von Siegfried Prokop

Das Heft 1 hat keinen thematischen Schwerpunkt. Es werden verschiedene Untersuchungen zu relevanten Themen vorgestellt.

Christian Dietrich befasst sich mit dem literarischen Profil und dem politischen Programm der Monatszeitschrift Die Linkskurve, Organ des ›Bundes proletarisch-revolutionärer Schriftsteller‹ (BPRS), die von August 1929 bis Dezember 1932 erschien. Typisch für die Zeitschrift war, dass ihr belletristischer Teil nicht in erster Linie auf die Ausbildung literarischer Spitzenleistungen orientiert war.

Vielmehr debütierte in der Linkskurve eine Vielzahl seinerzeit unbekannt gebliebener Namen – zumeist junge Arbeiter – die des Schreibens noch ungewohnt waren. Eröffnet wurde die Linkskurve mit einem programmatischen Text von Johannes R. Becher, der den Titel Unsere Front trug. Als roter Faden durchzog Bechers Artikel die Unterscheidung zwischen bürgerlicher und proletarischer Literatur, der die Zukunft gehöre. Den Typus des Arbeiterschriftstellers beschrieb Becher prägnant: »Aus den Reihen der proletarisch-revolutionären Literatur kommen sie: ganz tolle Kerle, die vor Unruhe brodeln und ihre Sätze hinhauen, dass die Sprache platzt, und die wiederum so diszipliniert sein können und sachlich bis ans Herz hinan, dass sie nüchterne Berechnungen aufstellen und ihre Wortträume durchkonstruieren wie nüchterne Maschinenbauer.« Mit Hermann Grosse, Kurt Huhn und Emil Ginkel waren gleich drei Arbeiterschriftsteller mit eigenen Texten in der ersten Ausgabe der Linkskurve vertreten. Auch in den folgenden Ausgaben befanden sich Arbeiten von Arbeiterschriftstellern, unter anderem: Beiträge von Hans Lorbeer, Paul Körner-Schrader, Hans Marchwitza und Kurt Steffen.

Michael Hewener untersucht den ›Republikanischen Club‹ (RC) in Westberlin, der sich 1968 zum akademischen Zentrum der APO entwickelte. Von besonderem Interesse ist für ihn ein Deutungsmuster, dass in letzter Zeit wieder eine Konjunktur erlebte, die Auffassung, dass die aufrührerische Jugend von der DDR beeinflusst und fremdgesteuert gewesen sei. Sowohl Wolfgang Kraushaar als auch Hubertus Knabe überhöhen in ihren Darstellungen den Einfluss des MfS auf den RC stark. Letzterer behauptete gar, der RC sei von der Stasi finanziert worden, freilich ohne einen Beleg anzuführen. Hewener mahnt dazu, die systematischen Beeinflussungsversuche der Stasi nicht mit erfolgreicher Beeinflussung zu verwechseln. Er verweist auf einige IM der Stasi, die nachweislich Doppelagenten waren, die also zugleich auch für den Verfassungsschutz arbeiteten. Allerdings irrt der Verfasser, wenn er meint, dass nur Akten der einen Seite, die des MfS, der Forschung zur Verfügung stünden. Bernd Rabehl verfasste schon im Jahre 2000 das Kapitel Die Observation Dutschkes und des SDS durch den Verfassungsschutz in West-Berlin in seinem Buch über den SDS (Bernd Rabehl: Feindblick. Der SDS im Fadenkreuz des ›Kalten Krieges‹. Berlin 2000, S. 111-145) anhand der Akten des Verfassungsschutzes. Er nahm in Kauf, dass ihm der Bestand nur unvollständig vorgelegt wurde: ohne die Spitzelberichte, ohne die Protokolle der Telefonüberwachung und ohne die Mitteilungen westlicher Geheimdienste. (Ebenda, S. 111) Eingeführt durch Ralf Hoffrogge wird ein sehr informativer Erinnerungsbericht von Rainer Knirsch vorgestellt, der 30 Jahre im BMW-Motorradwerk in Spandau tätig war. Knirsch macht deutlich, dass Veränderungen nur in zähen Kämpfen und mit kleinen Schritten möglich waren. Die konservativ eingestellte deutsche Facharbeiterschaft verlor in der Zeit des Wirkens von Knirsch ihr Vertretungsmonopol zugunsten der Kämpfe migrantischer Arbeiter. Erstmals wurden ›Gastarbeiter‹ Teil gewerkschaftlicher Vertretungsstrukturen. Die Fortschritte basierten auf der gesetzlichen Mitbestimmung und dem Rückhalt in einer DGB-Gewerkschaft – also genau jenen Strukturen, meint Hoffrogge, »die von einer Mehrheit der Akteure und Gruppen im linksradikalen Milieu Anfang der 70er Jahre noch als Hindernis für revolutionäre Arbeit gesehen wurden«.

Weitere Themen in diesem Heft sind: Der internationale Metallgewerkschaftsbund und die Schiffbauindustrie (Johanna Wolf), ein Vergleich der Streikbewegungen in Indien und Brasilien nach Beginn der globalen Wirtschaftskrise im Jahre 2008 (Jörg Nowak), die Oktoberrevolution in der jugoslawischen Historiographie (Mira Radojević) und der Karl-Marx-Hof als Erinnerungsort des ›Roten Wien‹ (Christoph Jühnke).

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