von Aram Ockert

AFD(P), Bündnis mit Faschisten, Nazi-Freunde. Die Kreativität und der Hass gegen CDU und FDP schießen munter ins Kraut. Innehalten ist angesagt und ein kritischer Blick auf uns selbst, die wir über die Ereignisse am 5. Februar zu Recht empört waren.

Gibt es noch einen Zweifel, dass wir es mit der AfD als einer Wiedergängerin der NSDAP zu tun haben?
Ist nicht völlig ausgemacht, dass Björn Höcke heute das Gesicht des Faschismus in Deutschland ist?
Erklärt sich nicht darüber die große Empörung über den Erfurter-Tabu-Bruch?

Viele Fragen, wo doch die Antworten schon feststehen. In Hamburg z.B. gilt jede lauthals vorgetragene Parole – Merkel muss weg – schon als Beweis, dass der oder die Ruferin Faschist:in ist. Würde man sich die Mühe machen und in Kreisen, wo Antifa gleichgesetzt wird, mit der Bereitschaft, über jede nach rechts abweichende Meinung sofort in den Zustand maximaler Empörung zu geraten, nachzufragen, ob Hans Georg Maaßen oder Friedrich Merz Faschisten seien, so wäre die Antwort vermutlich ein Ja.

Da die Muster und Zeichen, die die politische Debatte ordnen, naturgemäß aus grobem Holze geschnitzt sind, muss man eine gewisse Ungenauigkeit zubilligen. Mit Schrot schießt man nicht genau, aber man trifft halt eher einmal etwas. Wenn man zudem durch einen diffusen Faschismusbegriff die Anzahl derer, die durch ihn erfasst werden, sprunghaft vermehrt, steigt die Wahrscheinlichkeit noch einmal an, bei wahlloser Prügelei in die Masse aus der auch Braunes herausscheint, auch einmal einen Faschisten zu treffen.

Es ist noch nicht einmal ausgeschlossen, dass, wenn es gegen Höcke und die Seinen geht, die Richtigen getroffen werden. Aber das ist Glück. Vielfach nicht auf Analyse und Vernunft, beruhend, sondern auf selbst initiierter Empörung, um laut werden zu dürfen. Dabei gibt es gute Gründe anzunehmen, dass der ›solidarische Patriotismus‹ eines Björn Höcke nicht weit vom ›nationalen Sozialismus‹ eines Gregor Strasser entfernt sein dürfte. Die Homogenitätsvorstellungen des Volkes, entsprechen denen, wie sie auch Carl Schmitt gehabt haben dürfte und damit kombinieren sich Volks- und Rassebegriff zu völkischem Nationalismus oder solidarischem Patriotismus und treten damit in Konkurrenz zur modernen Idee des Nationalstaates, der sein Volk durch Verfassung und Verfahren eint, indem (Neu-)Staatsbürger sein kann, wer sich zur Verfassung bekennt, aus der sich die weiteren Rechtsnormen ableiten.

Nun bekennen sich aber gerade AfDler gerne und demonstrativ zum Grundgesetz. Nicht ohne zu vergessen, Klage darüber anzustimmen, dass längst die Rechtsnormen der EU und des Völkerrechts das deutsche Recht determinierend überlagern. Das stößt auf Resonanz, weil gerade der Bundesstaatswerdungsprozess der EU stets ein Projekt ökonomischer und politischer Eliten war, die den Rückkopplungsprozess in die Bevölkerung höchst unwichtig fanden. So gelingt AfDlern etwas, was wie Beweisführung wirkt. Sie belegen anhand der geltenden Rechtslage, die tatsächlich dem europäischen Normgeber determinierende Wirkung auf nationale Gesetze zubilligt, dass der Souverän entmachtet ist und erzeugen damit ein Gefühl von Ohnmacht, nicht Herr im eigenen Hause zu sein und fremdbestimmt zu werden.

Ein weiterer Punkt, gerade der Erfolge der AfD im Osten, besteht in der sozialpolitischen Ausrichtung der Programme. Götz Aly hat das in der Berliner Zeitung (3.9.2019) anschaulich beschrieben:

»Die AfD fordert in Brandenburg kostenfreie Krippen- und Kita-Betreuung sowie freie Verpflegung, finanzielle Entlastung der Familien und einen stark verbesserten öffentlichen Nahverkehr. Die AfD setzt sich für einen Mindestlohn von 15,40 Euro pro Stunde ein, will eine deutliche Erhöhung des Wohngelds erwirken, die heimischen Insekten und Vögel bewahren und ›ursprüngliche Mischwälder‹ befördern usw. Um das Geld für alle diese Wohltaten zu gewinnen, soll die ›ungeregelte Zuwanderung in unsere Sozialsysteme gestoppt‹, das deutsche Volk vor Eurokrisen und Niedrigzinsen geschützt werden, sollen nicht aufenthaltsberechtigte Migranten schnell abgeschoben werden«.

Eine Partei, die in allen neuen Bundesländern außer Berlin über 20 Prozent liegt und in Sachsen bei 27,5 Prozent, lässt sich nicht mit der Parole ›Nie wieder‹ bekämpfen. ›Nie wieder‹ ist der Auftrag, der sich aus der deutschen Geschichte zwingend ergibt. Nicht nur in Bezug auf die AfD, sondern in Bezug auf jede autoritäre und totalitäre Tendenz in der Gesellschaft.

Im Grunde genommen ist es nicht wichtig, ob man mit der Beschreibung der AfD als Nazi oder Faschist richtig oder falsch liegt, wenn man sich in der Bekämpfung den Bedingungen ihres recht ungezügelten Wachstums widmen würde. Genau das aber passiert ja gerade nicht, weil man es sich in der Symbolpolitik gemütlich gemacht hat. Gesinnung und Lust auf Empörtsein, substituieren, was Adorno als essentiell für den Kampf gegen den Rechtsradikalismus nannte: die durchschlagende Kraft der Vernunft.

Wer die AfD als Nazi tituliert, tut das im Osten zugleich gegenüber mehr als einem Fünftel der dort Lebenden. Mit Sicherheit trifft die Bezeichnung für Einige zu, aber dadurch, dass nicht mehr differenziert wird, zwischen denen, die ›national befreite Zonen‹ und Nazi-Wehrdörfer errichten und jenen, die sich gegen ihre Nichtwahrnehmung durch die etablierte Politik zu Wehr setzen, indem sie sich in der AfD engagieren, trägt man unter dem Banner des ›Nie wieder‹ aktiv zur Vermehrung der Nazis bei. Denn wer ständig als Nazi beschimpft wird, wird automatisch in diese Richtung gedrängt. Der AfD, die in Teilen totalitären Politikvorstellungen gegenüber nicht abgeneigt sein dürfte, obliegt es dann darauf zu verweisen, dass Politik von Pluralität und Kontroverse lebt. Sie macht sich richtiggehend einen Spaß daraus, die hilflosen Reflexe der Negativkoalition aus den sogenannten demokratischen Parteien, als totalitäre Ausgrenzung zu besprechen, die die AfD stellvertretend für die von ihnen repräsentierten Wähler:innen erleidet. Kein Wunder, dass die AfD das genießt, denn es erspart ihr die Mühe der Ebene, die ansonsten in programmatischer, inhaltlicher Arbeit und deren Überführung in politisches Handwerk bestünde.

Insgesamt aber muss man leider feststellen, dass der AfD ausgewichen wird, indem man sie in der Regel als Karikatur ihrer selbst bespricht, statt sich mit ihr auseinanderzusetzen. Letzteres gilt insbesondere innerhalb des linken Teils der Negativkoalition gegen die AfD, als essentieller Teil des Haltungzeigens gegen rechts.

Kollateralschäden

Ein weiterer, negativer Aspekt zeigt sich momentan im Reagieren auf die CDU und insbesondere die FDP, wegen deren Rollen im Landtag von Thüringen am 5. Februar. Die dort praktizierte unverantwortliche Zusammenarbeit mit der antibürgerlichen AfD, durch maßgebliche Repräsentanten bürgerlicher Politik, führt teilweise zur Gleichsetzung AfD=Nazis=FDP (CDU). Grüne und die Firma Statista nahmen das zum Anlass, dass Abstimmungsverhalten der FDP am Kriterium ›Zustimmung zu AfD-Anträgen in der Hamburger Bürgerschaft‹ zu ›analysieren‹. Statista machte daraus eine Infografik und erläuterte diese u.a. so:

»Was nach klarer Kante gegen rechts klingt, hält dem Realitätstest nicht stand, wie die Auswertung der Protokolle der Sitzungen der Bürgerschaft für das vergangene Jahr zeigt. Demnach haben Hamburgs Liberale zehn Mal für Anträge der AfD gestimmt und 26 Mal dagegen, in 16 Fällen enthielt sich die FDP-Fraktion. Damit sind sie praktisch die einzige Partei, die in der Bürgerschaft wiederholt für AfD-Anträge gestimmt hat«.

Das ist ein schönes Beispiel für Selbst- und Fremdverblödung. Die FDP ist unbedingt zu kritisieren, wenn sie Anträgen zustimmt, die einen problematischen Inhalt haben. Die Tatsache aber, dass sie nach Inhalten und gerade nicht nach der Antragstellerin entscheidet, ist eher Ausdruck politisch, instrumenteller Vernunft und zeigt neben einer gewissen Liberalität auch Standvermögen, weil sie sich damit der Strategie der Stigmatisierung der AfD verweigert hat. Gerade in Fragen der Wirtschafts- und Finanzpolitik gibt es mit der AfD größere Schnittmengen. Da in Hamburg die AfD – anders als im Osten – eher noch am Wirtschaftsprogramm ihres Gründers Lucke hängt, sind die politischen Gemeinsamkeiten hier naturgemäß hoch und haben mit Nationalsozialismus rein gar nichts zu tun. Jedenfalls heute nicht mehr, denn historisch waren es die deutsche Wirtschaft und ihre Repräsentanten, die den Aufstieg Hitlers zum Reichskanzler erst ermöglicht haben.

Die FDP hatte ihre kritischen Zeiten, mit bedenklicher Nähe zu Effekthascherei und dem, was man sich heute angewöhnt ›Rechtspopulismus‹ zu nennen. Heute ist die FDP eine pro kapitalistische Partei, wie alle anderen auch und gehört zum demokratischen Parteienspektrum. Mit ihrer Betonung bürgerlicher Freiheitsrechte und der Idee, wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht, trägt sie mit bei, zur Schaffung von gesellschaftlichen Bedingungen, in denen sich auch abweichende Meinungen entwickeln können. Das kommt linken, wie rechten Ideen gleichermaßen zu Gute.

Das Problem eines inflationär verwendeten Faschismusbegriffs ließ sich schon sehr gut beobachten, als Bernd Lucke – einer der Gründer der AfD - seinen Posten als ordentlicher Professor in Hamburg wieder antrat. AStA und Juso-Hochschulgruppe riefen unter der Überschrift: ›Lucke lahmlegen‹ erfolgreich dazu auf, dass dieser seine erste Vorlesung nach einem längeren Politikurlaub zum Thema Makroökonomie – nicht halten konnte und sich – nach eigenen Angaben – »eineinhalb Stunden als Nazi beschimpfen lassen muss(te)«.

Wenn der Begriff ungeschärft für alles benutzt werden kann, was irgendwie von der eigenen Idee dessen abweicht, was zu denken gestattet sein soll, dann ist es zum allgemeinen Schimpfwort nur noch ein kurzer Weg. Der Begriff ist einerseits stumpf und zugleich scharf, da wo er die Falschen trifft.

Zu Recht hat sich die Republik darüber aufgeregt, dass sich die CDU und FDP in Thüringen mit der AfD gemein gemacht haben. Aber im Kern war das nur Ausdruck ihres viel größeren Hasses auf die Linke dort, die mit Bodo Ramelow einen Repräsentanten des bürgerlichen Thüringens stellte und vermutlich wieder stellen wird. FDP und CDU war es wichtiger ihren Emotionen nahe zu sein, als realpolitisch zu handeln und das einzig Vernünftige zu tun.

Der Tabubruch war nicht das Bündnis mit den Faschisten, sondern der Eintritt in eine antibürgerliche Koalition, zur Schaffung eines kurzfristigen Signals des Triumphs über Ramelow und das bürgerliche Thüringen, dass sich von ihnen abgewendet hatte. Die Tatsache, dass vor allen Dingen der Vorsitzende der FDP Lindner diesen Kurs bis zum Zeitpunkt seines offensichtlichen Scheiterns nach Kräften befördert hat, macht eine Antwort der liberalen Anhänger:innen der FDP bei der nächsten Wahl – und diese findet am 23. Februar in Hamburg statt – unumgänglich. Es rechtfertigt aber nicht, dass man die FDP – sowenig wie die CDU – substantiell als rechtsradikal-affin oder schlimmer, als rechtsradikal bespricht.

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