von Hans Willi Weinzen

Wenn über Google diskutiert wird, sind die Meinungen geteilt. Schon die Frage, ob Google als Suchmaschine in Deutschland ein faktisches Monopol hat, wird unterschiedlich beantwortet. Für Justus Haucap hat Google kein Monopol, sondern allenfalls ein „Monopölchen“. Nachzulesen in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung am 26. April 2014.

Prof. Dr. Justus Haucap ist nun nicht irgendwer, sondern war Mitglied der Monopolkommission und sogar deren Vorsitzender. Entsprechend dünn fallen bei einer solchen Überzeugung dann natürlich auch die Zeilen zu Google beispielsweise in Punkt 5 der Kurzfassung des Hauptgutachtens 2012/2013 der Monopolkommission aus. Konkrete Vorschläge fehlen völlig. Die Sparkasse im Ort hingegen ist ein Problem, das auf durchgreifende Bedenken der Monopolkommission stößt. Hier tun konkrete Vorschläge not und sie werden reichlich formuliert. Die gesetzliche Regelung, welche nur eine Sparkasse in einer Region vorsieht, soll beispielsweise weg. Die öffentliche Trägerschaft der Sparkassen soll auch weg. Private sollen sich künftig an den Sparkassen beteiligen können. Nachzulesen in den Punkten 244 und 245 dieses Hauptgutachtens.
Google oder Sparkasse?
Während Google für die Monopolkommission irgendwie kein wirkliches Problem ist, ist die örtliche Sparkasse für sie anscheinend ein echtes Problem. Verbraucherinnen und Verbraucher sind in beiden Fällen gar nicht im Blick der Monopolkommission. Was ihnen schadet oder nützt, interessiert anscheinend nicht besonders. Woran kann das liegen? Es liegt an der Besetzung der Monopolkommission.
Die Besetzung der Monopolkommission ist derzeit in § 45 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) im Groben geregelt. Danach besteht sie aus fünf Mitgliedern, die über besondere volkswirtschaftliche, betriebswirtschaftliche, sozialpolitische, technologische oder wirtschaftsrechtliche Kenntnisse und Erfahrungen verfügen müssen. Die Monopolkommission wählt aus ihrer Mitte einen Vorsitzenden. Die Mitglieder der Monopolkommission werden auf Vorschlag der Bundesregierung durch den Bundespräsidenten für die Dauer von vier Jahren berufen. Wiederberufungen sind zulässig. Die Bundesregierung hört die Mitglieder der Kommission an, bevor sie neue Mitglieder vorschlägt. Die Mitglieder sind berechtigt, ihr Amt durch Erklärung gegenüber dem Bundespräsidenten niederzulegen. Scheidet ein Mitglied vorzeitig aus, so wird ein neues Mitglied für die Dauer der Amtszeit des ausgeschiedenen Mitglieds berufen.
Detailliert ist vor allem geregelt, wer nicht Mitglied der Monopolkommission werden kann. Die Mitglieder der Monopolkommission dürfen weder der Regierung oder einer gesetzgebenden Körperschaft des Bundes oder eines Landes noch dem öffentlichen Dienst des Bundes, eines Landes oder einer sonstigen juristischen Person des öffentlichen Rechts, es sei denn als Hochschullehrer oder als Mitarbeiter eines wissenschaftlichen Instituts, angehören. Ferner dürfen sie weder einen Wirtschaftsverband noch eine Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerorganisation repräsentieren oder zu diesen in einem ständigen Dienst- oder Geschäftsbesorgungsverhältnis stehen. Sie dürfen auch nicht während des letzten Jahres vor der Berufung zum Mitglied der Monopolkommission eine derartige Stellung innegehabt haben. Nicht geregelt ist im Gesetz, wer denn nun in die Monopolkommission soll.
Derzeit sind drei Unternehmer und zwei geneigte Professoren Mitglieder der Monopolkommission: Prof. Dr. Daniel Zimmer, LL.M. (Vorsitzender), Geschäftsführender Direktor des Instituts für Handels- und Wirtschaftsrecht der Universität Bonn, Prof. Achim Wambach, Ph. D., Direktor des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln, Dagmar Kollmann, Unternehmerin, Dr. Thomas Nöcker, Mitglied des Vorstands der K+S Aktiengesellschaft, Dr. Angelika Westerwelle, Unternehmerin. Warum ist die Monopolkommission eigentlich nur mit zwei Unternehmern, einem Unternehmensvorstand und zwei gleichgesinnten Unternehmern besetzt ?
Die Spurensuche führt einige Jahrzehnte zurück. Die Monopolkommission erblickt erst in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts das Licht der Welt. Die sozialliberalen Regierungsfraktionen der FDP und SPD legen am 25. Januar 1973 dem Bundestag den Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vor. Darin findet sich jedoch keine Begründung zum § 24 b, in dem die Monopolkommission geregelt wird (vgl. Bundestags-Drucksache Nr. 7/76). Zu lesen ist dort aber, daß dieser Gesetzentwurf einen der Diskontinuität zum Opfer gefallenen Entwurf der vorigen, ebenfalls sozialliberalen Bundesregierung aus der vorangegangen Legislaturperiode wieder ins parlamentarische Verfahren einbringt. In diesem Gesetzentwurf, den die sozialliberale Bundesregierung am 18. August 1971 vorlegte, findet sich dann immerhin eine kurze Einzelbegründung des § 24 b, aber keineswegs eine Aussage oder gar Begründung, wie und warum die Monopolkommission so besetzt werden müsste (vgl. Bundestags-Drucksache VI/2520), wie sie sich heutzutage darbietet. Es gibt also weder eine gesetzliche Pflicht noch auch nur eine Begründung für diese einseitige Besetzung der Monopolkommission.

Einseitige Besetzung

Diese einseitige Besetzung ist um so misslicher, als die Monopolkommission schon auf der Grundlage des Kartellgesetzes wichtige Gutachten erstellt und ihr in den folgenden Jahrzehnten weitere Gutachtenaufträge zugewachsen sind. Die Monopolkommission erstellt nach § 44 Abs. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) alle zwei Jahre ein Hauptgutachten, das vor allem Stand und absehbare Entwicklung der Unternehmenskonzentration in Deutschland behandelt. Ferner erstellt sie Sondergutachten: Nach § 42 Abs. 4 Satz 2 GWB im Verfahren der Ministererlaubnis, nach § 44 Abs. 1 Satz 3 GWB im besonderen Auftrag der Bundesregierung und nach § 44 Abs. 1 Satz 4 GWB sogar nach eigenem Ermessen. Alle zwei Jahre nimmt sie Stellung zur Entwicklung des Wettbewerbs in den Netzindustrien: Nach § 62 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) auf den Märkten der leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität und Gas, nach § 36 Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG) im Bereich der Eisenbahnen, nach § 121 Abs. 2 Telekommunikationsgesetz (TKG) auf den Telekommunikationsmärkten sowie nach § 44 Postgesetz (PostG) i.V.m. § 121 Abs. 2 TKG auch auf den Postmärkten.
Die einseitige Zusammensetzung der Monopolkommission kann zu einem Tunnelblick führen, wie das Beispiel Google illustriert. Wie muß eine Monopolkommission zusammengesetzt sein, damit weiterhin solches Denken herrschen kann? Einseitig wie bisher. Wie muß die Monopolkommission zusammengesetzt sein, damit künftig auch die Wirkung von Kartellen und Monopolen auf Verbraucher stärker in den Blick genommen wird? Neben Vertretern von Unternehmen müssen künftig auch Vertreter der Verbraucherinnen und Verbraucher der Monopolkommission angehören. Sie werden schließlich von Monopolen und Kartellen in aller Regel am meisten geschädigt. Der Tunnelblick der Monopolkommission muß beendet werden.
Deswegen ist es gut, daß das Themenforum Verbraucherpolitik beim Parteivorstand der SPD am 18. Oktober 2014 beschlossen hat: „Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion und die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung werden gebeten, die Anwendung des § 45 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) zu verändern. Künftig müssen neben den ausschließlich auf Unternehmerperspektiven ausgerichteten Mitgliedern auch Mitglieder benannt werden, die Verbraucherperspektiven einbringen.“ Hier sind auch die Berliner Bundestagsabgeordneten eingeladen, eine andere Praxis der Bundesregierung herbeizuführen und eine plurale Besetzung der Monopolkommission bei nächster Gelegenheit herbeizuführen. Wenn es anders nicht geht, sollte das Gesetz in diesem Sinne geändert werden.
Da das Kartellgesetz ungeachtet verschiedener Novellen in der Struktur aus den fünfziger Jahren stammt, als noch niemand Internetzugang hatte, weil selbst das Pentagon noch keins hatte, sollte ohnehin über eine baldige Novelle nachgedacht werden. Diese sollte nicht nur der Monopolkommission, sondern auch dem Kartellamt Aufgaben in der digitalen Welt zuweisen.
Die Diskussion in der Bundesregierung, wie sie von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel und von Bundesverbraucherschutzminister Heiko Maas gerade anläßlich Google geführt wird, sollte nicht wieder versanden, sondern zügig zur nächsten Novelle führen. Und die sollte auch den nordrhein-westfälischen Gesetzentwurf aus der letzten Legislaturperiode wieder einschließen, wenigstens einen kleinen Teil der hunderte Millionen jährlicher Kartellstrafen gegen die Kaffee-, Schokolade-, Bier- undsoweiterundsofort -kartelle dem Verbraucherschutz zuzuwenden, wenn schon die geschröpften Verbraucher selbst nicht entschädigt werden.

 

Debatte

Kolumnen

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Sie sind essenziell für den Betrieb der Seite (keine Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.