von Herbert Ammon
Die Erinnerung an die ›Weiße Rose‹, an den Widerstand der Geschwister Scholl und ihrer Freunde, gehört zu den historischen Gedenkriten der Bundesrepublik Deutschland. Doch wie Geschichtsschreibung allgemein stets im jeweiligen Zeithorizont stattfindet, so unterliegt Gedenken – damit auch die Geschichte der ›Weißen Rose‹ – dem zeitlich entrückten Deutungsinteresse der politischen Gegenwart.
Im öffentlichen Bewusstsein sind etwa bis heute – im Unterschied zu den Geschwistern Scholl, Kurt Huber sowie Hans Leipelt, dem Verbindungsmann zum Münchner Widerstandskreis – die Namen von sechs Angehörigen des Hamburger Zweiges der ›Weißen Rose‹, die noch bis kurz vor Kriegsende im Gefängnis und in Konzentrationslagern zu Tode kamen, wenig präsent. Die Hamburger Widerstandsgruppe um den Buchhändler Felix Jud sowie den linksorientierten Heinz Kucharski war im Herbst 1943 durch Verrat eines französischen Gestapospitzels aufgeflogen. Dem am 17. April 1945 vom ›Volksgerichtshof‹ Hamburg zum Tod verurteilten Heinz Kucharski gelang kurz vor seiner Exekution bei einem Bombenangriff die Flucht.
von Peter Brandt
Es ist offenkundig, dass die Berichterstattung der hiesigen Medien über die Kriege in der Ukraine und im Gaza-Streifen bei weitem nicht die Gesamtheit der derzeit stattfindenden bzw. andauernden kriegerischen Ereignisse mit teilweise genozidalen Zügen und in mehreren Fällen hunderttausenden Todesopfern erfasst, so in Syrien, im Jemen, im Sudan und Südsudan, in Äthiopien und in Somalia, die Interventions- und Bürgerkriege im Irak und in Afghanistan, die auf prekäre Weise beendet zu sein scheinen, deshalb beiseitegelassen. Nur jeweils flüchtig und inhaltlich meist diffus tauchten die in den letzten Jahrzehnten drei Kriege zwischen den beiden südkaukasischen Republiken Aserbaidschan und Armenien in den Nachrichten auf. Gerade dieser Konflikt verdient mehr Aufmerksamkeit – er steht in armenischer Perspektive in der Kontinuität des systematischen Völkermords im 20. Jahrhundert.
von Harald G. Dill
Ansichten eines Außerfränkischen
Es gibt Menschen, die man als omnipräsent empfindet. Im prädigitalen Zeitalter waren dies die ›Spagatprofessoren‹, die an zwei weit auseinanderliegenden Hochschulen ›gleichzeitig‹ Vorlesung hielten. Später kam ein Minister hinzu, der sich auf seinen Dienstreisen ins Ausland in der Luft begegnete. Ein anderer Politiker aus der CDU ist bekanntermaßen bei jedem Thema an jedem Ort präsent. Diese Personen sind aber alle ›Waisenknaben‹, vergleicht man sie mit dem Sonnen-Kini von Schweinau.
von Ulrich Siebgeber
1. Die einfachste Weise, Brecht zu verwechseln, besteht darin, seine Stücke auf die Bühne zu bringen. Nicht, dass sie nicht auf die Bühne gehörten, aber diese Bühne ist längst vergangen und war ohnehin nicht mehr als ein Zipfel der großen Weltbühne, die sich seither gründlich gewandelt hat. Trotzdem werden immerfort die alten Stücke gegeben, Stück für Stück, ohne dass man irgendwo den Groschen fallen hörte. Auch der Nachwuchs nimmt sich ihrer gelegentlich an, wie gerade wieder vom Berliner Ensemble demonstriert.
von Felicitas Söhner
Die Arbeitsgruppe Oral History am Centrum für Geschichte und Ethik der Medizin (chs) der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf ist ein lebendiges Beispiel dafür, wie biografische Interview-Forschung und medizinhistorische Themen in einem innovativen akademischen Umfeld zusammenkommen. Im Zentrum dieser Aktivitäten steht die Düsseldorfer Forschungswerkstatt Oral History (FOH), die im April 2022 von Felicitas Söhner gegründet wurde und sich seither als viel genutzte Plattform für methodische Diskussionen und forschendes Lernen etabliert hat.
Seite 1 von 3
Sämtliche Abbildungen mit freundlicher Genehmigung der Urheber. Front: ©2024 Lucius Garganelli, Serie G