von Ulrich Schödlbauer
Wann immer dem kritisch gestimmten Deutschen die Richtung nicht passt, schmäht er ›die Deutschen‹. Man kennt sich aus, man hält sich raus. Stichwort ›deutsche Hysterie‹ – die üblichen Medien leisten ihr ideologisches Übersoll und ›die Deutschen‹ kriegen sich angeblich vor ›German angst‹ und Ähnlichem nicht mehr ein. In diese Schublade gehört auch das Stereotyp vom obrigkeitshörigen Deutschen, fest etabliert als Teil linker Historiker-Klagen über das Ausbleiben der ›richtigen‹ deutschen Revolution. Nicht dass es den Typus nicht gäbe – keine falschen Hoffnungen! –, aber das erklärt weder den Verfall der westlichen Wertegemeinschaft noch die weltweit beobachtete Arg- und Hilflosigkeit der Massen angesichts des Covid-Debakels und ihr seit Jahrzehnten anschwellendes, mediengeschürtes Warten auf Klima-Godot. Merke: Wenn die Erklärungen schwächeln, springt der Deutsche gern ein. Er ist der Übeltäter vom Fach.
von Gerd Held
Von der ›Großen Transformation‹ ist nur noch eine Negativ-Agenda übriggeblieben, die Katastrophenszenarien und Feindbilder beschwört, um dann tragende Säulen von Marktwirtschaft und Republik zu opfern. (Wie Deutschland ein anderes Land wurde, Teil II)
Zu Beginn dieses Artikels wurde dargestellt, wie sich die Bundesrepublik nach dem 2. Weltkrieg zunächst 30 Jahre industrieller Prosperität und krisenfester Demokratie erarbeitet hat (vom Ende der 1940er Jahre bis Ende zum 1970er Jahre). Deutschland wurde ein modernes Land, in dem Produktivität und freiheitliche Demokratie geachtet wurden. Gegenüber Heilsbotschaften herrschte eine gesunde Skepsis, und man war sich auch seiner begrenzten Möglichkeiten als mittelgroßes Land bewusst. Doch dann begann jener längere Prozess, an dessen Ende Deutschland ein fundamental anderes Land wurde. Die erste Phase dieses Prozesses wurde schon skizziert: In den dreißig Jahren vom Ende der 1970er Jahre bis zum Ende der 2000er Jahre bildete sich neben der bisherigen Bundesrepublik eine Parallelwelt aus. Noch kippte nicht das ganze Land, aber ein größerer Sektor der Gesellschaft – der sich vornehmlich aus den Bereichen der Dienstleistungen, der Wissenschaften und der Künste rekrutierte – verselbständigte sich. Er koppelte sich in seinem Wachstum von der industriellen Wertschöpfung ab, und er bildete auch eine eigene Öffentlichkeit aus, in der ›weiche Faktoren‹ (›soft power‹) die Hauptrolle spielten und die tätige Auseinandersetzung mit den harten Widrigkeiten dieser Welt immer weniger Wertschätzung fand. Doch damit war das Ende des Verwandlungsprozesses noch nicht erreicht. Deutschland trat in eine zweite Phase fundamentaler Veränderungen ein. Wenn man im Zeitrhythmus von 30 Jahren bleibt, hat diese Phase am Ende der 2000er Jahre begonnen und könnte bis zum Ende der 2030er Jahre dauern. Damit sind wir bei den heutigen deutschen Zuständen angelangt.
von Gerd Held
Die gegenwärtigen Krisen sind keine vorübergehende Schwächeperiode, sondern Teil einer großen Zivilisationskrise, die sich über mehrere Stufen aufgebaut hat. (Ein Essay in vier Teilen)
Die Bundesregierung hat ihre Wachstumsprognose für das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2024 von 1,3 Prozent auf 0,2 Prozent gesenkt. Das ist eine krasse Senkung. Für eine Regierungskoalition, die behauptet, dass sie – und nur sie – die Zukunft Deutschlands repräsentiere, ist es eine Bankrott-Erklärung. Ihre Politik der großen Transformation bringt dem Land alles andere als einen ›New Deal‹. Vor dem Hintergrund des stagnierenden Bruttoinlandsproduktes bekommen die rasant steigenden Schulden nun ein viel größeres Gewicht: Zum ersten Mal seit Gründung der Bundesrepublik ist ihre finanzielle Solidität wirklich erschüttert.
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