von Perry Anderson
Wer wäre ein kompetenterer Autobiograf als ein Historiker? Historiker müssten sich eigentlich hervorragend für die schwierige Aufgabe einer Lebensbeschreibung eignen, haben sie doch gelernt, die Vergangenheit mit unparteiischem Blick zu untersuchen und ungewöhnliche Zusammenhänge ebenso aufmerksam wahrzunehmen wie die Listen der Geschichte.
Merkwürdigerweise haben nicht sie, sondern die Philosophen sich in diesem Genre hervorgetan – sie haben es sogar faktisch erfunden. Genau genommen, wenn Philosophie die abstraktesten und unpersönlichsten Texte liefert, dann die Autobiografie die konkretesten und persönlichsten. Eigentlich sollten sie sich wie Öl und Wasser zueinander verhalten. Und dennoch gaben uns Augustinus und Rousseau ihre persönlichen und sexuellen Bekenntnisse und Descartes eine erste Geschichte des eigenen Geistes.
Sperrige Fakten zur Geschichte des 20. Juli 1944
von Herbert Ammon
Historische Wirklichkeit erweist sich stets als komplexer denn die von spezifischem Erkenntnisinteresse oder geschichtspädagogischen ›Lernzielen‹ geprägten Deutungen. Dies gilt gerade auch für die missglückte Rettungstat des 20. Juli, eines jener Daten, auf die sich im vereinten Deutschland ein national verbindendes Geschichtsethos gründen könnte. Während man in den Jahren vor 1989 in der DDR den 20. Juli ziemlich spät für das ›Geschichtserbe‹ reklamierte und dabei die in letzter Minute aufgenommenen Kontakte zum kommunistischen Untergrund überbetonte sowie eine direkte Linie zum Nationalkomitee Freies Deutschland (NKFD) konstruierte, ging es im Westen vor allem um den Nachweis der lupenreinen ›Westorientierung‹ der Verschwörer.
von Hans-Otto Hemmer
Eines der ganz wenigen Fotos aus der jüngeren Geschichte des DGB, das sich allgemein eingeprägt hat, zeigt den lachenden ÖTV-Vorsitzenden Heinz Kluncker, der dem DGB-Vorsitzenden Ernst Breit einen Kehrbesen überreicht. Das Foto wurde beim DGB-Kongress von 1982 in Berlin aufgenommen – kurz nach Breits Wahl zum neuen DGB-Vorsitzenden und Nachfolger Heinz Oskar Vetters. Es symbolisiert Klunckers Wunsch und Aufforderung, den Augias-Stall ›auszumisten‹, zu dem der DGB nach seiner Auffassung durch den Neue-Heimat-Skandal geworden war.
Breit wäre es sicher lieber gewesen, wenn diese Geste unterblieben und das Foto nicht entstanden wäre. Im Unterschied zu seinem Freund Kluncker fehlte ihm die Lust an der Provokation und es war ihm bewusst, dass er, wie alle seine Vorgänger im DGB-Vorsitz, auch in dieser exzeptionellen Lage ein Meister des Ausgleichs würde sein müssen. Ist er es geworden?
Sämtliche Abbildungen mit freundlicher Genehmigung der Urheber. Front: ©2024 Lucius Garganelli, Serie G