
Nachhaltigkeit – die kleine Schwester des Wärmetods
von Wolfgang Rauprich
Nachhaltigkeit ist ein Begriff, der nunmehr schon länger als drei Jahrzehnte zunächst durch umweltpolitische Debatten geistert und seit gut zehn Jahren als Allheilmittel zur Rettung der Erde vor Umweltzerstörung und Klimakollaps propagiert wird. Der Club of Rome war hierbei Vorreiter, die sogenannte Brundtlandkommission der Vereinten Nationen beförderte mit ihrem Abschlussreport Ende der 1980er Jahre seine weltweite Verwendung. Die zunehmend enge Verzahnung mit weiteren Begriffen wie Gleichheit und (soziale) Gerechtigkeit erfolgte dann im Verlauf der Ideologisierung ökologischer Themen und deren Zusammenführung mit dem schon vorher hoch ideologischen Katalog von Sozialforderungen.
Füllmich. Eine Pandemie wird zur Kasse gebeten
von Ulrich Schödlbauer und Gunter Weißgerber
Ein deutsch-amerikanischer Anwalt, der Füllmich heißt, steht vielleicht vor der Aufgabe seines Lebens: Er hat sich, zusammen mit Gleichgesinnten, dazu entschlossen, für die ungeheuren ökonomischen Verluste, die diesseits und jenseits des Großen Teichs im Zuge der Corona-Pandemie anfielen und weiterhin anfallen, Entschädigungen gegenüber den Personen und Institutionen einzuklagen, die, so die zugrundeliegende Sicht der Dinge, den Stein ins Rollen gebracht haben, also in erster Linie der Berliner Virologe Christian Drosten, das Robert-Koch-Institut, die WHO und, kommt Zeit kommt Rat, womöglich auch die deutsche Bundesregierung.
Bannkreis (79): Ich cancele, also bin ich … wer?
… neulich im Einstein
musste ich lange auf Freund Miloš (aus Prag) warten – aber er hatte mir schon eine ›E-Mail‹ geschickt: sein Zug sei gecancelt worden … Das war der seit langem einzig korrekte Gebrauch dieses Verbs, soviel ich hörte. Aber ›abgekanzelt‹ zu werden, ist eine gegenwärtig überall und von ›den Vielen‹ auszuhaltende demokratie-pädagogische Zumutung: how dare you!, Du gehst ungerührt die Mohrenstrasse entlang? Trägst keine Maske? Liest Shakespeare oder George? Isst Fleisch? Kaufst ›rechte‹ Bücher? Vergisst mit ›man‹ die ›Frau‹? Unsereins lässt das – nolens volens – gern gelten als eine Meinung neben anderen, gedeckt durch den – unbedingten! – Wert: Meinungsfreiheit.
Wertepolitiker
von Markus C. Kerber
Die Diskussion über eine Gas-Pipeline hat es endlich an den Tag gebracht. Es gibt sie noch, die deutschen Wertepolitiker. Obschon das Nord Stream 2-Projekt nun seit 2007 mit Unterstützung der Bundesregierung unter Federführung von Gazprom und seinen deutschen Gehilfen, Mathias Warnig – einem ehemaligen Stasimitarbeiter – und Bundeskanzler a. D. Schröder, seinen Lauf nimmt, hat es in Deutschland – abgesehen von einigen wenigen Warnern – kaum eine kritische Diskussion über die Frage gegeben, ob man sich mit einer Pipeline, die zu 100 Prozent Gazprom gehört, energiewirtschaftlich an Russland binden solle. Zu groß waren wahrscheinlich die energiewirtschaftlichen Abhängigkeiten, nachdem in einer ihrer vielen Volten Frau Merkel sowohl den Ausstieg aus der Atomenergie als auch aus der Kohle operationalisiert hatte. Spät, aber gewiss nicht zu spät kommen nun die fast inflatorischen Protestsalven gegen Nord Stream 2 vorzugsweise von jenen Politikern, die seit Jahren hierzu geschwiegen haben.
Corona und Provinz: Agonie eines Narrativs
von Ulrich Schödlbauer
Zum ersten Mal, soweit ich zurückdenke, bin ich aus einem Levitationstraum erwacht. Offenbar befand ich mich auf einer Gerüst-Plattform von der Art, wie sie Maurer benützen (undeutlich glaube ich mich zu erinnern, dass es an der Berliner Mauer eine Besucherplattform gab, von der aus man als West-Tourist, ebenso gleichgültig wie misstrauisch von einem DDR-Grenzposten aus nächster Nähe beäugt, in den Ostteil der Stadt blicken konnte), und plötzlich war die Plattform weg. Ich stand dort noch eine Weile in der Luft herum, unschlüssig, wie die Situation zu Ende gebracht werden könne. Irgendwann hatte ich wieder Boden unter den Füßen und bemerkte ein gewisses journalistisches Interesse an meinem Fall. »Sieh an«, dachte ich, »es gibt sie also noch, die Westpresse.« Und zweifelnd kehrte ich in die andere Wirklichkeit aus Reichstagstreppensturm und Reichsbürgerflaggenparade zurück.
Sämtliche Abbildungen mit freundlicher Genehmigung der Urheber. Die frei verwendeten Motive stammen von Monika Estermann, Renate Solbach und Ulrich Schödlbauer.