von Ulrich Schödlbauer

Der Mauna Loa, Hawaiis Spitzenschleuder in Sachen CO2-Ausstoß, sei ausgebrochen, entnehme ich den Gazetten. Wir wissen noch nicht, wieviel Ausstoß diesmal dabei sein wird, doch eines wissen wir schon: Dies ist der Ort, an dem die Welt-CO2-Konzentration in der Atmosphäre (Keeling-Kurve) gemessen wird. Ein Schelm, wer Naheliegendes dabei denkt – gehört es doch zu den Dogmen der festgezurrten Klimaforschung, dass besagtes Klimagift sich absolut gleichmäßig in der Erdatmospäre verbreitet. Vorbei die Zeiten, als die NASA eine Verbreitungskarte dem Netz anvertraute, die eindeutig Zonen geringerer und größerer Konzentration auswies – dergleichen gilt heute, da die Schuldigen feststehen, als fake fake fake…

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Den Selbstklebern der Elbphilharmonie ist es gelungen, das zu werden, wonach es, nebst dem regelmäßigen Aktivistengehalt, ihresgleichen so sehr gelüstet: ein ikonisches Paar. Da stehen sie, festgebannt an ihren Handstab, in einem Abstellraum und warten auf ihren Abtransport: Für die einen ein Symbol grassierender Einfalt, für die anderen ein Zeichen zunehmender gesellschaftlicher Brutalität – alles in allem doch eher ein abschreckendes Exempel für die Absurdisierung der Zeichenwelt. Am besten erkannt hat das der Urheber einer Montage, auf der man die beiden museal gerahmt sieht, mit einem weiteren Kleber-Pärchen an der Backe, pardon, am Rahmen. Au Backe, möchte man sagen, aber da bereits das Bild nichts anderes sagen will, sagt man es anders: Some like it hot.

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Gretas dickes Klimabuch, das momentan überall ausliegt, leidet, bei allem Autorenreichtum, an einem eklatanten Mangel an Physikern. Das ist, je nach Blickrichtung, bei einem so durch und durch physikalischen Thema ebenso verwunderlich wie plausibel. Es waren und sind Physiker, die immer und immer wieder Salz in die Wunden der Klimamodellierer streuen, wohl wissend, dass Modelle, vor allem solche, die ihren Weg in die Politik gefunden haben, sich ihre Mehrheiten quasi selbsttätig suchen. Schließlich entwirft man sie, damit die Vorstellung etwas zu knabbern bekommt, bis den Leuten nichts anderes mehr einfällt als: Es bringt doch nichts, sich zu verweigern. Man kann Modelle verbessern, bis nichts mehr von ihrer Substanz übrig ist, ohne dass es der Menge auffällt, vor allem dem Teil, der sich Tag für Tag des einschlägigen Vokabulars bedient – siehe den Katholizismus, den bisherigen Weltmeister in dieser Disziplin, den unsere Klimamarxisten gerade überholen.

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In Deutschland entscheidet das Verfassungsgericht, wie es mit dem Klima weitergeht. Es wäre vielleicht nicht schlecht, es einmal andersherum zu versuchen und das Klima entscheiden zu lassen, wie es mit den Gerichten weitergeht, den materiellen wie den immateriellen, wo Richtwerte über Grundwerte zu Gericht sitzen und dabei leise Hokuspokus flüstern, vielleicht auch Simsalabim, denn sie sprechen, dem Publikum sei’s geklagt, äußerst undeutlich, diese Richtwerte. Natürlich liegt darin ihr gefühlter Charme. Insider wissen, dass sie auch einen mathematischen Charme besitzen, der sich dem allgemeinen Fassungsvermögen entzieht. Die Mathematik hat’s gegeben, die Mathematik wird’s wieder nehmen, der Name der Mathematik sei gepriesen.

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Was wirklich an der gegenwärtigen Krise made in Germany ist, lässt sich im Augenblick schwer bestimmen. Man bleibt auf Vermutungen angewiesen. Vielleicht ist das ›Modell Deutschland‹, wie es einst vollmundig hieß, längst nicht mehr made in Germany – der Eindruck, unter Merkel entstanden, Spielball fremder Mächte zu sein, hat sich seither radikal verfestigt. Merkel brauchte nur einen Feind, um sich, nach dem Verlust der SED-Herrschaft, wieder auszukennen und das Land nach gewohntem Freund-Feind-Muster zu relegieren. Aber regieren und relegieren ist nicht dasselbe und so kam es, dass sie ihr in Ungnade gefallenes Volk den Wasserfällen der Großen Transformation wie eine Herde Schafe entgegenführte. Nun, das unüberhörbare Rauschen im Ohr, setzt man oben wie unten auf gute Führung. Das erinnert an Militärs, die in untadeliger Haltung Befehlen gehorchen, deren Sinn sie nicht zu erkennen vermögen, immer in Angst, einer könne zur Unzeit rufen: »Aber das geht doch nicht!«

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›Wir‹ haben eine Übersterblichkeit, die, vertraut man der Statistik, seit über einem Jahr wächst und wächst. Was soll das heißen? Ein unerklärliches Sterben hat, rein altersmäßig, die Mitte der Gesellschaft erfasst, man munkelt von Fällen über Fällen und manchmal melden sich Angehörige zu Wort, die mit leiser, gleichsam bebender Stimme Aufklärung verlangen. Aufklärung! Was für ein Wort. In Amerika habe sie, sagt man, bereits begonnen. Was für ein kaltes, fremdes Land! Nicht im Lande Kants & Klebers! Wer bei uns Aufklärung fordert, der weiß schon, was dabei herauskommt. Verzerrte Weltsicht! Natürlich wissen wir alle, was herauskommen wird. Wir sind ja nicht blöd. Yes, Sir. Yes, Ma’am. Was, ihr habt den Kragen noch immer nicht voll? Da müssen wir wohl alle noch eine Weile bei der Stange bleiben. Hoffentlich hält sie durch.

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Sehen Sie, erklärt der Metzger, während er dem Kunden die Steaks einwickelt, wenn ich in meinem Lokal neunundneunzigmal ein leeres Glas vorgesetzt kriege, bis ich endlich mein Bier in Empfang nehmen darf, dann ist das in zweierlei Hinsicht ein seltenes Ereignis: Es kommt selten vor, äußerst selten sogar, wenn Sie mich fragen, und ein Glas, dass nur jedes hundertste Mal gefüllt wird, ist ohne Zweifel selten voll. Wenn ich dagegen tausend Mal einkaufen gehe und dabei einmal betrogen werde, dann habe ich freie Wahl: Ist das selten oder oft? Das kommt ganz auf die Ansprüche an, die ich an meine Umgebung stelle. Aber wenn jede tausendste Dosis, die einer als Patient oder Nichtpatient, als Allerweltspassant der Gesundheitsindustrie verpasst bekommt, weil irgendjemand da draußen das als nützlich ansieht, tödlich wirkt – ist das selten? Ich frage Sie: Ist das selten? Ich habe da meine Zweifel. Und das gilt dann auch für die zehntausendste Dosis oder was Sie da nennen wollen. Wenn Sie mich fragen: Das ist nicht selten, sondern wissende und vorsätzliche … na Sie wissen schon. Man muss nicht alles aussprechen, was einem so durch den Kopf geht. Die Kunden bleiben eh schon weg. Schönen Tag noch.

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Mit dem Risiko, alt zu werden, steigt das Risiko, es zu verpfuschen. Irgendwann pfuscht jeder. Die einfachste Weise, das Alter zu verpfuschen, besteht darin, es irgendeiner lähmenden Angst auszuliefern, soll heißen, nicht länger dem Verstand zu vertrauen, sondern den Phrasen der Versprechenskünstler nachzugeben, deren Botschaften sich im Kern alle gleichen: Bei uns bist Du sicher. Schon das vertrauliche Du sollte den Menschen zur Warnung dienen. Sie wissen es auch, trotzdem ignorieren sie die Signale, verführt durch eine unerklärliche Kraft, die gleichzeitig von innen und außen wirkt. Man hat diese Kraft zu Zeiten, als man davon überzeugt war, den wahren Glauben zu besitzen, Aberglauben genannt. Heute, jeglichen Glaubens bar außer dem täglich zusammengeklaubten, ist es die Kraft, die jedes Aber verbietet.

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Der Mensch … der Mensch…, sagt der Clown mit den notorisch traurigen Augen, der Mensch ist das seltsamste aller Tiere. Es kann über dem Tod eines Kindes, das nie existiert hat, in Tränen ausbrechen und über das Sterben Tausender, so nah es auch sei, mit Gleichmut, ja mit Zustimmung hinwegsehen. Diese Zustimmung hat etwas Dämonisches, man sieht die Fratze im Gesicht des Mitmenschen aufblitzen und im gleichen Augenblick wieder verschwinden. Das Allerseltsamste daran ist, dass man sich dieser Züge bedienen kann, ja bedienen, ist das nicht überaus merkwürdig? Das gedankenloseste Wort, das ich jemals gefunden habe, ist das Wort ›erbärmlich‹. Die Leute verwenden es, um ihre Verachtung auszudrücken. Dabei ist diese Haltung die verächtlichste von allen. Warum? Weil sie voraussetzt, dass man sich Erbarmen verdienen muss. Verdiene ich Erbarmen? Ich mache euch etwas vor und ihr wisst es – erbärmlicher geht es kaum. Und keiner erbarmt sich meiner. Der eine oder andere beneidet mich sogar. Das und nichts anderes heißt verdienen.