
von Jens-U. Hettmann
Dass Afrikas Frauen – quer über den ganzen Kontinent – auch dort, wo sie laut Verfassung ›gleichberechtigt‹ sein sollen, dies in ihrer überwältigenden Mehrheit im realen Leben aber genau nicht sind, dass ihre Lebenslage selbst hinter die ›Standards‹ etwa des zeitgenössischen Europa um ›Lichtjahre‹ abfiel, wurde mir nach wenigen Jahren vor Ort – ab der Mitte der 1980er Jahre etwa – immer klarer. Ebenso klar wurde, dass diese Verhältnisse nicht frisch vom Himmel gefallen waren und dass sie in ihren Ursprüngen deutlich vor die Kolonialzeit (die aktuell vielfach als die einzige Ursache der weithin äußerst schwierigen Lebensverhältnisse der Menschen in Afrika angesehen wird, was allerdings nur bedingt richtig ist) zurückreichen. Frauen und Mädchen waren – und sind – in ihren Rechten weit davon entfernt, gleichberechtigt mit den Männern bzw. Jungen zu sein, und zwar in so ziemlich sämtlichen Lebensbereichen: angefangen bei der Bildung, über wirtschaftliche Autonomie bis hin zu politischer Partizipation bei der Gestaltung der ›polity‹, zu der sie alle gemeinsam gehör(t)en. In Mali mussten damals Frauen sogar noch schriftliche Genehmigungen ihrer Ehemänner beibringen, wenn sie ein Visum für eine Auslandsreise beantragten. Mädchen gingen – das ist wohl leider bis heute verbreitet so – im Durchschnitt weit weniger lange zur Schule als Jungen. Die Wirtschaftstätigkeit der ›Durchschnittsfrau‹ (selbst wenn die genauso berühmten wie seltenen ›Mama Benz‹ durch ihre Erfolge im Bereich ›Handel‹ immer wieder für Gesprächsstoff und Bewunderung sorgten) beschränkte sich im Normalfall auf die Erhaltung der Funktionsfähigkeit des ›foyers‹, und zwar fast ausschließlich mit den in aller Regel sehr bescheidenen Mitteln, die das Familienoberhaupt ›Mann‹ mehr oder weniger widerwillig zur Verfügung stellte. Zwar begegnete man immer mal wieder auch in höheren Funktionen des Staatsdienstes Frauen, aber diese waren eher die Ausnahme, die die Regel bestätigten, dass die Frauen zwar sehr viel arbeiteten, vielfach schufteten, im Gegenzug aber dafür alles andere als gerecht entlohnt wurden bzw. am politischen Leben partizipierten.
Die Bundesregierung bereitet das Volk mit einer Video- und Plakatserie auf das Jubiläum des Einheitsjahres 1989/1990 vor in einer ›Informationsreihe‹ unter dem Titel: Das ist sooo deutsch. Richtig, das Ganze verziert mit schwarz-rot-goldenem Herzen in Großformat (und mit Herzchen rechts oben auf den Plakaten) soll witzig wirken. Die staatlichen Öffentlichkeitsarbeiter präsentieren sämtliche Klischees deutscher Fremd- und Selbstwahrnehmung: deutscher Dackel mit Winterleibchen, fröhlich tanzende Funkenmariechen, nackter Hintern (weiblich) am FKK-Strand, Gartenzwerge im Kastenfenster, dazwischen auch zwei Bilder zum Mauerfall: DDR-Grenzer auf der Mauer, lächelnde Menschen darunter, eine Trabi-Kolonne auf dem Weg nach Westen, dann wieder ein seinen Trabi wienernder Ossi (Kennzeichen PCH ), eine Batterie von Verbotsschildern im deutschen Wald, danach in holzhämmerndem Kontrast eine zu Höckeschem Tiefsinn einladende Waldlichtung. Kurz: nichts als krampfiger Kitsch – sooo deutsch – statt historisch aussagekräftiger Szenen des Geschichtsdramas vor dreißig Jahren.
Wer ›in diesem Land‹ deutsche Geschichte - und deutsche Biographien vor und nach dem 9. November 1989 - verstehen will, wird sich anderswo orientieren (siehe z.B. hier ). Faktenreiche Information bietet ein soeben in einem Kleinverlag erschienenes schmales Buch, herausgegeben von Matthias Bath. Das Buch ist Produkt seiner Vita: Matthias Bath, geboren 1956 in West-Berlin, betätigte sich ab 1975 als Fluchthelfer, wurde 1976 verhaftet, zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt und kam 1979 über einen Gefangenenaustausch frei. Danach studierte er Jura und Geschichte an der FU Berlin. Von 1988 bis 2017 fungierte er als Staatsanwalt in Berlin. Anno 1989 war er zudem als wissenschaftlicher Mitarbeiter der rechts der CDU angesiedelten Republikaner im Berliner Abgeordnetenhaus tätig.
Stefan Breuer, einer der besten Kenner der Geschichte des rechtsgerichteten politisch-geistigen Spektrums in Deutschland vom Kaiserreich bis zum Nationalsozialismus, hat eine weitere, hochinteressante Untersuchung vorgelegt, wie üblich äußerst kenntnisreich auf breiter Quellen- und Literaturbasis, Nachlässe von elf relevanten Akteuren einbeziehend, überzeugend argumentierend und sprachlich gelungen. Breuer versteht es, ohne dass seine Darstellung des Nordizismus affirmativ wird, die Gedankengänge der Protagonisten ›verstehend‹ und dabei präzise und namentlich die Differenzierungen klar herausarbeitend zu rekonstruieren. Auf diese Weise gelingt es ihm, dem Leser einen Eindruck von der Attraktivität des Nordischen Gedankens für ein bestimmtes Segment der sozialen Eliten und der bürgerlichen Intelligenz in der Zwischenkriegszeit zu vermitteln.
Zu Breuers sezierendem Herangehen an die Objekte seiner Forschung gehört das Beharren auf einer genauen und dadurch aussagekräftigen Begrifflichkeit. So wendet er sich gegen die heute übliche inflationäre, analytisch blinde Benutzung des Terminus ›Rassismus‹ als ›Omnibus-Begriff‹ und dringt z. B. darauf, radikalen Nationalismus von Rassismus im eigentlichen Sinn (um den es in einer seiner Varianten hier geht) zu unterscheiden, auch wenn in der politischen Auseinandersetzung und der Publizistik Überschneidungen und Mischungen gängig waren und sind.
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