagen dürfen die bedingungslose Geltung von Meinungsfreiheit zur Disposition stellen. Wenn nicht mehr jedem die Freiheit zugestanden wird, zu denken was er will und zu sagen was er denkt, beginnt damit die Zerstörung der geistigen wie der geistlichen Räume unseres Lebens. Das würde uns – als absurdes retour de la nature – in den Zustand natürlicher Gewalt gegeneinander führen (wer mehr Gegendemonstranten aufbringt gewinnt, auf der Straße wie im Hörsaal).
war von einem Gespräch zu lesen, dass die Buchvorstellung von Thomas Karlaufs Stauffenberg-Porträt begleitete. – Dabei spreizte sich, wie das Friedrich Georg Jünger genannt haben würde, ›Histrionengeschmeiß auf hohem Kothurn‹; und die – nun grünen – Zeigefinger nach oben sahen exemplarisch im George-Jünger Claus Graf von Stauffenberg bloß eine charakterologisch mittelmäßige Person, die sich eher ihrer eigenen juvenilen NS-Offenheit zuzuwenden habe (halten die das auch dem BDM-Jungmädel Sophie Scholl vor?!), – als … ja als was?
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