
von Lutz Götze
Eine Reform des Wahlrechts steht seit Jahren auf der Tagesordnung. Der Bundestag platzt aus allen Nähten. Derzeit werkeln 709 Abgeordnete im Berliner Reichstag; sollte nichts geschehen, könnten es nach der nächsten Wahl im Jahre 2021 über achthundert werden: Unerträglich!
Das Dilemma beklagen wortreich alle Parteien, doch geschehen ist bislang nichts. Jetzt hat der Koalitionsausschuss aus Union und SPD eine ›kleine Lösung‹ beschlossen, die Finanzminister Scholz sogleich einen ›großen Erfolg‹ nannte, während die Unionschefin Kramp-Karrenbauer, eher zurückhaltend, von ›einem Dämpfungsschritt‹ sprach, der die Chance dafür biete, dass ›der nächste Bundestag auf jeden Fall nicht größer wird als der jetzige‹. Die Opposition verurteilte das Ergebnis unisono als ›Reförmchen‹, das obendrein eine Verzerrung des Zweitstimmenergebnisses mit sich bringe.
von Ulrich Schödlbauer
Das ganze Elend des etablierten Journalismus besteht darin, dass das Internet, also ein Medium, gnadenlos seine Inkompetenz aufgedeckt hat: Jeder Augenzeuge, der seine Smartphone-Kamera hochreckt, jeder Leserbriefschreiber, taktvoll ›Kommentator‹ genannt, jeder Blogger mit ein wenig Hintergrundwissen, jeder Wikipedia-Benutzer, jeder, der auch nur fünf Minuten per Mausklick recherchiert, weiß es besser als der Berufsjournalist, der von Thema zu Thema hetzt und dazu verdammt ist, die Twitter-Ausdünstungen unbedeutender Politiker als Nachrichten wiederzugeben: das zermürbt, es zermürbt unendlich und fördert damit die bockige Verhärtung, die diese Menschen als ›Haltung‹ missverstehen, weil ihnen die Vorstellung, sie besäßen eine, kompensatorische Befriedigung verleiht.
von Wolfgang Schütze
Sehr geehrter Herr Fenske,
Sie werden sich vielleicht nicht erinnern: In einem Leserbrief, abgedruckt in der Leipziger Volkszeitung (LVZ) am 6. Oktober 1989 unter der Überschrift »Werktätige des Bezirkes fordern: Staatsfeindlichkeit nicht länger dulden« verlangte ein Kampfgruppen-Kommandeur, dessen Name mit ›Günter Lutz‹ angegeben wurde, im Namen der Hundertschaft ›Hans Geiffert‹, notfalls auch mit Waffengewalt gegen Demonstranten vorzugehen.
Zum Glück kam es nicht dazu, unter anderem deshalb, weil der friedliche Widerstand des Volkes inzwischen so mächtig geworden war, dass die noch Herrschenden kein Blutbad a la Tieanmen-Platz persönlich verantworten wollten. Dennoch gilt der Abdruck dieses Leserbriefs als Beleg für den willfährigen Gebrauch von Massenmedien in der DDR als »kollektiver Organisator, Propagandist und Agitator«, als einer der moralischen und journalistischen Tiefpunkte der LVZ.
Sämtliche Abbildungen mit freundlicher Genehmigung der Urheber. Front: ©2024 Lucius Garganelli, Serie G