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von Ulrich Schödlbauer

»In diesem Moment machte ich zwei Fotos. Das erste Foto war Abasse, wie er mich als ein blutig geschlagener Clown verwirrt ansah. Das zweite Foto war Abasse, wie ihn eine Faust im Gesicht traf.« Eine Personverdoppelung in zwei Sätzen, die wie ein missing link die Person dazwischen erraten lässt, ein Schemen, ergänzt aus Eigenem, ergänzt durch Material aus einer anderen Welt, einer Welt, in der es gewalttätig zugeht, auch wenn kein Blut fließt und gerade keine Fresse poliert wird, weil die Interessen ein scheinbar gesitteteres Verhalten nahelegen. Dagegen setzt der Erzähler den grünen Raum von Saint Leu, eine Strecke inmitten der Brandung, nur dem Surfer zugänglich, der am Strand von La Réunion seine Künste spielen lässt.

Das Buch ist die Beschreibung einer Sucht, die ohne Opiate auskommt, aber dennoch den Menschen verschlingt, den jungen selbstredend, den Kraft und Geschicklichkeit (sowie, nicht zu vergessen, ein Meisterwerk an technischer Einfachheit wie das Surfbrett) in einen Raum reiner Erreichbarkeit befördern, für den es in der Gesellschaft kein Gegenstück gibt, es sei denn ein negatives, die Zwangsjacke. In gewisser Weise ist sie das geheime und nicht so geheime Thema des Buches. Wie ihr entkommen? Wo ihr entkommen? Und du entkommst ihr nicht. Das tut, noch immer, nach allem Gelebten, weh. Doch davor stehen die Wunder.

Lenzyn (ein Pseudonym) schreibt, wie er schreibt, locker, rasch, pointillistisch in jedem Sinn, es sind nicht allein Tupfer, die ihm gelingen, sondern wirkliche Pointen. So wird, was ein Jugendbuch hätte werden können, ein Buch für Erwachsene, grundiert mit Melancholie, an ein, zwei Stellen regt sich der schneidende Schmerz, der diesem Abschied im Rückblick innewohnt, der doch in actu fast ohne Verlustempfindung vollzogen wurde. Ist dies Kapitalismuskritik, so kommt sie auf Turnschuhen, wie es sich gehört. Vielleicht ist Kritik nicht das richtige Wort. Bücher wie dieses stellen die Frage nach der Gesellschaft, nach dem falschen Leben im richtigen, bohrend, mit einer Art von hellsichtigem Charme, der weggeht, wenn man Thesen aus ihnen strickt.

Peter Lenzyn: Im grünen Raum von Saint-Leu, Halle (Mitteldeutscher Verlag) 2017, 173 Seiten

 

Abb.: CC BY-SA 3.0, Link 

 

 

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