Zu Doro Bregers Projekt Mein ist die Erde. Profanationen 1 – 5
von Ulrich Schödlbauer
1.
Die Trennung des Heiligen vom Profanen schafft Übergänge – Schwellen, Öffnungen, Durchblicke. Durch sie entsteht ein Zwischenbereich der verstohlenen Blicke, der Viertel- und Halbwahrnehmung, der flüchtig und beiläufig konnotierten Referenzen. Das Auge ruht bedeutungsvoll auf entrückten, halb verborgenen und künstlich abgedunkelten Gegenständen, die der Betrachter als ›geheimnisvoll‹ notiert, aber nicht in ihrer eigenen Bedeutungsdimension erschließt. Der ästhetische Symbolismus der Kunst bewegt sich, wie bekannt, in diesem Zwischenbereich. Die Surrealisten haben ihn auszuloten versucht, die Werbung und das Kino haben ihn geplündert und kommerzialisiert. So betrachtet, besteht das, was man die Ikonographie der Warenwelt nennt, zu großen Teilen aus ästhetischen Anleihen. Zweckmäßigerweise gedeihen sie dort am besten, wo den Rezipienten die Bezugnahme nicht deutlich wird. Das kann viele Gründe haben. Zwei davon sind eher struktureller Natur: die Trivialität der Bezüge und die aufgeklärte Modifikation des religiösen Bewusstseins, durch die beim durchschnittlichen Europäer das Heilige mitsamt seinen Bildern, seinen symbolischen Formen und Gesten in den Hintergrund tritt. So wird es erneut zu dem, was es schon in den Anfängen war: verbotener Bezirk.
von Ulrich Schödlbauer
Lieber Herr Oberreiter,
unter den Linien, welche die schöne Leidenschaft in die menschliche Seele zeichnet, besitzt für mich eine seit jeher einen bedingungslos anderen Reiz – die der literarischen Emphase. Die intelligente Emotion, die durch ihr Ausdrucksmittel darauf festgelegt ist, Mimesis und Moral, die Vernunft und den Verrat an ihr zu artikulieren, zu inszenieren, in jenes Tauschverhältnis zu setzen, in dem sich beides aneinander bereichert und steigert, richtet sich von Haus aus weniger an die Intelligenten, die Klugen, die Bescheidwisser, vielmehr an diejenigen, die nicht ganz zu Hause sind ›in der gedeuteten Welt‹, wie das ein Lyriker einmal ausgedrückt hat, sie ist insofern auch, jedenfalls für mich, wesentlich lyrisch, wobei mir bewusst ist, dass ich mit dem Wort ›wesentlich‹ bereits etliche Abwehrreflexe mobilisiere.
Notizen anlässlich einer Tagung in der Münchner Siemens-Stiftung im November 2007
von Dietrich Harth
Eine alte Mär erzählt, die Vorfahren der mittelamerikanischen Völker aus vorkolonialer Zeit – Olmeken, Maya, Azteken, Mixteken – stammten aus China. Auch wenn es dafür keinerlei Beweise gibt, Narren lassen sich immer finden, die solche gegen gutes Geld aus dem Nichts hervorzaubern. In einem mit Kuriositäten gespickten schelmischen Vortrag ging Gordon Whittaker von der Universität Göttingen diesen angeblich wissenschaftlich seriösen Beweisgängen nach – und kam doch nur zur Erkenntnis, dass Winde und Wellen zwar den altchinesischen Seefahrern hätten nützen können, dass aber außer der einen oder andern Ähnlichkeit im Allgemeinmenschlichen von Evidenzen für die Stichhaltigkeit der alten Mär nicht die Rede sein kann.
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