
von Herbert Ammon
Eigentlich legt das Datum des 11. September 2001– nine eleven – Betrachtungen über den Weltzustand nahe, die über das bekannte Erklärungsschema Islamismus (oder islamischer Fundamentalismus) versus westlicher Liberalismus (oder liberales Wertesystem) hinausreichen. Mit einer Analyse, die das Ursachengeflecht von europäisch-westlicher Expansion und traditonsgebundener Kultur im 19. Jahrhundert, von archaischen Herrschaftsstrukturen und liberalen, nationalistischen oder sozialistischen Modernisierungsideologien im 20. Jahrhundert, sowie von geopolitischen oder weltpolitischen Rivalitäten nach dem Zweiten Weltkrieg auszuloten versucht, kommen wir den Ursprüngen der Schreckensbilder jenes Tages vor neunzehn Jahren fraglos näher.
von Gunter Weißgerber
Nach längerer Zeit war ich wieder einmal im Gartenmarkt vor den Toren Markkleebergs bei Leipzig. Der erste Eindruck vor dem Eingang machte stutzig. Es fehlte was. Richtig! Viele Jahre stand dort eine kleine Holzlaube, in der Bratwürste, Steaks usw. verkauft wurden. Und jetzt? Weg! Einfach weg, die Bude.
Wo sind die Menschen, die darin ihre wirtschaftliche und soziale Existenz sicherten? Wie viele solcher Existenzen gibt es inzwischen nicht mehr? Tausende? Hunderttausende Einzelschicksale und Familien? Wer interessiert sich überhaupt dafür? Corona-Hysterie sei ›Dank‹: Bratwurststand weg und Fleischkonsum im Keller. Wann gehen diese Menschen auf die Straße? Oder sind sie schon mit dabei in Berlin, Stuttgart, überall?
von Boris Blaha
In den vielen, meist nachdenklichen Aufarbeitungen der Demonstrationen in Berlin am 1. und 29. August wurde, mal mit mehr melancholischem, mal mit mehr optimistischem Grundton, auf das ›bunte Völkchen‹ verwiesen, die naiv-romantische Festivalstimmung wurde ebenso hervorgehoben wie der fehlende politische Ernst. Insgesamt vermisste man die mangelnde Orientierung und Ausrichtung auf einen klaren politischen Gegner. Das Volk müsse sich erst finden, hieß es.
Das ist alles richtig, dennoch fehlen mir in diesen Beschreibungen zwei wesentliche Aspekte. 1989 gab es eine östliche und eine westliche Wahrnehmung und zwischen beiden eine große Verständnislosigkeit. Nach der erfolgreichen Delegitimierung der bloß angemaßten ›führenden Rolle der Partei‹ durch das ›wir sind das Volk‹ änderte sich die Perspektive: Mit dem ›wir sind ein Volk‹ erging die Aufforderung an die westlichen Landsleute, den Verfassungsauftrag des Grundgesetzes anzunehmen, was am lautesten die 68er Generation, die sich mit der Flucht aus der geschichtlichen Verantwortung profitable Positionen gesichert hatte, mit konsequenter Verweigerung quittierte. Otto Schilys peinlicher Bananenauftritt dürfte noch vielen in Erinnerung geblieben sein. Christian Meier gehörte damals zu den wenigen herausragenden öffentlichen Intellektuellen, die sich unermüdlich, aber weitgehend vergeblich darum bemühten, ein Gespräch in Gang zu bringen.
Sämtliche Abbildungen mit freundlicher Genehmigung der Urheber. Front: ©2024 Lucius Garganelli, Serie G