Hans von Storch: Zur Sache Klima. Aufnahme: ©J.Xu Aufnahme: ©J.Xu

Die Absicht dieser Kolumne geht dahin, ruhiger, als es in der Publizistik gemeinhin geschieht, die Hintergründe von Aufregerthemen in Sachen Klimawandel und Klimaschutz zu erläutern, manchmal auch einfach Grundlagen zu erklären. – Hans von Storch, geb. 1949, ist Professor am Meteorologischen Institut der Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften (MIN), Zweitmitglied an der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (WiSo) der Universität Hamburg sowie Direktor emeritus des Instituts für Küstenforschung am Helmholtz Forschungszentrum Geesthacht. Er ist Spezialist für Fragen der Klimamodellierung und hat in verschiedenen Arbeitsgruppen des IPCC mitgearbeitet. Zusammen mit Werner Krauß schrieb er das Buch Die Klimafalle: die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung (2013).

 

von Hans von Storch

1. Wie bewerten Sie die umwelt- und klimapolitischen Positionen im weiterhin gültigen AfD-Grundsatzprogramm von 2016?
2. Sehen Sie in der Medienberichterstattung und bei den Argumenten der etablierten Politik zum Thema Klimawandel und Nachhaltigkeit Schwächen, die es Positionen wie denen der AfD leicht(er) machen, Einfluss auf den öffentlichen Diskurs zu nehmen?

Meine Stellungnahme dazu:

Zu: ›Die Klimaschutzpolitik beruht auf hypothetischen Klima-Modellen basierend auf computergestützten Simulationen des IPCC‹.
Diese Aussage ist falsch; tatsächlich war die Vorstellung wonach eine Erhöhung der Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre zu einer Erhöhung der Temperaturen führt, zunächst hypothetisch formuliert worden; in 1979 aber wurde ein statistischer Ansatz formuliert, wonach man zunächst klären sollte, ob die ablaufenden Veränderungen im Rahmen der denkbaren natürlichen Schwankungen liegen (Detektion), und dann, ob dies mit ausreichender statistischer Irrtumswahrscheinlichkeit abgelehnt werden kann. Dann sind diese Änderungen mithilfe von Klimamodellen plausibel den verschiedenen menschlichen Faktoren zuzuordnen (Attribution). 1995 wurde dieser Ansatz erstmals stringent durchgeführt mit dem Resultat, dass die beobachteten Temperatur-Änderungen in den vergangenen 30 Jahren nicht durch natürliche Faktoren erklärt werden können. Eine solche Erklärung gelingt nur, wenn man die erhöhte Konzentration von Treibhausgasen, aufgrund anhaltender und stetig verstärkter menschlicher Emissionen berücksichtigt. Diese Ergebnisse wurden in den vergangenen Jahren immer wieder bestätigt.

Der ›Detektion und Attributions-Ansatz‹ war eines der Elemente, die zum Nobelpreis in Physik in 2021 für Klaus Hasselmann führten. Die Umsetzung des Ansatzes geschah in meiner Gruppe mit der kritischen Begleitung von Klaus Hasselmann im Jahr 1995 am MPI für Meteorologie in Hamburg.

Oder in Kurzform: Die Aussage ›Klimaschutzpolitik beruht auf hypothetischen Klima-Modellen‹ ist falsch. Der zweistufige Nachweis ›Detektion und Attribution‹ des Nobelpreisträgers Klaus Hasselmann analysiert zunächst Beobachtungsdaten, ob sie im Rahmen der natürlichen Schwankungen liegen. Falls nicht, dann gibt es menschliche Ursachen. Mit Hilfe solcher Modelle wird dann abgeschätzt, welche menschliche Faktoren zur Erklärung der Erwärmung in den letzten Jahrzehnten unvermeidlich sind, nämlich Treibhausgase.

Zu: ›Computermodelle, deren Aussagen durch Messungen oder Beobachtungen nicht bestätigt werden.‹
Eine so allgemeine Aussage ist sinnentleert, denn Modelle sind immer Vereinfachung von Realität. Sie spiegeln viele Eigenschaften der realen Welt wider (›positive Analoga‹), während andere als nicht wesentlich erachtet werden (›negative Analoga‹). Derzeit kursierende Behauptungen, diese Modelle würden Wolken nicht darstellen, sind unzutreffend. Wolken, ihre Fähigkeit zu regnen und ihre Wechselwirkung mit Strahlung, werden in parametrisierter Form berücksichtigt.

Zu: ›Die von vielen Klimawissenschaftlern bestrittene These, dass es insbesondere das durch Verbrennung entstehende CO2 ist, welches die seit 150 Jahren zu beobachtende Erwärmung verursacht…‹
Die Behauptung, dass ›viele‹ Klimawissenschaftler bestritten, dass das durch Verbrennung entstehenden CO2 für die beobachtete Erwärmung verantwortlich sei, ist ebenfalls unzutreffend. Es gibt zwar einige Akademiker, die so argumentieren, aber diese sind in aller Regel keine Klimawissenschaftler. Unter den wirklichen Klimawissenschaftler haben Dennis Bray und ich seit circa 1995 diverse Umfragen organisiert, und dabei sehr große Mehrheiten, wenngleich weniger als 97 Prozent, für diese Erklärung gefunden.

Zu: ›Sehen Sie in der Medienberichterstattung und bei den Argumenten der etablierten Politik zum Thema Klimawandel und Nachhaltigkeit Schwächen, die es Positionen wie denen der AfD leicht(er) machen, Einfluss auf den öffentlichen Diskurs zu nehmen?‹
Ja, hier sind etwa der inflationäre Gebrauch voreiliger Attributionen, wonach praktisch jedwedes Extremereignis als Beweis für den Klimawandel ausgewiesen wird (etwa die Ahrtal-Flut durch Klaus Kleber, ZDF), oder die Darstellung der ›Kipppunkte‹ als unmittelbare, wissenschaftlich bewiesene Gefahr (etwa durch FFF und Last Gen) zu nennen. Durch die unkritische Übernahme politisch bevorzugter ›grüner‹ Positionen wird die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft beschädigt und erlaubt der AfD eine eigene, angeblich wissenschaftlich gestützte Position einfach als Alternative. Einige Extremereignisse werden durch den Klimawandel verschärft, aber durchaus nicht alle, schon gar nicht ›bewirkt‹. Sie können durch eine striktere Klimaschutzpolitik zukünftig nicht verhindert, wohl aber ihre weitere Verschärfung gemindert werden.

Die Wahrscheinlichkeit, signifikante Kipppunkte in nächster zeitlicher Nähe erleben zu müssen, ist eine interessante wissenschaftliche Hypothese, die aber in den gängigen Klimamodellsimulationen nicht vorkommt und für die es auch keine belastbare aktuelle Evidenz gibt. Die Aussagen aus dem führenden deutschen Institut für Klimaforschung, dem Max-Planck-Institut für Meteorologie, sind hier eindeutig. Das Narrativ, wonach ein Überschreiten der 1.5 Grad Grenze die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten derartiger katastrophaler Kipppunkt massiv erhöhen würde, verliert offenbar auch medial an Glaubwürdigkeit, da dies Überschreiten offenbar unmittelbar bevorsteht. Dementsprechend sieht man Absatzbewegungen und Relativierungen im medialen Narrativ, und eine Tendenz zur Anerkennung, dass es mit der Klimaschutzpolitik allein nicht getan sein kann, sondern parallel dazu auch Anpassungsmaßnahmen gedacht und implementiert werden müssen.

[Allgemein: Mehr dazu in meinem Buch ›Der Mensch-Klima-Komplex‹, Bonn (Dietz-Verlag) 2023]

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