von Lutz Götze
Die Menschheit ist seit altersher von Seuchen versehrt worden. Im Gilgamesch-Epos aus dem 12. vorchristlichen Jahrhundert ist die Rede davon, in den Texten der hebräischen Bibel gleichermaßen. Interpretiert wurde das gemeinhin als Strafe der Götter für menschliches Fehlverhalten. In Genesis 6-9 wird von einer Sintflut berichtet, die 300 Tage gedauert haben soll. Der Volksmund hierzulande hat das Wort mit Sünde in Zusammenhang gebracht, was freilich falsch ist. Dieses Wort ging vielmehr aus dem Althochdeutschen sin(t)fluot hervor, das etwa mit ›immerwährende Überschwemmung‹ zu übersetzen wäre. Entkommen seien, so der Bibeltext, der Wasserflut nur wenige Gottgläubige und Gerechte, darunter Noah mit seiner Arche und den Tieren, die schließlich auf dem Berge Ararat im Osten der Türkei, nahe der armenischen Grenze, landeten und ein neues Geschlecht aufbauten. Umstritten ist unter Theologen, weshalb ein gütiger und allwissender Gott eine solche Strafe über die Menschen verhängen konnte. Verwiesen wird gemeinhin auf den biblischen Brudermord und andere Verbrechen, obendrein auf das lasterhafte Leben, von dem es 1. Buch Mose heißt: ›Sie nahmen sich zu Weibern, welche sie nur wollten‹. Andere Erklärungen gibt es zuhauf.
von Ulrich Schödlbauer
Ich entdeckte ihn in den Weiten von Youtube auf der Suche nach einem stillen Abendvortrag über die ewig ungelösten Rätsel des Weltalls. Er stand, in korrekter Sprecher-Haltung, die gleich den Profi verriet, vor einer mit Börsennachrichten gespickten Wand und seine Stimme klang unvergleichlich: hell, körnig, zuckend im Stakkato eines Maschinengewehrs und bis in die letzte Silbe hinein beherrscht – eigentlich müsste ich sie, in neuerer Sprache, ›durchherrscht‹ nennen, um der Erscheinung gerecht zu werden, doch das steht auf einem anderen Blatt und ich habe es gerade verlegt. Er nannte sich ›Mister X‹ oder dergleichen und gehörte zur Klasse der Börsengurus, also jener Menschen, die vermögenden, aber unbedarften Menschen Fonds und Ratschläge andrehen, indem sie den nächsten Crash mit der Präzision eines Uhrwerks voraussagen, inklusive sämtlicher erwartbarer Schwarzer Schwäne und ihrer Auswirkungen auf das Weltgeschehen. Letzteres verdient hervorgehoben zu werden, weil mit dem Schwarzen Schwan das Unerwartete des Weltgeschehens gemeint ist: Der Börsenguru hat es, nicht anders als der Historische Materialist seine revolutionären Umschläge, eingetütet und für den Hausgebrauch fix und fertig parat.
von Herbert Ammon
›Die Einschläge kommen näher.‹ Mit diesem als understatement gemeinten Kalauer aus der Militärsprache setzt man sich hierzulande gerne über unliebsame Wahrnehmungen/ungute Gefühle hinweg, beispielsweise nach/über beunruhigende ärztliche Diagnosen. Zu den Glücklichen gehören diejenigen, denen das alles egal ist. Für viele – für die meisten? – reichen lockere Phrasen indes nicht mehr aus, wenn ihnen von Ferne – oder aus der Nähe – Freund Hein entgegenlächelt. Sub specie mortis geht es um Existenzielles, um die letzten Dinge, um Sinn. Die einen behelfen sich mit den Tröstungen der Philosophie, die anderen mit Religion, wieder andere mit einer Synthese aus beidem.
Sämtliche Abbildungen mit freundlicher Genehmigung der Urheber. Front: ©2024 Lucius Garganelli, Serie G