von Ulrich Siebgeber

... es kommen ja nicht nur Menschen, also Arme, Beine, Köpfe, Bedürfnisse, Arbeitsbegehrende, Konsumbegehrende, Versorgungsbegehrende, es kommen Gedanken, Träume, Überzeugungen, Orientierungen, Absichten, es kommen Sozialstrukturen, Abhängigkeiten, Dispositionen, es kommen Vorder- und Hintergedanken, Vorder- und Hintermänner, liebenswerte, verletzte, hilfsbedürftige Menschen, Vertrauenswürdige, Vertrauensunwürdige, Opfer, Täter, Drangsalierte und Drangsalierer, gegenwärtige, vergangene und zukünftige: das alles will öffentlich bedacht, es will besprochen sein. Wenn Willkommenskultur heißt: Keine Auffälligkeiten, denkt, was ihr wollt, solange ihr euch sorgsam verstellt, dann will das nicht viel heißen, dann rühren sich viele Arme und Beine umsonst, auch das will bedacht sein. Die Sprengsätze, die in Paris gezündet wurden, lassen sich nicht im Feuilleton entschärfen, sie lassen sich auch nicht durch beruhigende Statements wegreden, sie sind mitten in den Köpfen der angespannten Bevölkerung gezündet worden und dort explodiert. Auch das muss bedacht und beredet werden.

Hört auf, das Volk für dumm zu verkaufen, falls ihr es mit Liberalität und Demokratie noch ernst meint! Es gibt keine Liberalität, im Lande nicht und nicht gegenüber Fremden, wenn sie der heimischen Bevölkerung aufgenötigt werden muss. Lernt, denen zu misstrauen, die eure Sprüche ungeprüft nachplappern. Achtet auf die Misstrauischen. Achtet sie. Achtet auf die Warner. Seid gewarnt. Achtet auf alle, auch auf die, die da kommen: Nur so wachsen Achtung und Respekt. Bedenkt: Respekt vor Fremden gibt es nur dort, wo auch ihr Fremdsein respektiert wird. Ob sie hinein finden werden, wie viele hinein finden werden in dieses Gemeinwesen, das wird und muss sich zeigen, es kann nicht antizipiert und schon gar nicht verordnet werden. Auch Respekt beginnt beim Wort. Sind Flüchtlinge Asylsuchende auf Zeit? Sind sie Einwanderer? Sind sie potenzielle Einwanderer? Sind sie Einwanderungswillige? Haben sie gute Gründe? Gut für wen? Sind sie Einwanderer wider Willen? Wider wessen Willen? Wider den der Regierung? Wider ihren eigenen? Wider den der Bevölkerung? Wider den eines Teils der Bevölkerung? Welchen Teils? Mit welchen Kontingenten ist hier zu rechnen?

Nebenbei: Ist das die Zeit, sich die Hände zu reiben und davon zu schwärmen, dass ›die da‹ unsere Renten erarbeiten werden? Um im Nachklapp ernüchtert festzustellen, dass es der Masse wohl an den erforderlichen Qualifikationen hapert? Wer hält hier wen zum Narren? Wie peinlich wirkt es eigentlich, Asylsuchende, die nicht wissen, was sie erwartet, ohne Ansehen ihrer Motive und Absichten, ohne Ansehung der Rechtsgründe, die ihre Aufnahme regeln, die Zukunft dieses Landes zu nennen? Ist das Vertrauen auf die mangelhaften Rechtskenntnisse der Bürger so groß? Ist das Vertrauen auf die mangelhaften Deutschkenntnisse der Fremden so groß? Was sollen diese von Leuten halten, die ihnen heute die helfende Hand reichen, um sie morgen für einen Lebensstil zu melken, der nicht der ihre ist?

Journalisten, Volksbelehrer, Politiker aller Schattierungen: Hört auf mit der närrischen Belehrungssucht gegenüber den Bürgern dieses Landes, die im Ernstfall mehr und genauer wissen, wo ihnen und dem Gemeinwesen der Schuh drückt, als handle es sich um Zehnjährige und als sei die allgemeine Bildungsanstalt der Deutschen die Klippschule. Hört auf, dieses Land mit windigen Sprachregelungen zu glasieren, die im Dreitages-Takt korrigiert werden müssen. Wohin ist euer Stolz auf die Debatten- und Streitkultur dieses Landes entschwunden? Werbt für eure Auffassungen, aber, bitte, werbt. Lasst reden, redet mit, informiert – und, werte auf Zeit bestellte Entscheider, rechtfertigt die Gründe für eure Entscheidungen, so ihr sie trefft, lasst euch belehren, seid bereit, euch wieder und wieder korrigieren zu lassen und selbst zu korrigieren, wo die Realität es erheischt. Ohnedies ist der einzige Kampf, den man euch ohne weiteres abnimmt, der mit der Sprache. Ausgrenzung, vergesst das nie, besitzt zwei Seiten, und Inklusion durch Ausgrenzung, das, Freunde, ist und bleibt ein hölzernes Eisen. Die dunkle Migration, vergesst es nie, findet hier wie dort in den Köpfen statt – fürchtet euch vor dem Gedanken, dass eure Nachfolger sie eines Tages zerdreschen zu müssen glauben, um eines erhofften sozialen Friedens willen, der dann nicht mehr das Stück Papier wert sein wird, das wir noch immer unser Grundgesetz nennen, in einem Land, das dann nicht mehr eures sein wird. Es gibt Zeiten, in denen das Fürchten zur Pflicht wird, so wie es einen Mut zur Torheit gibt. Hochmut, liebe Gesinnungsarbeiter, Hochmut ––