Geschichte zwischen Fakten, ›Schwarzen Legenden‹ und Mythen – Teil I
von Johannes R. Kandel
In Gesprächen über Religion und Gewalt im Christentum dauert es nicht lange und es wird mit erhobenem Zeigefinger auf die ›Kreuzzüge‹ hingewiesen. Sie sollen als starkes Argument dienen, die Religion und insbesondere das monotheistische Christentum zu verurteilen. Hier zeige sich doch der wahre Charakter dieser Gewaltreligion: religiöse Hysterie, Machtstreben, Geldgier, Landhunger, Verrat, Eroberungen, brutale Gewalt gegen die Unterworfenen, Massaker, Zwangsbekehrungen, Ausbeutung und Sklaverei. Häufig wird, ausgehend von den Kreuzzügen, die ›blutige Spur des Christentums‹ bis in die Gegenwart gezogen. Anklagend wird darauf verwiesen, dass die Kreuzzüge noch bis weit in das 19. und 20. Jahrhundert positiv beurteilt wurden. Im ›Zeitalter imperialer französischer Orientpolitik, nationalstaatlicher Stauferverklärung und preußisch-deutschen ›Platz an der Sonne‹- Ehrgeizes‹ (Schmugge, Deus lo vult?, 2008, S. 93) seien sie überwiegend als Ausdruck des Kampfes für hohe, ›heilige‹ Ideale, fromme Leidenschaft und ritterliche Tapferkeit interpretiert worden, gleichwohl seien sie letztlich nur – von sehr weltlichen Motiven getrieben – eine »Lizenz zum Töten«, ein »Töten im Auftrag der Kirche« gewesen (Wippermann. Kreuzzüge im Mittelalter und der Moderne, 1997). Das sollte nicht nur für die Kreuzzüge in den Nahen Osten vom 11. bis zum 13. Jahrhundert gelten, sondern auch für die mit päpstlichen Aufrufen und begleitendem Segen gegen die Muslime in Spanien (Reconquista), die ›Ketzer‹ (Albigenser in Südfrankreich) und Heiden in Osteuropa (Slawen, Wenden) gerichteten bewaffneten Unternehmungen.
von Peter Brandt
Die Themenstellung enthält zwei Begriffe, die sich nicht von selbst verstehen: zunächst ›Sozialismus‹. Ist mit dem Ende des sogenannten ›real existierenden Sozialismus‹ zwischen Magdeburg und Wladiwostok, gekennzeichnet durch die Diktatur des obersten Zirkels der führenden Partei und Kommandowirtschaft im Rahmen einer weitgehend verstaatlichten bzw. entprivatisierten Ökonomie sowie – unterschiedlich stark ausgeprägte – Privilegierung der Staats-, Partei- und Wirtschaftsbürokratie sowie bestimmter Berufsgruppen in einer ansonsten relativ egalitären Gesellschaft, ist also mit dem Ende dieses Systems, dessen Wiederkehr in Europa höchst unwahrscheinlich ist, jede gesellschaftliche Alternative zum Kapitalismus, gekennzeichnet durch Privateigentum an den Produktionsmitteln, den Markt als Steuerungsmechanismus und das Profitprinzip, hinfällig? Und wie sehr hat der Zusammenbruch der oft als ›Staatssozialismus‹, auch als ›Nominalsozialismus‹ (statt ›Realsozialismus‹) bezeichneten Ordnung auch diejenigen Teile einer sich irgendwie als sozialistisch verstehenden Linken, die diesem System schon vor 1989/90 kritisch gegenüberstanden, tangiert?
von Ulrich Schödlbauer
Wenn du einem Machtpolitiker einen Weg an die Macht zeigst, wird er ihn gehen.
Wenn du einem Machtpolitiker einen Weg zeigst, seine Macht zu erweitern, wird er ihn gehen.
Wenn du einem Machtpolitiker einen Weg zeigst, ein System, das seine Macht einschränkt, auszuhebeln, wird er es tun.
Wenn du ihm dann einen Weg zeigst, das Ungesetzliche legal aussehen zu lassen, wird er ihn den Weg des gesetzlichen Fortschritts nennen und für unumgänglich erklären.
Erkläre einem Machtpolitiker, der ›an der Macht ist‹, wie man mit Hilfe der Naturgesetze einen übergesetzlichen Notstand herbeiredet und begründet: Er wird dir ein Forschungsinstitut verschaffen und dich zu seinem Ratgeber wählen.
Macht rät sich selbst…
Sämtliche Abbildungen mit freundlicher Genehmigung der Urheber. Front: ©2024 Lucius Garganelli, Serie G