von Herbert Ammon
I
Optimismus ist gut für Körper und Seele – ein Rezept, das mancher Arzt auch dann noch verordnet, wenn er weiß, dass derlei dem Patienten nicht mehr lange helfen wird. Um das Wohlbefinden des Körpers der ›gelebten Demokratie‹ kümmern sich hierzulande von Selbstzweifeln freie Politiker. Entsprechend engagieren sie Demoskopen und ähnliche Wissenschaftler, die Stimmungslagen im Volke – im Staatsvolk – zu erkunden. Wenn das Volk zufrieden und fröhlich in die Zukunft blickt, geht’s ihm und der classe politica gut. Wenn dem Volke unwohl ist, droht die Gefahr des Populismus. Und Populismus ist Gift für die gelebte Demokratie.
Wir können beruhigt sein: Die Stimmung in diesem Land ist gut, optimistisch. Dies belegt eine unlängst von der Konrad-Adenauer-Stiftung (›CDU-nah‹ vorgestellte Studie, basierend auf Daten der Meinungsforschungsinstitute Emnid und GMS. (Siehe FAZ vom 25. 5. 2018, S. 4) Derlei Umfragen bestehen aus Aussagen (also known as statements oder items), die den Befragten offenbar aus dem Herzen sprechen (z.B. ›Wir sollten endlich wieder einen Führer haben‹ – ein sozialwissenschaftlicher Dauerbrenner seit der legendären SINUS-Studie 1981, in der den Westdeutschen der Gedanke an eine Wiedervereinigung der beiden Teil(ungs)staaten als unerlaubt ›rechts‹ untergejubelt wurde). Zusammen mit ein paar anderen Phrasen (bspw. ›Wenn das so weitergeht, sehe ich schwarz für Deutschland‹) kommt so regelmäßig ein Ideen-Mix zustande, aus dem der unauslöschliche Hang der ethnischen Deutschen zum Rechtsextremismus abgeleitet wird.
In der vorliegenden Studie geht es wieder mal ums Schwarzsehen sowie um Glaubensstärke im religiös pluralistischen Lande (›Ich glaube, dass alles gut wird.‹) Außerdem geht es um Werte, Gefühle oder eben um beides, also um Gefühlswerte, die Wähler der ›Partei ihres Herzens‹ bzw. deren ›Führer/innen‹ entgegenbringen, um Gefühle wie Vertrauen, Sicherheit, Hoffnung. (N.b.: Die Liste ist nicht aus 1. Kor. 13,13 kopiert.)
II
Die Ergebnisse der Umfragen für die CDU fielen wie erwünscht aus: Was Optimismus betrifft, liegen Sympathisanten der CDU mit 85 Prozent ganz vorne, gefolgt von FDP-Wählern (84 Prozent) sowie von den – trotz mehrfacher Führungswechsel unbeirrten – Anhängern der SPD (80 Prozent ). Selbst die programmgemäß die Apokalpyse der Umwelt (für Kirchentagsfrauen wie Göring-Eckardt identisch mit der ›Schöpfung‹) beschwörenden Anhänger der Grünen gehören mit 76 Prozent zu den Optimisten in Deutschland.
Ganz anders hingegen die ›Populisten‹ im Lande: Die Parteigänger der ›Linken‹, im Kreis der Demokraten als Populisten nur halb so vermaledeit wie die rechten von der AfD, sehen mit 53 Prozent zur Hälfte für die Zukunft schwarz. Die AfDler hingegen sind Spitzenreiter des Pessimismus mit 83 Prozent.
Bei umgekehrten statements kommen die Demoskopinnen und Demoskopen zu ähnlichen Ergebnissen. Die Merkel-follower ›vertrauen darauf, dass Deutschland künftige Herausforderungen bewältigt‹ – eine sprachlich anspruchsvollere Variante des Merkel-Spruchs ›Wir schaffen das‹ – zu 85 Prozent, die AfDler nur zu 17 Prozent. Die Meinungsforscher wissen natürlich, dass dem ›Volk‹ wenig Logik zuzutrauen ist. Deshalb haken sie noch mal nach: ›Ich glaube, das alles gut wird.‹ Und siehe da: Am gläubigsten – zu 79 Prozent – sind die mehr oder weniger christlichen CDUler, zur Hälfte skeptisch immerhin die Atheisten (ausgenommen der thüringische Ministerpräsident) von der ›Linken‹. Selbst die populistisch pessimistischen AfDler glauben am Ende noch zu 37 Prozent an eine gute Zukunft, statt ›häufig‹ von Angst (alternatives statement) getrieben zu sein. Dennoch bleibt als Resümee: »AfD-Anhänger sind pessimistisch« (so die Überschrift in dem zitierten FAZ-Artikel). Q.e.d.
III
Angst ist ein schlechter Ratgeber, glauben wir als Nicht-Populisten zu wissen oder glauben zu müssen. Gewisse Bedenken hinsichtlich der Zukunft müssen gleichwohl erlaubt sein. First things first: Am Gelde (›am Golde‹) hängt doch alles. Nur Optimisten glauben, dass die in der Staatsverschuldung der Südstaaten akut fortschwelende europäische Finanzkrise mit den auf deren Höhepunkt 2012 ersonnenen Mechanismen (Europäischer Stabilitätsmechanismus ESM, Ankauf von faulen Staatsanleihen gemäß Mario Draghis Devise ›whatever it takes‹ zu bewältigen sei. Es spielt dabei keine Rolle, ob nach den aus Euro-Staatsräson neu angesetzten italienischen Wahlen erneut die Lega (rechts) und die Cinque Stelle (links) ihre eurofeindliche Politik durchsetzen wollen oder können.
Die immensen italienischen Staatsschulden können – falls kein Schuldenschnitt durchgesetzt wird –allenfalls durch die von Präsident Macron aus französischem Interesse proklamierten Konzepte verlängert und/oder inflationär gemindert werden. Nicht berücksichtigt sind dabei die ohnehin nicht einlösbaren Target2-Forderungen der Bundesbank an die EZB. Der Weg in die Transfer-Union scheint vorgezeichnet – mit oder ohne einen obersten Finanzminister im Euro-Raum. Die anfallenden Transferleistungen nötigen sodann zu konjunkturhemmenden Steuern und Abgaben – Wasser auf die Mühlen der Populisten, die immer nur das Negative sehen wollen. Addendum: Über sinnvolle Kredite und selbst direkte Transferleistungen wäre zu reden, wenn denn in den südlichen Empfängerländern Erfolge zu verzeichnen wären. Diese sind angesichts der politischen Zustände in Italien und Griechenland nicht abzusehen. Ebenso unsicher ist die für Europas Zukunft entscheidende Überwindung der französischen Malaise.
Mit Sicherheit wird der von der derzeitigen Mehrheit im deutschen Parteienstaat repräsentierte Optimismus dahinschwinden, wenn die deutsche Exportmaschine zu stottern beginnt. Die Gefahr liegt dabei nicht allein in der ungewissen Zukunft der Südstaaten und der Schwächung der deutschen EU-Exportmärkte nach einer Justierung des Euro nach unten. Auch mag offen bleiben, wie ›wir Europäer‹ mit Trumps US-Protektionismus zurechtkommen. Die große Unsicherheit liegt im Fernen Osten, wenn China mit gleichwertigen – und billigeren – Erzeugnissen die deutsche Exportindustrie in Sektoren wie Maschinenbau und Chemie überflügelt. Laut einer Studie der schweizerischen Wirtschaftshochschule IMD (Lausanne) ist Deutschland in der Liste der wettbewerbsfähigsten Länder bereits auf Platz 15 zwei Stufen hinter China zurückgefallen. (FAZ v. 24.05.2018, S.21)
IV
Angst vor der Zukunft, vor dem Verlust aller gewohnten Lebensbezüge und Lebensfreuden, vornehmlich Sorge um die Zukunft des eigenen Kindes, bekannte unlängst der Kolumnist Harald Martenstein. Er sprach von Gefühlen der Fremdheit in einem Land, das nicht mehr als ›deutsch‹, europäisch-deutsch erkennbar ist, sondern nur noch als ein fremdes, ›multikulturelles‹, geschichtsloses, gesichtsloses Aggregat erscheine, ein Staatsgebilde, dominiert von an Kultur und Geschichte Deutschlands desinteressierten ›Eliten‹. Die Empörung (i.e. neudeutsch-demokratisch ›der Shitstorm‹) blieb natürlich nicht aus.
Laut jüngster Meldung ist die Zahl der gewaltbereiten, wenngleich bislang nur unzulänglich (oder unregistriert) bewaffneten Linksextremisten auf über 28 000 angewachsen. Das darf kein Grund zur Besorgnis sein. Denn laut Ulla Jelpke (und ähnlichen ›Linken‹) handelt es sich – anders als bei all den islamophoben, burkafeindlichen und sonstigen ›Rechten‹ – um besonders engagierte Verteidiger demokratischer Werte.
Wer Bürgerkriegsszenarien vor Augen hat – Tante Antifa, keusch vermummt im Bündnis mit Söhnen Allahs im Kampf gegen ›Nazis‹ – gehört ins Lager der Pessimisten. Gegen depressive Nachtgespenster hilft Optimismus. Gleichwohl: Frei von unguten Wahrnehmungen ist ein Blick in die Zukunft nicht. Soviel Pessimismus muss – entgegen den Empfehlungen der CDU(nahen)-Parteistiftung – erlaubt sein.