von Jobst Landgrebe
Die Athener Vollbürger des 5. Jahrhunderts waren Freiheitsfanatiker. Sie liebten ihren Stadtstaat, weil es ihnen auf dem Höhepunkt der Demokratieentwicklung gelungen war, ihn durch soziale und rechtliche Normen so zu gestalten, dass der Staat das notwendige Gewaltmonopol innehatte, ohne es wesentlich zu missbrauchen. So waren sie wahrhaft frei, konnten ihren individuellen und kollektiven Willen ausleben, solange sie sich an die sozialen und rechtlichen Normen hielten. Freiheit auszuleben geht mit individueller Risikobereitschaft und kollektiver Wehr- und Opferbereitschaft sowie Dankbarkeit für das Gemeinwesen einher, da Willensentfaltung die Möglichkeit zum Scheitern beinhaltet und nach außen gerichtet zu Konflikten mit anderen Staaten führt. Die Athener waren bereit, diese Risiken zu tragen und im bewaffneten Konfliktfall selbst in den Krieg zu ziehen und sich für ihr Gemeinwesen zu opfern. Sie waren ihren Mitbürgern dafür zutiefst dankbar und ehrten die Opfer ihrer Risikobereitschaft.
von Rainer Paris
An Deutungen und Analogien des Fußballs herrscht wahrlich kein Mangel. Er sei Mikrokosmos und Tugendregister, Spiegel oder auch Zerrspiegel der Gesellschaft und anderes mehr. Wie immer bei solchen Aussagen und Vergleichen – sie treffen in einiger Hinsicht zu und blenden anderes aus.
Hier nun soll eine weitere Variante ausprobiert werden: Fußball als Abbild des Lebens. Marco Bode und Dietrich Schulze-Marmeling haben in einem ausgezeichneten Buch Tradition schießt keine Tore (Verlag Die Werkstatt, Bielefeld 2022) am Beispiel Werder Bremen die vielfältigen Veränderungen und Herausforderungen nachgezeichnet, die der moderne, kommerzialisierte Profifußball in den letzten Jahrzehnten erlebt hat. Analytische Anleihen (bei Daniel Kahneman), sportliche und organisatorische Binnenperspektive werden hier aufs Trefflichste miteinander verzahnt, ein Muss für jeden Sportsoziologen und Sportwissenschaftler.
von Immo Sennewald
Das Zeitalter der Mobilität hat uns vom Laufen zum Fahren, zum Rasen, gar zum Fliegen gebracht. Damit diese Fortbewegung von inzwischen Milliarden Menschen nicht fortwährend mit Unglück, Stau, gar Kollaps, Tod und Chaos einhergeht, braucht es Regeln. Es gibt sie, sie wurden und werden fortwährend geändert, angepasst, umgangen und gebrochen.
Dabei gab es ein Wechselspiel: Der Mensch passte die Technik seinen Bedürfnissen an – schneller, höher, weiter, sicherer, komfortabler – neue Regeln mussten her: Gurtpflicht, Tempolimits, Überholverbote, Rettungsgassen. Das Verhalten der sich fortbewegenden Menschen änderte sich nur insofern, als die Regeln Routinen hervorbrachten – etwa das Anlegen des Gurtes oder routinierte Blicke auf Instrumente, Ampeln, Verkehrszeichen, Kreuzungen (rechts vor links), mögliche Blitzer am Fahrbahnrand.
Sämtliche Abbildungen mit freundlicher Genehmigung der Urheber. Front: ©2024 Lucius Garganelli, Serie G