von Ulrich Schödlbauer
Selten ein so bedeutendes und zugleich schlecht geschriebenes Buch gelesen. Lobaczewskis Wissenschaftsglaube ist ungebrochen, die ›objektive‹ Sprache seiner Disziplin gilt ihm als Panazee, mit deren Hilfe sich alle großen und kleinen Verirrungen der Gesellschaft heilen lassen. Der Wissenschaftler als Therapeut der Welt, als Supervisor der Regierungen und ihr Berater – das klingt als Programm ein wenig outdated, seit die Welt begriffen hat, wie leicht Wissenschaftler – und Wissenschaften – sich manipulieren lassen. Am Ende siegt, folgt man der Theorie, so oder so die Wissenschaft. Aber in einem Prozess, dessen Ende sich vorerst nicht absehen lässt, bleibt das ein schwacher Trost.
von Max Ludwig
Im Schauspiel Hannover läuft gerade die Faust-Bearbeitung Goethes Faust – allerdings mit anderem Text und auch anderer Melodie von Barbara Bürk und Clemens Sienknecht. Es lohnt sich diese Inszenierung anzusehen – nicht, um den Faust kennenzulernen, sondern weil diese Adaptation Auskunft über den Zustand unserer Kultur gibt. Und weil sie, wenn man sich darauf einlässt, wirklich unterhaltsam ist. Schauen wir uns beide Aspekte an.
von Ulrich Siebgeber
Man könnte eine Liste literarischer Nachkriegsexistenzen zusammenstellen, deren Modelle durch die politmediale Entwicklung der letzten Jahrzehnte obsolet wurden. Allen voran das großgeschriebene ICH des österreichischen Society-Grantlers Thomas Bernhard: Es auszulöschen reichte der Massenerfolg der sozialen Medien aus, in denen Volkes Stimme sich nicht mit allgemeinen Schimpfkanonaden in Richtung ›Elite‹ begnügt, sondern Ross und Reiter eintunkt, wann immer die Galle überläuft. Sie ist nicht der einzige Überläufer in diesen Tagen. Das hat, wie jeder weiß, zu Hassparagraphen Anlass gegeben, ohne dass die Notgemeinschaft der Verletzten und Beleidigten damit des Problems Herr geworden wäre.
Sämtliche Abbildungen mit freundlicher Genehmigung der Urheber. Front: ©2024 Lucius Garganelli, Serie G