von Ulrich Siebgeber
Marian Adolf: Die unverstandene Kultur. Perspektiven einer Kritischen Theorie der Mediengesellschaft, Bielefeld (transcript) 2006, 286 S.
Steigerung des Bewusstseins
Ein Hauch von Schlichtheit umweht dieses bei transcript erschienene, hübsch verpackte Büchlein, das vollmundig eine kritische Medienwissenschaft fordert und mit einiger Emphase einmal mehr die irgendwie kritische These von der (Medien-)Kultur als »sozialem Prozess« - gegen wen? die Konsumenten? - zu deklinieren verspricht. Kritisch wirkt aber vor allem die Häufigkeit, mit der das Wörtchen ›kritisch‹ den schlecht redigierten, von redundanten Zitatketten wie von tückischen Wasserläufen und Sickerzonen durchsetzten Text heimsucht. Die intendierte Anknüpfung an die Kritik der Kulturindustrie alter Frankfurter Provenienz und die marxistischen Wurzeln der Cultural Studies findet mangels eigener theoretischer Masse nicht statt, ebenso wenig eine begriffliche Auseinandersetzung mit dem radikalen und weniger radikalen Konstruktivismus, der, wie in kritischen Kreisen üblich, als Beschreibungsfundus herhalten muss, um den Ernst der Lage zu unterstreichen. Das Abnicken alter und neuer Befunde ergibt keine Theorie.
von Ulrich Siebgeber
J. Christine Janowski/Bernd Janowski/Hans. P. Lichtenberger (Hg.): Stellvertretung. Theologische, philosophische und kulturelle Aspekte, Bd. 1, Interdisziplinäres Symposion Tübingen 2004, Neukirchner Verlag 2006, 371 S.
Angesichts des allfälligen homo sacer-Auftriebs in den Kulturwissenschaften ist ein Band hochwillkommen, in dem Theologen vom gegenwärtigen Stand der Stellvertretungsdebatte in ihren Disziplinen Zeugnis ablegen. Die auf ein interdisziplinäres Symposion in Tübingen (2004) zurückgehende, von J. Christine und Bernd Janowski sowie Hans P. Lichtenberger mit viel Überlegung und Sorgfalt herausgegebene Sammlung von Beiträgen, die das Thema unter kulturwissenschaftlich-biblischen, systematisch-theologischen und philosophischen resp. gesellschaftstheoretischen Aspekten durchleuchten, besticht durch sachliche Vielfalt und informative Differenziertheit, angesichts derer sich ein nichttheologischer Leser allenfalls hier und da mehr Entschiedenheit in den vertretenen Thesen wünschte.
von Ulrich Siebgeber
Scilla Elworthy/Gabrielle Rifkind: Making Terrorism History, London/Sydney/Auckland/Johannisburg (Rider) 2006, 96 S.
Ein Buch, das nicht die Freiheit des Lesens gewährt, ist keines. In dieser Perspektive enthält jedes Handbuch der Deeskalation eine Anleitung, wie sich Konflikte anschärfen, Gewaltspiralen in Gang halten und ausweglose Situationen herbeiführen lassen. Wer auf die Fülle wohlmeinender Publikationen blickt und dabei den Fokus öffentlicher Aufmerksamkeit nicht aus dem Blick entlässt, kann leicht zu der Auffassung gelangen, dass ihre geheime Mission eher auf diesem als auf dem Feld angestrebter Effekte liegt. Wenn Deeskalation bedeutet, dem 'normalen Leben' in Gestalt von Selbstbestimmung und physischer, rechtlicher und materieller Sicherheit eine Chance zu geben, dann reduzieren sich die einschlägigen Anleitungen rasch auf den Status von Binsenweisheiten, denen aus der Realität Peachums unschlagbare Einsicht entgegengrölt:Doch die Verhältnisse, sie sind nicht so.
GLOBKULT Magazin
herausgegeben von
RENATE SOLBACH und
ULRICH SCHÖDLBAUER
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