Stefan Breuer, einer der besten Kenner der Geschichte des rechtsgerichteten politisch-geistigen Spektrums in Deutschland vom Kaiserreich bis zum Nationalsozialismus, hat eine weitere, hochinteressante Untersuchung vorgelegt, wie üblich äußerst kenntnisreich auf breiter Quellen- und Literaturbasis, Nachlässe von elf relevanten Akteuren einbeziehend, überzeugend argumentierend und sprachlich gelungen. Breuer versteht es, ohne dass seine Darstellung des Nordizismus affirmativ wird, die Gedankengänge der Protagonisten ›verstehend‹ und dabei präzise und namentlich die Differenzierungen klar herausarbeitend zu rekonstruieren. Auf diese Weise gelingt es ihm, dem Leser einen Eindruck von der Attraktivität des Nordischen Gedankens für ein bestimmtes Segment der sozialen Eliten und der bürgerlichen Intelligenz in der Zwischenkriegszeit zu vermitteln.
Zu Breuers sezierendem Herangehen an die Objekte seiner Forschung gehört das Beharren auf einer genauen und dadurch aussagekräftigen Begrifflichkeit. So wendet er sich gegen die heute übliche inflationäre, analytisch blinde Benutzung des Terminus ›Rassismus‹ als ›Omnibus-Begriff‹ und dringt z. B. darauf, radikalen Nationalismus von Rassismus im eigentlichen Sinn (um den es in einer seiner Varianten hier geht) zu unterscheiden, auch wenn in der politischen Auseinandersetzung und der Publizistik Überschneidungen und Mischungen gängig waren und sind.
Afrika und die Afrikaner lieben und die gegenwärtige gut gemeinte ›Entwicklungshilfe‹ ad absurdum führen – passt das zusammen? Im Falle von Volker Seitz und seinem immensen Erfahrungsschatz kann die Frage nur eindeutig mit ›Ja‹ beantwortet werden! Der Mann gehört in die Entwicklungspolitik und in die Hörsäle der in bester Absicht falsch helfenden westlichen Welt. Der Afrikafreund Seitz müsste mehrfach geklont werden. Was ebenso wenig möglich ist wie die von ihm sympathisch und sehr logisch angemahnte Reform des Entwicklungshilfegedankens in Theorie und Praxis möglich erscheint. Weitermachen wie bisher beruhigt das westliche Gewissen und schützt vor intensiver Hinterfragung eigener Positionen: Der ›alte weiße Mann (sicher auch die alte weiße Frau)‹ ist schuldig am Übel dieser Welt, Afrika ist das Opfer des ›Westens‹. Koloniales Subjekt sind ›Wir‹, beherrschtes Objekt sind ›Die‹. Die arabische Welt und China erfahren in dieser verqueren Denke nicht einmal eine Erwähnung als (böse) Subjekte. So einfach ist das aber nicht. Wie Volker Seitz, flüssig geschrieben, klarmacht.
Vergessene Fakten. Erfahrungen, Fakten und Empfindungen im geteilten und vereinten Land
von Herbert Ammon
I.
Der 9. November 2019 steht bevor, der Tag zum Gedenken an den einzigartigen, wenn nicht einzigen Glücksfall der deutschen Geschichte. In den anstehenden Gedenkreden und Artikeln in den ›Leitmedien‹ wird die Rede sein vom Freiheitswillen der DDR-Bürger, von der Überwindung der Teilung Europas, dazu die Warnungen vor dem erstarkenden ›Nationalismus‹, verknüpft mit mahnenden Verweisen auf das andere Novemberdatum (unter anderen). An besorgt klingenden Kommentaren zu den in der politischen Landschaft sichtbaren Bruchlinien zwischen Ost und West wird es nicht fehlen. Ob darüber die im Ost-West-Konflikt der Nachkriegszeit verwurzelte Vorgeschichte der deutschen Teilung, des Mauerbaus und des Mauerfalls näher beleuchtet wird, kann als Frage offen bleiben. Jedenfalls sind in der ahistorisch gestimmten Bundesrepublik außer den verblassenden Bildern vom Tanz auf der Mauer die historischen Umstände des Mauerfalls kaum noch geläufig, so wenig wie die historischen und politisch-psychologisch fortwirkenden Tiefenschichten der deutschen Teilung.
Sämtliche Abbildungen mit freundlicher Genehmigung der Urheber. Front: ©2024 Lucius Garganelli, Serie G