von Ulrich Siebgeber

Der amerikanische Wahlkampf ist vorbei, der Karneval ist zu Ende gegangen, nur ein paar Trunkenbolde, die nicht so leicht vom billigen Wahlkampffusel lassen können, ziehen nächtens über Amerikas Straßen und zelebrieren den Hass, gegen den ihre Gehirne so gerne ankämpfen möchten. Doch halt, da gibt es eine europäische Elite, professionelle Leute, wenn das Publikum sie richtig versteht, angeführt von einem unglaublichen deutschen Außenminister, den sein Parteichef angesichts der allgemeinen Renten-Unsicherheit noch schnell ins Präsidentenamt hieven möchte – Leute, die ihr Handwerk von Grund auf verstehen sollten, und sie grölen in der ihnen eigenen Sprache der Distinktion mit: Was passiert da gerade? Rausch? Rendite? Routine? Wenn darin eine Steigerung liegt, dann muss es wohl letztere sein.

Die Fassungslosigkeit der Routiniers lenkt den Blick auf die Gedankenlosigkeit, die jeder Routine innewohnt. Bei uns waren die Arbeitsplätze sicher, versicherten manche Verunsicherte Ost seinerzeit dem verblüfften Zuhörer West nach dem Einsturz ihres Systems. Das ist zwar ein paar Jahrzehnte her, scheint aber ein Denkmuster von Strategen der vereinigten deutschen Politkaste geworden zu sein, die schon angesichts der Erfolge der AfD von einer Ratlosigkeit in die nächste hastet. Wenn es nur dabei bliebe! Realitätsverweigerung scheint das Muster zu sein, nach dem sich die Parteien in diesem unseren Lande sortieren. Gegenüber den USA wird ihr nicht viel Zeit eingeräumt werden, da jenes Land, isolationswillig oder nicht, auch in den nächsten Jahren fortfahren wird zu verfügen, was diesseits des Atlantik als Realität gilt. Doch der Riss im Schornstein ist weithin sichtbar und vielleicht bedarf es nur, wie in einer Erzählung des Amerikaners Poe, der richtig positionierten Nachmittagssonne, um den prüfenden Blick erkennen zu lassen, dass er sich durch die gesamte Fassade des europäischen Hauses zieht.

Dieser Riss… In ihm deutet sich ein Generationsversagen an, das in der Geschichte seinesgleichen sucht … und findet, doch darüber schweigt es sich lieber. Dass diese Generation Professioneller lieber über den Atlantik jettet als einen Gedanken in die eigenen Verhältnisse zu investieren, ist allgemein bekannt. Die aktuelle Frage wäre eher, was sie von den dortigen Verhältnissen verstanden haben. Auf die Propagandatrommeln eines gut geschmierten Wahlkampfapparates hereinzufallen, während zur gleichen Zeit das Füllhorn Wikileaks das Innenleben just dieses Apparates gnadenlos offenlegt, ist eine Leistung, zu der man den Entscheidern aufrichtig gratulieren muss. Wir konnten uns nicht vorstellen dass… Mit diesem Satz beginnt der Abschied aller Verlierer von der politischen Bühne. Und er erscheint zwingend, es sei denn, man stellt sich so wendig auf die neuen Verhältnisse ein wie der zwischendurch von der Fahne gegangene Sprecher des Abgeordnetenhauses, der von einer Stimme im amerikanischen Volk sprach, die niemand vor Donald Trump vernommen habe. Wie taub müssen die Herrschaften sein, um derlei schmeichlerischen Nonsens verbreiten zu können?

Der ›unaufhaltsame‹ Aufstieg des Donald Trump hat bewiesen, dass die kluge Intervention eines kalkulierenden Geschäftsmann genügt, um das fatale System der Öffentlichkeitsberieselung, das seit der Zulassung der Super-PACs die Grundlagen der amerikanischen und zusehends auch der europäischen Demokratie unterhöhlt, sich aufhängen zu lassen. Die Medien würden diese Erkenntnis gern hinter geschlossenen Türen mit ihren Geldgebern diskutieren. Ganz wird es ihnen nicht gelingen, doch sie müssen sich etwas einfallen lassen, nachdem das Vertrauen des ›einfachen Wählers‹ nun einmal verspielt ist. Den derbsten Stoß hat das heuchlerische ›linke Bewusstsein‹ der Europäer abbekommen. Seine Heger und Nutznießer sitzen mit denselben Leuten an einem Tisch, die sie rechtens für den Zerfall der Atlantischen Werte verantwortlich machen müssten, deren Worthülsen jetzt von der Kanzlerin eingesammelt und dem kommenden Präsidenten ihrer Vormacht an den Kopf geworfen wurden.

Nicht ganz, denn in der Liste der zu respektierenden Minderheiten fehlte die größte, die Mehrheit, und aus dieser wiederum die Gruppe der steuerzahlenden, kinderkriegenden und -aufziehenden, das System geduldig in Gang haltenden, nur gelegentlich in stiller Verzweiflung den Horizont nach neuen Sternen absuchenden, hinter jeder Fahne, die man ihnen hinhält, gutgläubig einhertrottenden heterosexuellen Konsum- und Arbeitstiere, um deren Stimmen die hiesigen Christ- und Sozialdemokraten sich einmal rissen. Nichts hat den Wahlkampf der Hillary Clinton so in die Tiefe gezogen wie die verräterische Rede von den deplorables und das hinterhergeschobene Kommentatoren-Gift, das sich bis in die öffentlich-rechtlichen Plauderstuben des spontan erblindeten Deutschland ausbreitete. White trash? Willkommen auf der Halde.