von Gunter Weißgerber
(Jonathan Swift)
Persönliche Freiheit und uneingeschränkte Mobilität kennzeichnen freie Gesellschaften. In solcherart freien Gesellschaften genießen der Staat und seine Institutionen das Grundvertrauen seiner Bürger solange der Souverän sich auf die Gewährung seiner Freiheiten und seine Sicherheit verlassen kann.
Freie Mobilität ist ein Grundrecht und im Staatsleben Ausweis des Vertrauens des Staates in seine Bürger. Misstrauen des Staates gegenüber seinen Bürgern und eingeschränkte Reisefreiheit sind Seiten einer Medaille. Je stärker das Misstrauen gegenüber der Bevölkerung, desto eingeschränkter das Recht auf Mobilität.
Bewegungsfreiheit ist zentraler Teil der Freiheit. Es ist gelebte Freiheit. In diesem Sinn war die Friedliche Revolution in der DDR innerhalb der Samtenen Revolution im Ostblock, beide Revolutionen waren anfänglich seitens der Staaten keineswegs friedlich oder samten. Volkserhebungen für Freiheit und uneingeschränkte Mobilität – das gleich zu Anfang dieses Textes als ernsten Hinweis an aktuelle Bestrebungen, Mobilität und Massentourismus also den Tourismus des sogenannten kleinen Mannes, der unsere wirtschaftliche Existenz tatsächlich am Laufen hält, einzuschränken und eine Gesellschaft ohne freien weltweiten Individualverkehr zu schaffen.
1989 wurden Gesellschaftsarchitekten jeglicher Couleur Hammer, Sichel und Ährenkranz entzogen. Das wird sich wiederholen, sollten sich erneut Gesellschafts- und Beglückungsarchitekten mächtig aufs Volk stürzen. Eine Warnung.
Demokratien schützen Grundrechte, Diktaturen gewähren Grundrechte nach Opportunitätsgesichtspunkten – und unberechenbar temporär. In Demokratien wachen Verfassungsgerichte über die Einhaltung der jeweiligen Verfassung. In Diktaturen gibt es entweder keine Verfassungsgerichte und wenn doch, unterliegen diese der herrschenden Politik – Verfassungstext und Verfassungserleben unterscheiden sich eklatant. Während in Demokratien Grundrechte Schutzrechte des Bürgers gegenüber dem Staat sein sollen, ist der Untertan einer Diktatur gehalten, sich willfährig gegenüber dem realen Verfassungserleben zu verhalten.
Da die DDR keine umfassende Freiheit gewährte, bedurfte sie statt offener Grenzen militärischer Macht, einer politischen Geheimpolizei und einer Ordnung innerhalb geschlossener Grenzen – gewissermaßen eine Lagerordnung. Immobilität statt Freiheit. Ein Unrechtsstaat. Wo die Mobilität eingeschränkt wird, wird auch aus einem Rechtsstaat langfristig sozusagen auf leisen Sohlen etwas anderes, unsympathischeres.
Gemäß dieser Logik musste die DDR ihren Untertanen die uneingeschränkte Mobilität vorenthalten, wollte sie nicht der Freiheit Tür und Tor irreversibel öffnen. Um die Gefahr der Abstimmung mit den Füßen wissend, konnte die kommunistische Partei- und Staatsführung bei Strafe ihres eigenen Untergangs der Bevölkerung eine uneingeschränkte Mobilität nicht einmal versuchsweise geben. Was ab dem 9. November 1989 nachhaltig durch das Volk bewiesen wurde – q.e.d. Die DDR war perdu. Zum Glück!
Die Idee des Grundrechtestaates mit seiner Freiheit und seinem Mobilitätsversprechen schlug die Diktatur des Proletariats. So gut wie niemand will die DDR wiederhaben, auch nicht als eine um die Bundesrepublik erweiterte DDR.
Was ist Freiheit? Was macht Menschen frei? Was sichert Menschen die Freiheit?
Für Carl Friedrich von Weizsäcker ist »Freiheit ist ein Gut, das durch Gebrauch wächst, durch Nichtgebrauch dahinschwindet«.
Damit hat er aber noch nichts über die Qualität des Gutes Freiheit gesagt. Was ist denn nun Freiheit? Menschen können Menschen nicht gehören, Menschen sind keine Handelsobjekte. Menschen sollen im Rahmen allgemein akzeptierter zivilisatorischer und juristischer Regeln frei über ihr Leben entscheiden können. Die Palette ist sehr breit und es gäbe viele weitere Aspekte hinzuzufügen. Die früheren Ostblockbewohner werden auf jeden Fall die weltweite Reisefreiheit – die uneingeschränkte Mobilität – als eine nicht selbstverständlich erlebte Freiheit ganz oben deklarieren.
Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland garantiert die persönlichen Freiheitsrechte. Artikel 2. Absatz 1 lautet: »Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.« Absatz 2 sagt »Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.«
Die DDR gewährte den Untertanen bedingte Reisefreiheit bei Abwesenheit grundsätzlicher Freiheiten nur innerhalb des vom Grenzgebiet umschlossenen Territoriums der 15 Bezirke. Auslandsreisen waren für die Bevölkerung bis auf wenige Ausnahmen nur ins sozialistische Ausland möglich. Politisch auffällig gewordenen Personen war selbst das verwehrt. Die SED nannte das alles mit Friedrich Engels »Freiheit ist Einsicht in die Notwendigkeit«, der damit Friedrich Hegel etwas frei auslegte.
Staatlich eingeschränkte Mobilität unter Androhung von Zwangsmaßnahmen bis zum faktischen Todesurteil bei Übertretung der innerdeutschen Grenze ist Ohnmacht des Citoyens und wird mit zunehmender ohnmächtiger Wut auch so empfunden.
Wendet der demokratische Staat an Stelle psychischer Gewalt zur Beeinflussung der Mobilität seiner Bürger fiskalische Mittel zunehmend inflationär an, so kauft er sich lediglich Zeit für seine Dressur der Plebejer. Verpasst er den Punkt, an dem der vermeintlich sanfte Druck der fiskalischen Lenkung in ein Ohnmachtsgefühl in der Bevölkerung umschlägt, bekommt er ein Legitimitätsproblem ersten Ranges. Dies wissend, flüchtet sich der übergriffig werdende Lenkungsstaat zunehmend in Weltrettungserzählungen. Das geht soweit, dass diese Art der Propaganda vergleichbar den Propagandaebenen der zwei Diktaturen auf deutschem Boden in weiten Bevölkerungsteilen erlebt wird. Mit dem Ergebnis, dass vorher gern akzeptierten Medien und Institutionen nichts mehr geglaubt wird. Das Vertrauen ist nicht nur schwer gestört. Es ist weg. Eine weitere Warnung.
Betrachtungen zu Mobilität zu anderen Zeiten
Wie war das im alten Rom? Ich fragte Dr. Susanne Froehlich von der Universität Greifswald/Arbeitsbereich Alte Geschichte. Sie antwortete mir dankenswerterweise:
Für Sklaven galt das selbstverständlich nicht -- nach antikem Verständnis sind Sklaven keine Personen (sie fallen juristisch unter Sachrecht), darum können sie in einem antiken Staat auch keine Reisefreiheit beanspruchen. Es war selbstverständlich, daß ein Sklave nur im Auftrag seines Herrn verreisen durfte.
Faktisch wurde auch anderen Gruppen die Reisefreiheit oder Freizügigkeit verwehrt. So wurde es Anfang des 3. Jhs. den ägyptischen Kleinbauern untersagt, nach Alexandria zu kommen und sich dort niederzulassen. ›Erwünschte‹ Besucher wie Händler, Touristen oder Besucher von Festivals dagegen durften die griechisch-römische Stadt Alexandria jederzeit betreten. In Rom selbst zum Beispiel galten zeitweilig Einreiseverbote z.B. für Juden oder für Philosophen. Dies waren jedoch einzelne Ausnahmen von der allgemeinen Regel.
Insgesamt gesehen konnte man durchaus reisen, wohin man wollte, ohne Staatsgrenzen, wie wir sie heute kennen, auch wenn es -- wie Sie zutreffend schreiben -- eine Frage der finanziellen Mittel war und mit Papierkram verbunden sein konnte. Für die Ausreise aus Ägypten z.B. war ein größeres Dossier nötig mit Ausreise-Erlaubnis, Nachweis über entrichtete Zölle usw. Es gab durchaus auch einfache Leute, die verreisten, indem sie ihren Unterhalt als Handwerker verdienten, aber das war kein Phänomen großer Gruppen von Migranten. …«
Mittelalter
Im Mittelalter hieß es ›Stadtluft macht frei›. Mittels Flucht von der Scholle also illegaler Mobilität nutzte die Landbevölkerung ihre Chance in den Städten frei zu werden. ›Nach Jahr und Tag‹ verlor die Grundherrschaft jede rechtliche Möglichkeit, sich die Hörigen zurückholen zu können. Ins Heute übertragen hieße das, mit den drastischen Einschränkungen grün gedachter Mobilität, dass die Städte frei und in sich mobil bleiben und die Landbevölkerung wieder an die Scholle gebunden wird. Ökologisch überzerrte Politik endet in Unfreiheit. Gewissermaßen ist es die inzwischen grün dominierte Stadtbevölkerung, die ihre oberschichtigen Freiheitsvorstellungen auf Kosten der heutigen Landbevölkerung rücksichtslos verwirklichen will. Dabei bedient sie sich eines der Realität nicht standhaltenden idealisierten Bildes über Landleben und Landwirtschaft. Der grüne Angriff auf die Freiheit im Namen der Weltrettung ist ein Kampf Stadt gegen Land.
Verfassung und Verfassungswirklichkeit in der DDR
In der Verfassung der DDR (Fassung vom 7. Oktober 1949) wurden bürgerliche Freiheiten und Rechte wie persönliche Freiheit, Demonstrations-, Versammlungs- und Reisefreiheit, Postgeheimnis, Verbot einer Pressezensur usw. in den Artikeln 8 und 9 verankert. Zu keinem Zeitpunkt hielt sich der SED/MfS-Staat auch nur ansatzweise daran. Die DDR-Bürger lernten daraus, dass dem Staat nicht zu trauen ist, er bringt dich, so er will, in jedes Gefängnis, in jedes Zuchthaus.
Erweckte die DDR bis 1968 auf dem geduldigen Papier noch den Eindruck als sei alles frei und demokratisch, so schritt sie 1968 in aller Klarheit zur Tat. Bürgerlich dekadente und moderne Begriffe wie persönliche Freiheit, Reise-, Demonstrations- und Versammlungsfreiheit und vieles mehr entschwanden im sozialistischen Jenseits. Diesseits gab es sie nicht mehr. Nicht zum Besprechen, nicht zum Einklagen. So wünschen sich das die heutigen Hardliner unter den Weltrettern. Nicht für sich, für die anderen. ›Selbstverfreilich‹ würde Otto Waalkes sagen.
Mein Vater stimmte am 6. April 1968 in der ersten und einzigen DDR-Volksabstimmung mit ›Nein‹ und gehörte damit zu den 38 in Böhlen bei Leipzig bekanntgewordenen Schädlingen am sozialistischen Aufbauwerk. Was bereits am Abstimmungsabend zu besorgtem sozialistischem und ebenso unangenehmem Besuch bei uns führte. Wie kann jemand wegen der Nichterwähnung von Grundrechten mit ›Nein‹ stimmen also Gegner sein? So war die DDR und so etwas droht uns im Falle grüner Oberherrschaft mit anderen Worten in gleicher Wirkung wieder. Eine Warnung!
Gewissermaßen war der DDR-Untertan ähnlich dem mittelalterlichen Leibeigenen an die Scholle des Grundherrn gebunden. Lediglich in der Größe der Scholle unterschieden sich die Reisemöglichkeiten von DDR-Bürgern und Leibeigenen.
›Der Sozialismus braucht Busse und Straßenbahnen und keine Autos‹ lautete ein Witz mit dem üblichen Körnchen Wahrheit. Die These gab es nicht, die Lebenswirklichkeit wurde jedoch damit abgebildet. Diktaturen sind bekanntlich bester Nährboden politischen Witzes. Der wahre Kern lautete schlicht und einfach, der Sozialismus als Wirtschaftssystem ist nicht in der Lage, allen Menschen Mobilität zu ermöglichen. Der Ökologismus dagegen will nicht in der Lage sein, allen Menschen ihre Mobilität zu gönnen. Andere Formen und Inhalte, gleiche Ergebnisse.
Ins Hier und Heute übersetzt hieße der Witz ›Der Umbau zur ökologisch dressierten Bedarfsberechnungsgesellschaft erfordert Eisenbahnen, Busse und Straßenbahnen. Individualverkehr muss man sich leisten können‹ oder auch, wenn ›Freiheit die Einsicht in die Notwendigkeit‹ sein soll, dann müssen die Notwendigkeiten so geschaffen werden, dass die Freiheit andere Alternativen gar nicht bieten kann. »Es muss demokratisch aussehen«, sagte der große Theoretiker und noch effektivere Marxismuspraktiker Walter U. Heute wäre er sicher ›Marxismus-Leninismus und Ökologismus‹-Durchführer. Welch‘ ein Pech des sehr frühen Ablebens.
Freie Mobilität als Zeugnis allgemeiner Freiheit gab es in der DDR nicht. Bezüglich freier Mobilität war die DDR ein Rückfall ins Mittelalter. Vor dem ersten Weltkrieg konnte in Europa reisen, wer wollte und es sich finanziell leisten konnte. Bis 1989 konnte in der DDR nur weltweit frei reisen, wer zum System gehörte. Seit 1989 ist das Reisen wieder für alle – in Abhängigkeit vom Geldbeutel – möglich.
Seit einigen Jahren werden wieder Vorschriften gemacht und gibt es Bestrebungen, Mobilität respektive das Reisen und damit die Freiheit einzugrenzen und zu reglementieren. Ausgerechnet angeblich linke Parteien haben sich den Massentourismus zur Zielscheibe auserkoren. Also den Tourismus, der allen Menschen mit eher kleinem Geldbeutel die Welt und die Freiheit beim Reisen erfahren lässt! Kleiner Mann, bleib‘ auf deiner Scholle! Über deine Freiheit bestimmen wir.
Vertrauen
Gemeint ist das Vertrauen des Bürgers in seinen Staat. Das ist seit 2015 und der damals staatlich zugelassenen Völkereinwanderung stetig am Verkümmern. Bis 2015 verließ sich die Bevölkerung auf ihren Pakt mit dem Staat, der ihr im Gegenzug für das Steuern und Abgaben zahlen maximale Sicherheit versprach. Honoriert wurden die bis dahin staatstragenden Parteien dafür regelmäßig bei den Wahlen.
Seit 2015 wird immer mehr Bürgern klar, dass die bis dahin staatstragenden Parteien sich den Hoffnungen ihrer Wählerschaft immer stärker entziehen. Der SPD beispielsweise ist es scheinbar völlig egal, was ihre Politik des ökologischen Umbaus für die Millionen früheren SPD-Wähler im Automobilbau, in der Industrie, in der Energiewirtschaft an realen und irreversiblen Folgen hat. Eine Partei, die glaubt, ohne Wähler Wahlen zu gewinnen. Für die Union gilt dasselbe. CDU/CSU-Wähler verließen sich bis 2015 auf die Sicherheits- und Wirtschaftspolitik der Union, die den Standort Deutschland in Europa mit Europa ausbaut. Das war einmal. Die gesamte Union ist nicht nur sozialdemokratisch, sondern auch grün wie die Grünen geworden. Konservative Wähler haben wie sozialdemokratische Wähler ihre Wahladresse verloren. Eine Gefahr für die Bundesrepublik.
Die FDP als eine bis vor wenigen Jahren immer zuverlässige kleine Säule der Republik schwankt zwischen Baum und Borke. Im Zweifel mischt sie im grünen Teich mit. Liberal ist anders.
Zurück zum Vertrauen im Zusammenhang mit unbeschränkter Mobilität als Teil unbeschränkter Freiheit. Das Vertrauen der Bürger in den Staat und seine bisher tragenden politischen Säulen entwickelte sich reziprok zum Misstrauen. Große Teile der Wählerschaft glauben den Parteien nichts mehr. Im Gegenteil, jede noch unausgegorene Idee mit negativ zu erwarteten Folgen für den Sicherheits- und Wirtschaftsstandort Deutschland wird ›denen‹ zugetraut. Inzwischen wird ›denen da oben‹ viel Schlechtes und wenig Gutes zugetraut. Das war vor wenigen Jahren noch anders.
Beispielsweise wird ›der Politik‹ inzwischen zugetraut, dass sie das freie Fahren mit dem eigenen Auto ›erledigen‹ will. Dazu gehören der Abbruch des Kraftfahrzeugstandortes und die extreme Verteuerung der Mobilität durch hohe Kosten für Verbrennerautos und den finanziellen Zwang zum E-Auto. Dem weiter oben bereits genannten Massentourismus ist der Kampf schon längst angesagt – auch und besonders durch eine Partei, der über anderthalb Jahrhunderte die Freiheit lohn- und gehaltsabhängiger Menschen am Herzen lag. Auch die Politik der SPD zielt darauf ab, den Lohn- und Gehaltsabhängigen mittels unbezahlbarer Alternativen wieder an die Scholle zu binden. Mobilität und weltweite Freiheit ade – Homeoffice und Bindung an die kleinstmögliche Region. Gesagt wird das nicht, es wird angepeilt. Natürlich mit Ausnahmen. Die neuen Grundherren, die darüberstehen, sind die extraordinär verdienenden Holozän-Leugner – die Klimaretter.
Ein Staat, der den Pakt mit seinen Bürgern bricht, verliert deren Vertrauen. Zuerst überrascht und atemlos, ändert der Staat sein katastrophales Verhalten nicht, wird der Vertrauensverlust chronisch.
Im noch partiell freien Internet fand ich einen interessanten Text von Jens Peter Paul. Ich meine, es ist ein guter Abschluss meines Textes. Mein Dank geht an Jens Peter Paul für die Genehmigung zum Abdruck:
Warum hassen Linke und Grüne und sogar ein wachsender Teil der CDU das Auto? Es ist ihnen suspekt. Es macht unabhängig. Eine Tankfüllung reicht so gut wie immer sogar aus, das Land zu verlassen.
Es ist eine deutsche Erfindung, weltweit noch erfolgreicher als Kernspaltung und Kindergarten.
Das Auto ist eine exklusive Veranstaltung. Irgendwie voll unsolidarisch.
Here in my car, I can lock all my doors (Gary Numan). Mit einem Auto brauche ich keinen Fahrplan und keinen Busfahrer. Deren Streiks legen mich nicht lahm.
Und am empörendsten: Sogar die bisher besonders Korrekten aus Prenzlauer Berg schaffen sich neuerdings Autos an, weil sie sich und ihre Lieben nicht länger den Virenduschen von BVG und S-Bahn aussetzen und die verbliebenen Freiheiten nutzen wollen, solange das noch geht.
Wobei Freiheit gerade für Frauen speziell in den Städten auch bedeutet: Wieder sogar bei Dunkelheit die Wohnung verlassen zu können, ohne von miesen misogynen Typen blöd angemacht und bedroht zu werden, weil man sich ihren Kleidungsvorschriften nicht unterwerfen will.
Das Auto ist also ein ganz schönes Problem; es steht Umgestaltung und Umerziehung 2021 noch heftiger im Weg als vor einem Jahr. Die Entwicklung der Feinstaubemissionen schweigen wir lieber tot. Als Allzweckargument gegen den Individualverkehr seit dem ersten Lockdown leider nicht mehr so richtig gut geeignet.
Eine Zeitlang dachte man im linksgrünen Lager, Carsharing, also Verzicht auf Eigentum an einem Auto, verspräche zumindest Linderung. Irrtum. Das Konzept geht gerade den Bach runter, besonders in Berlin. Zwangsumstieg auf E-Antrieb - das eine Alternative? Gepusht wird das Batterieauto gerade vom Staat wie blöde, weil es die Kanzlerin satt hat, sich ihre alten und weit verfehlten Ziele vorhalten lassen zu müssen.
Die Restwerte, das ist heute schon klar, werden deprimierend ausfallen, die Leasinggeber reihenweise pleite gehen. Da kommt ein neues Zauberwort gerade recht: Spitzenglättung.
Spitzenglättung ist kein Begriff aus dem Friseurhandwerk, sondern eine künftig den Anbietern erlaubte Notabschaltung, wenn der Strom knapp wird. Zum Beispiel nachts bei Windstille, wenn Ende des nächsten Jahres auch die letzten verlässlichen AKW abgeschaltet werden.
Dann wird geglättet, dann wird der Ladevorgang für ein paar Stündchen unterbrochen, dann stehen Mama oder Papa morgens vor der Entscheidung, sich auch mit lediglich 40 Prozent Kapazität auf den Weg zur Arbeit zu wagen (besser dann ohne Heizung, Radio und Navi) oder gleich den Bus zu nehmen, sofern vorhanden. Jede Wette: Wem auch nur ein einziges Mal der Saft auf diese Weise mit solchen Folgen abgedreht wurde, der ist für alle Zeiten von seinem E-Auto-Trip geheilt.
Zumal es mit einer von Jahr zu Jahr labileren Stromversorgung bei der Abschaltung von Ladestationen nicht bleiben wird.
Das ist erst einmal ein Testlauf, Ausweitung je nach Reaktionen, unter anderem auf das Wahlverhalten.
Also: Spitzenglättung. Merken. Schlüsselwort für eine neue Zeit. In der veraltete Werte wie Freiheit, Sicherheit, Unabhängigkeit leider nicht mehr die Rolle spielen können, die ihnen einst zukamen.« (Jens Peter Paul, Journalist auf Facebook)