von Wolfgang Thierse
Am 18. März 1990 machten die Bürgerinnen und Bürger der DDR eine ganz neue Erfahrung: Zum ersten Mal war ihre Stimme, war ihr Kreuz auf einem Wahlschein etwas wert. Gewählt wurde die 10. und zugleich letzte Volkskammer - und das war endlich eine, die diesen verpflichtenden Namen verdiente. Die Mehrzahl der wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger erlebte den Wahlsonntag nicht nur als ein historisch, sondern auch als ein biografisch bedeutsames Ereignis. Nach knapp sechs Jahrzehnten und zwei Diktaturen konnten sie endlich in einem demokratischen Verfahren auf die politische Gestaltung ihres Landes und auf seine Zukunft Einfluss nehmen. Wofür sich die endlich mündig gewordenen Bürgerinnen und Bürger an diesem Tag entschieden, ist bekannt: für die parlamentarische Demokratie und für die deutsche Einheit.
von Peter Brandt
Bei dem vom deutschen Bundestag beschlossenen Bau eines Freiheits- und Einheitsdenkmals geht es – jedenfalls aus meiner Sicht – nicht darum, einfach den Ist-Zustand der Verhältnisse in Deutschland zu feiern. Eine positive Einstellung zur Selbstbefreiung der DDR im Herbst 1989 und zur Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands als solcher im Jahr darauf ist durchaus vereinbar mit einer kritischen Haltung zur staatsrechtlichen Form und zum gesellschaftspolitischen Inhalt der deutschen Einigung, wie sie sich faktisch vollzogen hat und insofern weiterhin diskussionswürdig bleibt.
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