
Klimadeterminismus
von Hans von Storch
Wenn von Geschichte des Klimas die Rede ist, dann meint man die Veränderung der Statistik des Wetters über die Zeit. Das ist ein wichtiges Thema, um zu beurteilen inwieweit gegenwärtige Veränderungen des Klimas zwar vielleicht seltene aber immerhin doch natürliche Schwankungen des stochastischen Systems Klima sind oder ob diese zu erklären sind durch menschliches Tun (Detektion und Attribution). Um es kurz zu machen, Letzteres entspricht dem wissenschaftlichen Wissen der Zeit.
Neben dieser Geschichte gibt es aber auch noch eine Geschichte des Begriffs des Klimas und damit eng verbunden der Klimawissenschaft. Heutzutage versteht man unter Klima vor allen die Statistik des Wetters mit charakteristischen Quantifizierungen wie der mittleren Monatstemperatur, der Häufigkeit von Dauerregen über mehr als fünf Tage oder die Intensität von Stürmen, die einmal pro 100 Jahren erwartet wird. Früher war Klima auch so eine Art typisches Wetter aber vor allem ein Medium, über das höhere Mächte Missbilligung aussprachen, und das den Unterschied zwischen regionalen Florae und Faunae aber auch zwischen Völkern und Zivilisationen bewirkt.
Wenn Goliath sich als David tarnt
von Aram Ockert
Diejenigen die Diskursräume kleiner machen, sehen das selbst als Weg in eine leuchtende Zukunft. Darin soll kritisches Denken keinen großen Platz mehr haben. Das finden nicht alle gut. Andrea Geier, Professorin für Neuere deutsche Literaturwissenschaft und Genderforschung an der Universität Trier, hält die Rede von Cancel Culture in Deutschlandfunk Kultur (24.09.) für übertrieben. »Um die angebliche Gefährdung der Meinungs- und Kunstfreiheit durch Political Correctness zu begründen, werden seit Jahren dieselben wenigen Fälle genannt«. Sie denkt, dass man nicht von Zensur sprechen sollte, weil hier einfach nur durch ständiges Bereden eines nicht existierenden Problems ein solcher Eindruck herbeifabuliert werde. Sie dagegen vermutet, dass die Veränderung des Sprechens im gesellschaftlichen Raum nur die Bedingungen für Kritik verändern und macht das am Beispiel der Diskriminierung von rechter Gewalt fest...
30 Jahre Deutsche Einheit
von Gunter Weißgerber
Helmut Kohl führte nach 1982 den deutschlandpolitischen Weg von Brandt/Scheel und Schmidt/Genscher fort. Brandts Wandel durch Annäherung, der Grundlagenvertrag, Schmidts KSZE-Engagement und dessen Idee der Doppelten Nulllösung – all das nahm Kohl auf. Auf den Punkt gebracht: ich bin Schmidt für die Doppelte Nullösung genauso dankbar wie ich Kohl für die Durchsetzung des NATO-Doppelbeschlusses zu danken habe. Anders ausgedrückt, der Widerstand der Unionsparteien gegen die Neue Ostpolitik hatte mich genauso geärgert wie mich das ›Gemeinsame Papier von SPD und SED‹ von 1987 noch heute auf die Palme zu bringen vermag.
Warum Apokalyptik und ›offene Zukunft‹ keine Gegensätze sind
Gastbeitrag von Stephan Schleissing
»Die Apokalypse lähmt«, stellte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Ende 2019 in einem Interview mit dem Tagesspiegel fest. Das war direkt gegen das Verständnis von ›Zukunft‹ bei Fridays for Future gerichtet:
Macht uns der apokalyptische Ton, der die Klimadebatte prägt, am Ende politisch hilflos? Kapitulieren wir gar vor einer Zukunft, von der wir doch hoffen, dass wir sie gestalten können?
Das Verhältnis zu Russland – Kern-Frage des Friedens in Europa
von Peter Brandt
Niemand außer den Tätern und eventuellen Auftraggebern weiß bisher, wer den russischen oppositionellen Politiker Alexei Nawalny ermorden oder gesundheitlich schwer schädigen wollte und warum. Als die wahrscheinlichste Variante gilt Kennern die eigenständige Aktion einer autonom handelnden Gruppe, eventuell in den Sicherheitsapparaten, die sich im Einklang mit der Staatsführung sieht. Würde sich das bewahrheiten, wäre es sicher kein Grund zur Beruhigung, denn es würde bestätigen, was schon einige Zeit vermutet wird: dass das Gewaltmonopol des Staates als eines einheitlichen Akteurs in Russland nicht mehr funktioniert. Ja, Russland hat nach wie vor und im letzten Jahrzehnt wieder verstärkt ein autoritäres, zumindest semi-autoritäres Regime mit starken Rechtsstaatsdefiziten und Korruptionsauffälligkeit (mehr noch als Demokratiedefiziten) sowie eine Gesellschaftsordnung, die staats- und privatkapitalistische Charakteristika kombiniert. Damit befindet es sich im Einklang mit den meisten der anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion und steht keineswegs am unteren Ende der Skala.
Sämtliche Abbildungen mit freundlicher Genehmigung der Urheber. Die frei verwendeten Motive stammen von Monika Estermann, Renate Solbach und Ulrich Schödlbauer.