von Felicitas Streu und Ulrich Siebgeber
Rosemarie Trockel, Menopause
20.10.2005 bis 12.02.2006 Museum Ludwig, Köln
Kunst-Mädels. Mann und Frau gehen durchs Museum Ludwig
Der Mann: Hier diese Reihe sind bunte Topflappen, verschmierte Geschirrtücher, eingebrannte Herdplatten, Zigarettenstummel und rosa Unterwäsche.
Die Frau: Du übertreibst, wie immer. Alles ist clean.
Der Mann: Hier diese Reihe sind bunte Topflappen, verschmierte Geschirrtücher, eingebrannte Herdplatten, Zigarettenstummel und rosa Unterwäsche.
Die Frau: Du übertreibst, wie immer. Alles ist clean. Hier diese Seite sind richtige Großbilder, braun und rot, ›Menopause‹ heißt eines, jetzt wissen wir wenigstens, warum wir hier sind. Eigentlich sind es keine Bilder, sondern langweilige Strickware, aber ich nehme an, das ist etwas Weibliches. Siehst du mehr?
Der Mann: Wie soll ich sehen, was du nicht schon gesehen hast. Hier steht die obligate Videokiste, sonst würde ja auch etwas fehlen. Was sich da ringelt, scheinen die Enden eines Wollknäuels zu sein, mehr kann ich nicht erkennen.
Die Frau: Du würdest nicht mehr erkennen, selbst wenn du den Katalog zur Hand nähmst, in dem alles beschrieben wird. Das kommt daher, weil diese Kunst eingelassen ist in ein größeres Ganzes. Erinnere dich an die wunderbare Lesende im ersten Raum.
Der Mann: Doch, die war wunderbar, ich würde sie gern kennenlernen. Andererseits weiß ich nicht, warum du sie jetzt wunderbar nennst, vorhin nanntest du sie "ziemlich dilettantisch gemacht".
Die Frau: Aber jetzt ist sie aus der Anschauung in das Große Öffentliche Imaginarium eingegangen, in dem alles mit allem zusammenhängt. Da sieht die Sache anders aus.
Der Mann: Gut, ich versuche dir zu folgen. Sieh mal, was wir hier haben.
Die Frau: Ja, eine Puppenküche. Nein, ich erinnere mich, es sind Setzkästen. Vor zwanzig Jahren hatte das jede.
Der Mann: Schau mal, was drin steht. Hier zwei männliche Büsten, hier eine zerlegte Frau, hier eine zerfledderte Puppe, hier ein Stempelkissen.
Die Frau: Ich sehe kein Stempelkissen.
Der Mann: Dann solltest du schleunigst wieder das Große Öffentliche aufsuchen.
Die Frau: Ich habe es nie verlassen.
Der Mann: Und was siehst du?
Die Frau: Vermutlich, was du siehst.
Der Mann: Aber vermutlich doch anders.
Die Frau: O ja, seitenverkehrt.
Der Mann: Wie meinst du das?
Die Frau: Ganz einfach. Vordergründig ist das hier zum Beispiel eine Puppe mit einem Robotergreifarm. Vordergründig ist das die Parodie einer Putzfrau, die einen Amtsraum reinigt.
Der Mann: Oberlandesgericht Köln, ich las es im Katalog. Ich finde das eine Verhöhnung der Putzfrauen. Würde mich interessieren, was die sich dabei denken, wenn sie den Besucherschmutz beseitigen.
Die Frau: Aber sicher. Das nenne ich vordergründig. In Wahrheit ist das hier ganz anders. Die Frau, eingespannt zwischen Technik und Handarbeit, gibt ihr Bestes. Es ist nicht genug, aber sie gibt es. Sie weiß, dass sie für den Mann der Rest ist, den er beseitigen will, aber nicht los wird. Er wird sie nicht los, also ist sie da. Ich putze, also bin ich.
Der Mann: Wieso, hat dir die Putzfrau schon wieder gekündigt?
Die Frau: Der werde ich die Augen auskratzen. Aber um auf deine Frage zurückzukommen: seitenverkehrt sehen ist kein Privileg, das ist eine Aufgabe. Seit der Feminismus tot ist, besteht darin die Kunst der Frauen, sich durchzusetzen.
Der Mann: Du willst damit sagen, wir starren hier auf die Kunst der Frauen, sich durchzusetzen?
Die Frau: Dummerchen. Erstens starren wir nicht und zweitens bekommst du hier nur einen winzigen Ausschnitt geboten.
Der Mann: Das stimmt. Tiefere Einblicke werden rigoros verwehrt. Aber immerhin: New York, Wien, Düren...
Die Frau: ... erreicht man immer noch per Telefon, nicht per Emotion.
Der Mann: Aber man sieht praktisch nichts.
Die Frau: Die ewige Klage der Männer. Steigern wir es ein wenig, setzen wir es durch. Oder besser noch, tauschen wir einfach die Seiten. Ein bisschen weibliche Innensicht kann euch wirklich nicht schaden.
Der Mann: Und wie soll das nun wieder gehen?
Die Frau: Siehst du, das zeigt auch die Künstlerin. Ein blitzgescheites Mädel übrigens. Das will sie eigentlich sagen. In den kleinen Dingen seid ihr wirklich nicht besonders groß. Aus diesem Grunde hebt sie sie aus ihrer angestammten Sphäre in den Kunstraum, cut and paste. Ein genialer Einfall. Der ideale Schutzmantel für verborgene Gesellschaftskritik. Geht sie dir irgendwann auf, dann hat sie dich - schwupps - bereits am Wickel und du musst zustimmen. Da gibt es kein Pardon.
Der Mann: Aber ich sehe noch immer nichts.
Die Frau: Also, ich wusste es ja, im Märchen von des Kaisers neuen Kleidern, das war ein Knabe. Nem Girli wär das nicht passiert. - Aber schau - ich als dein angetrautes Weib - nun schau nicht so! - ich leih dir meine Augen. Wir tauschen einfach für einen Tag die Rollen. Ich rede und du schweigst. Noch weitere Vorschläge erwünscht?
Der Mann: Mmh!
Die Frau: Wieso sagst du nichts?
Der Mann: Ich dachte, wir tauschen die Rollen?
Die Frau: Ja, sag ich doch.
Der Mann: Aber du redest noch immer. Gib mal den Katalog!
Die Frau: Ja klar. Sag ich doch.
Der Mann: Was?
Die Frau: Also, jetzt kommt es mir. Ja, ja, das ist genial. Ich werde der Wohnung einen ganz neuen Touch verpassen. Wieso bin ich nur nicht eher drauf gekommen?
Der Mann: Schon wieder neue Möbel? Wir haben kein Geld. Der letzte Urlaub war teuer genug.
Die Frau: Typisch. Spielverderber. Ich mein einfach, das Flair verändern. Verstehst du? Die At–mos–phäre. Was die kann, kann ich auch. Schon lange. So allmählich geht mir die Bedeutung der Muster auf.
Der Mann: Jetzt siehst du es?
Die Frau: Was?
Der Mann: Na, was hier im Katalog steht.
Die Frau: Wieso Katalog? Dazu brauche ich keinen Katalog. Ich meine die Strickmuster. Die sind gar nicht so anders als das, was ich im Seminar gemacht habe. Liegt alles auf dem Dachboden.
Der Mann: Da liegt es gut. Lass doch die ollen Kamellen.
Die Frau: Wieso alte Kamellen? Die verdient ein Heidengeld damit. Hab ich in Capital gelesen, die gehört zu den vier bestdotierten zeitgenössischen Künstlern.
Der Mann: Heißt das nicht KünstlerInnen?
Die Frau: Nun hör mit dem Blödsinn auf. Du willst mich einfach nicht ernst nehmen.
Der Mann: Also, was meintest du?
Die Frau: Keine Angst. So einen Vorhang werde ich nicht aufhängen. Da hats mir doch richtig gegraust. Erinnert zu sehr an Autowaschanlagen. Huuuh... (Schüttelt sich.) – 'Post-Menopause'. Ha, ha. Guter Witz. Und die Spaghettiteller. Das ist bestimmt 'Multikulti'. Dabei ist das längst out.
Der Mann: Was meinst Du?
Die Frau: Die Pullover, meine Pullover aus unserer Anarchozeit. Was ich da so alles an Mustern reingestrickt habe. Wenn ich mir das so betrachte. Also, ganze Theorien sind da entstanden. Und außerdem können wir das Abogeld sparen. Ich hab doch mindestens noch fünfzig Stück von den Dingern rumliegen. Da brauchen wir keine Bilder mehr aus dem Museum zu leihen, um ein bisschen kulturelle Wellness zu erzeugen.
Der Mann: "Leben ist Strumpfhosenstricken."
Die Frau: So einen Blödsinn kann sich auch nur ein Mann ausdenken. Außerdem ist das frauenfeindlich.
Der Mann: Wieso frauenfeindlich. Das steht im Katalog.
Die Frau: Was für ein Katalog? Ich kaufe nichts aus dem Katalog.
Der Mann: Na hier, sieh doch selbst, die Trock...
Die Frau: Wenn, nimmst du das ganze Weib, du kriegst nicht nur den Unterleib.
Der Mann: Was redest du da für ein krauses Zeug.
Die Frau: Ja, der Kraus. Das war ein feiner Mann.
Der Mann (stellt sich auf die Zehenspitzen, um die über einer Installation hängenden Mikrofone zu erreichen und singt): Die Männer sind alle Autiiiiisten, die taz ist ein finsteres Loch...*
Die Frau: Hör auf, sei endlich still, ich kann die Sprüche nicht mehr hören.
*taz vom 5./6.11.2005, verboten!