Felicitas Söhner

Vergessene Kinder des Krieges – Children Born of War

In Children Born of War: Past, Present and Future werden die Ergebnisse eines internationalen, interdisziplinären und sektorübergreifenden Forschungsprojekts präsentiert, das von Doktoranden durchgeführt wurde und sich mit den Lebenserfahrungen von Kindern befasst, die in den Konflikten des 20. Jahrhunderts geboren wurden. Diese ›Children Born of War‹ (CBOW) sind Nachkommen ausländischer Soldaten und einheimischer Müttern, deren Existenz sowohl physische als auch soziale Herausforderungen mit sich bringt, insbesondere wenn sie mit dem ›Feind‹ assoziiert werden.

Das Buch beleuchtet die psychologischen und sozialen Auswirkungen von Krieg auf diese Kinder und gliedert sich in drei zentrale Themenbereiche: methodische und ethische Fragen in der Forschung mit kriegsbetroffenen Gruppen im Allgemeinen und CBOW im Besonderen; innovative historische Forschungen zu bisher unerforschten geopolitischen Gebieten; sowie die psychologische Sicht auf Herausforderungen wie Stigmatisierung, Diskriminierung und Identitätsbildung, denen CBOW begegnen.

Die Herausgeberinnen Sabine Lee, Heide Glaesmer und Barbara Stelzl-Marx bieten durch ihre unterschiedlichen disziplinären Ansätze einen umfassenden Zugang zu diesem komplexen Themenfeld. In der Einleitung skizzieren sie die Situation der im Krieg geborenen Kinder und aktuelle Forschungsansätze. Glaesmer und Lee eröffnen die Diskussion mit einer Analyse der Terminologie ›Children born of war‹ und plädieren für weitergehende Forschung zur Präzisierung aktueller Kategorisierungen.

Die folgenden Kapitel widmen sich den ethischen Herausforderungen, die im Verlauf der verschiedenen Netzwerkprojekte auftraten. Gałęziowski et al. diskutieren die ethischen Anforderungen bei der Durchführung von Oral History-Projekten, während Schretter et al. die ethischen Hürden im Umgang mit den Erwartungen der Teilnehmenden beleuchten. Kaiser et al. reflektieren die Forschungsethik und deren Herausforderungen im internationalen und interdisziplinären Kontext. Akullo und Ojok untersuchen die methodischen Ansätze zur Erforschung von CBOW in fragilen Post-Konflikt-Kontexten und die ethischen Aspekte der Arbeit mit Minderjährigen.

Die psychologischen Dimensionen des Aufwachsens als Kriegsgefangene werden in den Beiträgen von Roupetz et al. und Anderson behandelt, die sich auf die Mutter-Kind-Beziehungen und den Unterstützungsbedarf von Müttern und Kindern konzentrieren. Mitreuter untersucht die Identitätsbildung bei CBOW aus verschiedenen Perspektiven.

Historische Beiträge, wie der von Schretter über österreichische Besatzungskinder und Haberkerns Studie über transgenerationale Perspektiven in oberschlesischen Familien, bieten tiefere Einblicke in die Erfahrungen von CBOW. Korhels untersucht CBOW im deutsch-tschechischen Grenzgebiet, während Gruzins sich mit der Darstellung von Kriegskindern in sowjetisch besetzten lettischen Filmen beschäftigt.

Beiträge von Käuper und Seymour erweitern den geografischen Fokus über Europa hinaus und beleuchten CBOW in anderen Weltregionen. Der Band verfolgt das Ziel, die Erfahrungen von CBOW, insbesondere deren Kindheit und die Konfrontation mit Stigmatisierung und Diskriminierung, zugänglich zu machen.

Den Herausgeberinnen gelingt es, die Intersektoralität des Netzwerks zu etablieren und der Wissenschaft eine über den intellektuellen Fokus hinausgehende Rolle zuzuweisen. Die aktive Einbindung der CBOW in Konferenzen, Publikationen und Medienberichte förderte deren Vernetzung und erhöhte die Sichtbarkeit der verschiedenen Gruppen. Diese neu entstandenen Gemeinschaften halfen den Einzelnen, Isolation zu überwinden, und viele Teilnehmende berichteten von einem Gefühl der Ermächtigung. Der Band präsentiert somit nicht nur die Breite und Tiefe der Doktorandenforschung, sondern auch den Dialog zwischen Forschenden und Betroffenen. Die Leserschaft darf sich auf vielseitige Einblicke in eine komplexe Problematik unserer Zeit freuen.

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