...neulich im Einstein
las ich wieder einmal von den alt-neuesten Versuchen, dem Alten Testament diesseits der Grenzen bloßer Vernunft ersatzweise Raum zu verschaffen. Das Toleranzgebot der Vernunft sei doch zuallererst auf sie selber anzuwenden, hört man Bischöfe und Minister sagen.
Das gab die Gelegenheit, mir über mein Königsberger Credo klarzuwerden.
1. Gott kann man sich doch heutzutage nicht mehr ernsthaft als einen individuellen Jemand oder Jedermann vorstellen, etwa so, wie wir uns irgendeine Person vorstellen, womöglich noch als eine Art höherer Handwerker; wenn er das wäre, so hätte er angesichts der unzähligen – physischen und psychischen – Mängel in der sichtbaren Welt jeden Kredit verspielt als vernünftiger Designer (Schöpfer) der Welt gelten zu können. Ein Design-Büro mit diesen ewig gleich-gültigen Mustern – und uns als Einzige Kunden! –, kein Wunder, dass es sich gegenwärtig nur mit Gewalt am Markt behaupten kann!
2. Wir wollen gern glauben: Wenn es Gott gibt, und er spricht, geschieht etwas, aber das sollte man sich doch dann wenigstens nicht in der denkbar kleinsten Variante, nämlich nach menschlichem Maß vorstellen, etwa von der Art: Die Idee wird zur materiellen Gewalt‚ wenn sie… wer weiß wen ergreift. Der hier angedeutete Zusammenhang gehört doch zu den tiefsten Glaubensgeheimnissen des Christentums: die Transformation des (göttlichen) LOGOS, seine ›Umwandlung‹ in Realität. Das ist etwas, das, wenn es denn geschieht, zumindest nicht den Gesetzen der Kausalität folgt, es ist weder physikalisch, biologisch oder mathematisch zu beschreiben. Davon kann der Rhapsode singen oder der Priester verkünden, aber davon ist kein irgendwie gearteter wissenschaftlich-kritischer Diskurs möglich. Es ist Gegenstand der Messe in der Kirche, nicht der Diskussion im Labor. Weil das ein Glaubensgut ist. Das mit naturalistischen Zumutungen zu umkreisen, ist eigentlich Blasphemie.
3. Gott ist, wenn er wirklich das ens perfectissimum ist, so verschieden von allem uns Gegebenen und von allem Bedingten (er ist natürlich das Unbedingte), dass wir ihn nicht einfach mit den Mitteln und Methoden erkennen können, so wie wir andere stoffliche oder energetische Bedingtheiten wahrnehmen und auch erkennen können. Gott ist das ganz Andere, hat der große Theologe Karl Barth einmal gesagt. – D.h. Ob ich staune über das Wunderwerk eines Kolibris oder mich bloß seine Zunge kulinarisch interessiert, es hilft mir beides nicht weiter in der Erkenntnis Gottes.
4. Weil Gott und wir Menschen so ganz unvergleichlich (nicht aufeinander reduzierbar) sind, deshalb ist die beste Form, sich seiner zu versichern, der Glaube. Das Wissen dagegen ist auf die Ebene der Bedingtheiten und der Kausalität beschränkt, hier kann ich nach verbindlichen Maßstäben, d.h. unabhängig davon, welchem Glauben ich anhänge!, messen, folgern, vergleichen, berechnen, mich irren, experimentieren, analogisieren, (immer vorläufige!) Resultate testen, ob sie technologisch anwendbar sind, und dann wieder neu messen, rechnen, Hypothesen bilden etc. Die Arbeit des Erkennens hat es immer nur mit Vorläufigem, Provisorischem zu tun. Hier gilt der Satz: Wir irren uns empor! – Im Glauben dagegen sind wir selig in der Gewissheit. (Zweifler, wie Giordano Bruno oder Galileo Galilei, werden wie immer gekreuzigt und verbrannt).
5. Beide Denkleistungen,Glauben und Erkennen, sind gleichberechtigte menschliche Leistungen, die verschiedene Dimensionen des Menschseins betreffen. Aber, wenn wir beide in eins setzen, entsteht ein intellektueller Kuddelmuddel - der beiden schadet.
Steffen Dietzsch