von Fritz Schmidt
Der Reichstag brennt noch immer. Gedanken zu einer ›seriösen Darstellung‹
70 Jahre nach dem Ende des sogenannten ›tausendjährigen Reiches‹ soll an einen Paukenschlag zu Beginn der eigentlich zwölf Jahre erinnert werden, an den Reichstagsbrand vom 27. Februar 1933, der noch immer die Geister in Verfechter der Mehr- oder Ein-Täter-Theorie scheidet.
Einer der wirksamsten Trommler für die Ein-Täter-Theorie des Brandes ist der Journalist Sven Felix Kellerhoff. Wirksam deshalb, weil er für die Springer-Presse schreibt, die, nachdem Ende der fünfziger Jahre der Spiegel die Theorie in die Welt gesetzt hatte, ebenfalls in diese Kerbe hieb und haut – im Grunde wenig verwunderlich.
Bis zur Spiegel-Serie hatte gegolten, dass das Berliner Reichstagsgebäude am 27. Februar 1933 von mehreren Tätern angezündet worden sein musste. Das hatte der seinerzeitige Reichstagsbrand-Prozess ergeben. Bereits während des Brandes hatten führende Nationalsozialisten, die überraschend schnell an der von ihnen so genannten ›Quatschbude‹ erschienen waren, kommunistische Funktionäre als Brandstifter ausgemacht. Schon am Tag darauf, am 28. Februar, wurde die sogenannte Reichstagsbrandverordnung erlassen, die Bürgerrechte weitgehend einschränkte.
Im Prozess vor dem Leipziger Reichsgericht stellte sich dann heraus, dass die Kommunisten am Brand unschuldig waren, die Brandsachverständigen aber aussagten, dass es mehrere Täter gegeben haben musste. Identifiziert werden konnte jedoch nur der Niederländer Marinus van der Lubbe, der – gesetzeswidrig – dann auch zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde. (In der von Eberhard Koebel-tusk herausgegebenen Jugendbewegungs-Zeitschrift Der Eisbrecher (Nr. 6/April 1933, S. 175), schrieb der an der Brandwache beteiligte Feuerwehrmann ›Oni‹, Otto Nittke, u. a.: »Nur sicher ist, daß ein Mann eine so gut angelegte Brandstiftung nicht tätigen kann. Dazu sind mehrere gut orientierte Fachleute notwendig gewesen.«)
Ende der fünziger Jahre hatte nun der Amateurhistoriker Fritz Tobias im Spiegel mit Hilfe ehemaliger Gestapo-Beamter und NS-Publizisten eine Serie veröffentlichen können, wonach allein van der Lubbe mit ein paar Kohleanzündern und Stofffetzen den Reichstag in Schutt und Asche gelegt habe. Diese Theorie wurde sogleich bestritten; u. a. beauftragte das Institut für Zeitgeschichte (IfZ) in München den Historiker Hans Schneider mit der Untersuchung und Klärung der Materie. Auch ein ›Luxemburg-Komitee‹ befasste sich mit dem Brand und legte in den siebziger Jahren sein Fazit im Sinne der Mehr-Täter-Theorie vor. Das Komitee war von prominenten Persönlichkeiten beauftragt und protegiert worden, u. a. von Willy Brandt, und ihm gehörten renommierte Wissenschaftler an. Gleichwohl wurde sein Schlussbericht sogleich von interessierten Medien als von Fälschungen durchsetzt denunziert, was ihn insgesamt diskreditierte. − Tobias hatte seine ›Erkenntnisse‹ auf Aussagen ehemaliger Gestapo-Beamter, die in der Bundesrepublik wieder in hohe Stellungen gelangt waren, gegründet. Dabei blieb unberücksichtigt, dass diese Beamten schon aus persönlichen Gründen – sie hätten unter Anklage gestellt werden können – nicht die reine Wahrheit aufgetischt haben könnten. (Bereits in Von Generalen und Kommissaren. Die Blomberg-Fritsch-Krise 1938 und ihre Deutungen habe ich darauf hingewiesen, wie grenzwertig die Schlüsse von Tobias in dieser Sache gewesen sind.)
Seit Mitte der neunziger Jahre beschäftigt sich nach eigenen Worten Sven Felix Kellerhoff, Jahrgang 1971, mit dem Reichstagsbrand, der im Einklang mit dem Erfinder Tobias die Ein-Täter-Theorie vertritt. 2008 veröffentlichte er im be.bra verlag Berlin-Brandenburg ein Büchlein Der Reichstagsbrand. Die Karriere eines Kriminalfalls, das ein für allemal einen Schlussstrich im Sinne der Ein-Täter-Theorie unter die Debatte ziehen wollte. Das Bändchen wurde 2013 im Weltbild Verlag Augsburg neu aufgelegt. Dieser Ausgabe wird hier gefolgt.
Als Ideengeber und Vorwortschreiber für diese nach Kellerhoffs Zeugnis »seriöse Darstellung der Ereignisse rund um den Reichstagsbrand« (S. 159) fungiert der bekannte emeritierte und hochgeehrte, im November 2015 verstorbene Historiker Hans Mommsen.
Wie seriös die Darstellung Kellerhoffs jedoch wirklich ist, soll sogleich im Zusammenhang mit Professor Mommsen untersucht werden. Denn der ›seriöse Darsteller‹ Kellerhoff bagatellisiert eine schiere Ungeheuerlichkeit, für die Hans Mommsen mitverantwortlich war: 1962 hatte der oben angeführte Historiker Hans Schneider im Auftrag des IfZ einen Textvergleich des Tobias-Buches mit den Quellen angestellt, der ergab, dass Tobias Textpassagen nicht nur entstellt, sondern sogar ins Gegenteil verkehrt hatte. Eine Alleintäterschaft schloss Schneider aufgrund seiner (nicht vollendeten) Untersuchungen aus, konnte allerdings auch keine Täter explizit benennen. Schneider 1963: »Tobias erreicht die den unvorbereiteten Leser faszinierende Geschlossenheit seiner Argumentation vor allem durch eine völlig einseitige, entgegenstehende Aussagen einfach unterdrückende Auswahl sowie durch Verstümmelung und Retuschierung (besonders bei fremdsprachlichen Texten) und eine oft grotesk verkehrte Interpretation der verwandten Belege, dazu die Einfügung weiterer, nirgends belegter und nur in der Vorstellung des Autors existenter (Schein-)Beweise, die mit größter Bestimmtheit als Fakten präsentiert werden. [Fußnote, hier nicht abgedruckt, F. S.] Die Verfälschung des objektiven Tatbestands nimmt dabei Ausmaße an, die weder der Laie noch der Fachmann – ob Jurist oder Historiker – für möglich halten würde; dies allein erklärt auch die positive Beurteilung, die das Buch bei einigen Rezensenten gefunden hat.« (Hans Schneider: Nach dreißig Jahren. Feststellungen zur Beweislage im Reichstagsbrandproblem, in ders.: Neues vom Reichstagsbrand? Eine Dokumentation. Ein Versäumnis der deutschen Geschichtsschreibung. Hrsg. von der VDW – Vereinigung Deutscher Wissenschaftler e. V., Berlin 2004, S. 188 f.)
Schneider weist, wie mit zahlreichen Beispielen an anderer Stelle, nach, dass Tobias in seinem Buch der folgenden Aussage van der Lubbes einen anderen Sinn gegeben hat. Schneider schreibt:
»In der gleichen Aussage [des Hausinspektors des Reichstags, Alexander Scranowitz, F. S.] findet Tobias die erste Stütze für die Deutung der Tat van der Lubbes als einer ganz persönlichen Protestaktion; war doch Scranowitz auch Zeuge der Verhaftung in flagranti. Wir lesen bei Tobias:
Während er ihn [van der Lubbes Paß] aufblättert, brüllt der vor Wut und Erregung zitternde Hausinspektor Scranowitz den Burschen zornig an: ›Warum hast du das gemacht?‹ Der stößt hervor: ›Aus Protest!‹ Der Hausinspektor, ein großer athletischer Mann, schlägt nun in blindem Zorn zu; einmal, zweimal ...
Im stenografischen Bericht der 15. Sitzung dagegen (S. 173):
Präsident [rückfragend auf Grund von Scranowitz’ erster Schilderung]: Sie haben ihn angerufen: weshalb hast du das gemacht? Zeuge Scranowitz: Ich habe ihm dabei mit der Faust so vor Wut in die Seite geschlagen, und da sagte er: Protest, Protest! Wer könnte ohne die kleine Umstellung hier die mindestens natürlichere Erklärung übersehen, daß der Verhaftete gegen die gewalttätige Behandlung protestieren wollte! Für den Autor aber ist hier zum ersten- und ein für alle Mal die ›schlichte Wahrheit‹ (S. 65) ausgesprochen.« (A.a.O., S. 64)
Ich habe dieses eher nebensächliche Beispiel deshalb gewählt, weil Kellerhoff gerade diese Passage in der Tobiasschen Fassung mehrfach gebraucht, z. B.: »›Protest! Protest!‹, hatte Marinus van der Lubbe geantwortet, als er direkt nach seiner Festnahme gefragt wurde, warum er das Feuer gelegt habe.« (S. 38) Trotz dieses und vieler anderer Nachweise Tobiasscher Manipulation ist sich Kellerhoff nicht zu schade zu postulieren, dass Schneiders Arbeit »nichts als eine schlechte Materialsammlung voller unbelegter Urteile« gewesen sei (Kellerhoff, S. 129).
Richtig ist, Schneiders Arbeit war der Auftraggeberin IfZ nicht genehm; der angegebene Grund, das ›Rohmanuskript‹ Schneiders sei nicht publikationsreif, ist zwar nicht falsch – siehe die oben angeführte Passage, der Redaktion und Gliederung nicht geschadet hätten −, aber keinesfalls überzeugend. Der Text hätte ohne weiteres redaktionell überarbeitet werden können, so wie es auch mit dem Tobias-Manuskript durch Spiegel-Mitarbeiter, ehemalige Nazis, geschehen ist.
Der Historiker Hans Mommsen, damals beim IfZ tätig, der 1962 zunächst in Distanz zu Tobias u. a. kritisiert hatte, dieser scheine gewisse Quellenbefunde zu frisieren, setzte noch im selben Jahr namens des Instituts alles daran, »aus allgemeinpolitischen Gründen eine derartige Publikation« (Aktennotiz Mommsen, Nov. 1962, zit. nach Hersch Fischler: Hans Schneiders unvollendetes Manuskript Neues vom Reichstagsbrand? Ein unbequemer Forschungsbericht und seine Unterdrückung im Münchner Institut, in Schneider, S. 38.) des Tobias-kritischen Schneider-Manuskripts sowohl im IfZ wie auch anderweitig zu verhindern, was ihm auch gelang. Die dabei von Mommsen vorgeschlagenen Methoden, Druck auf den Dienstgeber des Verfassers Schneider, juristische Bluffs, Materialentzug, bezeichnete die Leitung des IfZ selbst später als »unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten völlig inakzeptabel« (Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, H. 3/2001, S. 555), was nur als euphemistisch einzuordnen ist.
Welche ›allgemeinpolitischen Gründe‹ könnten hier vorgelegen haben, warum ging das IfZ so gegen ein von ihm selbst in Auftrag gegebenes Gutachten vor, das nicht einmal sonstwie veröffentlicht werden durfte? Eine mögliche Antwort ist verblüffend: Tobias, der eifer- und rachsüchtig über sein (Mach-)Werk wachte, hatte als Mitarbeiter des niedersächsischen Verfassungsschutzes ausgeforscht, dass der damalige IfZ-Direktor Helmut Krausnick (wie auch der spätere Direktor Broszat) Mitglied der NSDAP gewesen war. Diesen Sachverhalt hat der Publizist Hersch Fischler in Unterlagen des IfZ entdeckt; da aber nicht sein kann, was nicht sein darf, wird dieser Vorgang von Kellerhoff in seiner Studie zwar angesprochen, aber manipulativ verändert. Und das so verquer, dass nur der persönliche Augenschein und Vergleich Aufschluss gibt (s. Kellerhoff S. 128 f. versus Fischler, S. 37−52).
Um etwas Ordnung in die wirre Darstellung Kellerhoffs zu bringen: Dieser schreibt, dass Fischler an eine Aktennotiz Mommsens ›weitreichende Spekulationen‹ knüpfe. Bei der Aktennotiz handelt es sich um die Niederschrift einer Unterredung Hans Mommsens mit dem Rechtsanwalt Dr. Delp vom November 1962, aus der das obige Zitat der ›allgemeinpolitischen Gründe‹ und die Methodik stammen, womit die Publikation des Schneider-Textes hätte verhindert werden können – und auch verhindert wurde. Diese Aktennotiz motivierte Fischler zu weiteren Recherchen im IfZ, in deren Verlauf er im Hausarchiv des Instituts ein Schreiben des damaligen IfZ-Direktors Helmut Krausnick vom 30. September 1963 an Mommsen fand. Dieses Schreiben, worin sich Krausnick über Tobias beklagt, von Kellerhoff nicht erwähnt, im Auszug:
»Wenn weiter Herr Tobias Herrn Broszat wegen seines Artikels in den Vierteljahrsheften ›gelinde gesagt bewusste Irreführung‹ (!) vorwirft, wenn Tobias unter eklatantem Missbrauch seiner dienstlichen Möglichkeiten sich zu rein privaten Zwecken Material über die Vergangenheit einer Reihe von Personen verschafft (siehe Prozessprotokoll mit dem indirekten Eingeständnis), wenn er aus purer Rache für das Gramlsche Gutachten drauf und dran war, meine Parteimitgliedschaft zu ›verwenden‹ (was ihm nun wohl Herr Ziesel abnehmen wird), wenn bei Herrn von Aretin plötzlich ein Herr vom Verfassungsschutz aufkreuzt − um ihm für den Fall einer Aussage zugunsten von Gisevius ›Nachteile für ihn und sein Institut in Aussicht zu stellen‹, (fragen Sie Herrn von Aretin selbst darüber!) ... − nun dann sollte es einem Menschen ohne Vorurteil langsam reichen.« (Zitiert nach H. Fischler in Schneider, A.a.O. S. 51)
Hierauf, und nicht auf eine Aktennotiz, wie Kellerhoff vorgibt, resümiert Fischler:
»Helmut Krausnick hat seine damals öffentlich nicht bekannte Mitgliedschaft in der NSDAP als Belastung empfunden. Martin Broszat hat seine Mitgliedschaft in der NSDAP, wie wir heute wissen, bis zu seinem Tode verschwiegen, sie wurde erst letztes Jahr von Nicolas Berg anhand von Materialien des ehemaligen Document Centers in der Süddeutschen Zeitung publiziert. Fritz Tobias erforschte die Vergangenheit von Kritikern seiner Alleintäterthese und scheute sich nicht, dieses Wissen zu nutzen, um Druck auszuüben und ausüben zu lassen. Kann es dann noch sehr verwundern, dass man beim Institut für Zeitgeschichte darauf kam, in der Forschung zum Reichstagsbrand die Position einzunehmen, die These von Tobias über die Alleintäterschaft van der Lubbes sei nicht zu widerlegen und dass man Forschungsergebnisse wie die von Schneider nicht nur nicht publizierte, sondern unterdrückte?« (H. Fischler, ebd., S. 51 f.)
Kellerhoff zitiert obige Passage (S. 128f.), allerdings unter Auslassung der kursiv gekennzeichneten Sätze. Es zeigt sich, dass Fischlers Folgerungen keinesfalls als ›weitreichende Spekulationen‹ abzutun sind. Im Gegenteil, es liegt durchaus nahe, daß die Leitung des IfZ aufgrund der oben von Krausnick angeführten Aktivitäten (um den Terminus Erpressung zu vermeiden) Tobias‘ einknickte, wobei zudem äußerst merkwürdig, wenn nicht verdächtig ist, dass die Publikation der Schneider-Abhandlung überhaupt verhindert werden sollte. Kellerhoff dagegen möchte glauben machen, Krausnicks Ablehnung des Schneider-Textes gehe mit seiner, Kellerhoffs, Charakterisierung der ›schlechten Materialsammlung unbelegter Urteile‹ konform, eine Behauptung, die bereits der o. a. Textvergleich zu Scranowitz widerlegt. Eine Empfehlung Kellerhoffs, von diesem jedoch anders gemeint, Schneiders Text zu lesen, kann im Lichte dieser Erkenntnisse nur wärmstens empfohlen werden. Der Text ist im Faksimile abgedruckt in Schneider, S. 183−191, allerdings etwas sperrig abgefasst, so dass, wie oben dargelegt, Redaktion gutgetan hätte. Diese wäre zweifellos erfolgt, hätten nicht ›allgemein-politische Gründe‹ es verhindert...
Und wo bleibt Hans Mommsen, Hauptakteur der »38 Jahre[n] zurückliegenden Episode um Hans Schneider«? (Kellerhoff, S. 128) Mommsen hatte sich ganz im Sinne Tobias‘ 1964 mit einem längeren Aufsatz zu Wort gemeldet (Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, H. 4/1964, S. 352−415) und ist seitdem dabei geblieben. Wenn er in dem Aufsatz anmerkt: »Es bleibt abzuwarten, ob Schneider seine mir im Manuskript bekannte Gegendarstellung herausbringt« (Ebd., S. 368, Anm. 17), so ist das geradezu zynisch, war es doch er, der die Publikation verhindert hatte!
In seinem Vorwort zu Kellerhoffs Broschüre kommt Mommsen auf den Oberbranddirektor Walter Gempp zu sprechen. Gempp, der die Berliner Feuerwehr(en) modernisiert hatte, leitete die Brandbekämpfung am Reichstag und sagte als Zeuge beim Prozess im Sinne der Mehrtäterschaft aus. Mommsen nun legt in seinem Vorwort zu Kellerhoff dar, Karl Dietrich Bracher, renommierter Historiker über die NS-Zeit, sei, als er Gempp als NS-Opfer hingestellt habe, von Tobias »zunächst höflich, dann weniger verbindlich darauf aufmerksam gemacht« worden, dass Gempp vom Berliner Kammergericht verurteilt worden sei und daraufhin Selbstmord begangen habe (S. 8).
Hierhinter verbirgt sich ein echter Tobias (und somit auch Mommsen): Gempp wurde noch im März 1933 wie sein Vorgesetzter, der Stadtrat und Feuerwehrdezernent Wilhelm Ahrens, SPD, vom Dienst suspendiert, obwohl er weder Jude war noch der KPD oder der SPD angehörte, wie es ein ›Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums‹ vom 7. April 1933 verlangt hätte. Im Rahmen dieses Gesetzes wurde Gempp in den Ruhestand versetzt. 1934 kamen er und weitere Feuerwehrfunktionäre unter dem Vorwurf der Bestechung vor Gericht. In den Verfahren, die sich über Jahre hinzogen, wurde Gempp verurteilt, worauf er Berufung einlegte. Als Untersuchungshäftling am 2. Mai 1939 in seiner Zelle erdrosselt aufgefunden, wurde Suizid angenommen.
Allerdings, der Bestechungsvorwurf war keineswegs so klar, wie er sich bei Tobias/Mommsen ausnimmt. Es ging dabei um die Weiterentwicklung des Minimax-Feuerlöschgerätes, die Gempp, einem leidenschaftlichen Feuerwehr-Aktivisten, sehr am Herzen lag. Die Geldbeträge für entsprechende Gutachten usw. hatte er zumeist, aber nicht ausschließlich, versteuert; auch erschienen der nunmehrigen NS-Justiz die Beträge zu hoch. Dies waren die eher drittrangigen Vorhalte, die den einstigen Oberbranddirektor Gempp von 1934 bis 1939 zermürbt haben müssen.
Wolfgang Wippermann, der dieser Angelegenheit nachgegangen ist, kommt zu dem Schluss, das Vorgehen gegen Gempp sei politisch motiviert gewesen und dieser ein Opfer des nationalsozialistischen Regimes geworden; Tobias wiederum muss man vorhalten, den Nationalsozialismus und dessen Justiz auch in diesem Falle zu unkritisch gesehen zu haben. Z. B. beruht das ›Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums‹ bereits auf dem sogenannten ›Ermächtigungsgesetz‹ vom 23. März 1933, das dem Nationalsozialismus die alleinige Gesetzesmacht und damit die Ermächtigung zur Willkür gebracht hatte. Das Gesetz wurde mit Zustimmung der noch im Reichstag vertretenen Parteien (die kommunistischen Abgeordneten waren bereits verhaftet) beschlossen, mit Ausnahme der Sozialdemokraten, die mutig ausnahmslos dagegengestimmt hatten. (Wolfgang Wippermann: Oberbranddirektor Walter Gempp: Widerstandskämpfer oder Krimineller? Kein Beitrag zur Reichstagsbrandkontroverse, in Berlin-Forschungen 3, 1988, S. 207−229)
Nun kann man sich noch fragen, warum Karl Dietrich Bracher so negativ in das Mommsensche Vorwort gelangt ist? Die Antwort darauf dürfte einfach sein: Bracher hatte sich in der Reichstagsbrandaffäre für die Mehrfach-Täter-Theorie, also sowohl gegen Tobias wie gegen Mommsen, positioniert...
Allerdings, sowenig Karl Dietrich Bracher an der von Fritz Tobias in die Welt gesetzten herrschenden Legende des einen Reichstagsbrand-Täters etwas ändern konnte, so wenig wird es diese Abhandlung vermögen. Zu wirkmächtig sind die Interessen bestimmter Medien und Personenkreise.