von Steffen Dietzsch
Am 1. Dezember 1934, einem Samstag, nachmittags gegen halb vier, wurde Sergej Mironowitsch Kirow (*1886) an seinem Dienstplatz, im alten Smolny-Institut in Leningrad, von einem jungen Komsomolzen, Leonid Nikolajew (*1904), mit einem Nagant-Revolver russ: Наган) in den Rücken geschossen. Kirow war Leningrader Parteichef (seit 1926, als er Sinowjew abgelöst hatte) und der gegenwärtig neben Stalin populärste Politiker in der Partei; zumal seit Februar 1934, als er auf dem XVII. Parteitag der KPdSU die spontane Sympathie der Mehrheit der Delegierten einstrich. – Mit diesem Attentat begann, wie wir heute wissen, eine neue Verschärfung im alltagsterroristischen Regierungshandeln in der UdSSR (das erst 1953, nach Stalins Tod, zurückgefahren wurde).
von Herbert Ammon
Die Erinnerung an die ›Weiße Rose‹, an den Widerstand der Geschwister Scholl und ihrer Freunde, gehört zu den historischen Gedenkriten der Bundesrepublik Deutschland. Doch wie Geschichtsschreibung allgemein stets im jeweiligen Zeithorizont stattfindet, so unterliegt Gedenken – damit auch die Geschichte der ›Weißen Rose‹ – dem zeitlich entrückten Deutungsinteresse der politischen Gegenwart.
Im öffentlichen Bewusstsein sind etwa bis heute – im Unterschied zu den Geschwistern Scholl, Kurt Huber sowie Hans Leipelt, dem Verbindungsmann zum Münchner Widerstandskreis – die Namen von sechs Angehörigen des Hamburger Zweiges der ›Weißen Rose‹, die noch bis kurz vor Kriegsende im Gefängnis und in Konzentrationslagern zu Tode kamen, wenig präsent. Die Hamburger Widerstandsgruppe um den Buchhändler Felix Jud sowie den linksorientierten Heinz Kucharski war im Herbst 1943 durch Verrat eines französischen Gestapospitzels aufgeflogen. Dem am 17. April 1945 vom ›Volksgerichtshof‹ Hamburg zum Tod verurteilten Heinz Kucharski gelang kurz vor seiner Exekution bei einem Bombenangriff die Flucht.
von Peter Brandt
Es ist offenkundig, dass die Berichterstattung der hiesigen Medien über die Kriege in der Ukraine und im Gaza-Streifen bei weitem nicht die Gesamtheit der derzeit stattfindenden bzw. andauernden kriegerischen Ereignisse mit teilweise genozidalen Zügen und in mehreren Fällen hunderttausenden Todesopfern erfasst, so in Syrien, im Jemen, im Sudan und Südsudan, in Äthiopien und in Somalia, die Interventions- und Bürgerkriege im Irak und in Afghanistan, die auf prekäre Weise beendet zu sein scheinen, deshalb beiseitegelassen. Nur jeweils flüchtig und inhaltlich meist diffus tauchten die in den letzten Jahrzehnten drei Kriege zwischen den beiden südkaukasischen Republiken Aserbaidschan und Armenien in den Nachrichten auf. Gerade dieser Konflikt verdient mehr Aufmerksamkeit – er steht in armenischer Perspektive in der Kontinuität des systematischen Völkermords im 20. Jahrhundert.
Sämtliche Abbildungen mit freundlicher Genehmigung der Urheber. Front: ©2024 Lucius Garganelli, Serie G