Hans von Storch: Zur Sache Klima. Aufnahme: ©J.Xu Aufnahme: ©J.Xu

Die Absicht dieser Kolumne geht dahin, ruhiger, als es in der Publizistik gemeinhin geschieht, die Hintergründe von Aufregerthemen in Sachen Klimawandel und Klimaschutz zu erläutern, manchmal auch einfach Grundlagen zu erklären. – Hans von Storch, geb. 1949, ist Professor am Meteorologischen Institut der Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften (MIN), Zweitmitglied an der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (WiSo) der Universität Hamburg sowie Direktor emeritus des Instituts für Küstenforschung am Helmholtz Forschungszentrum Geesthacht. Er ist Spezialist für Fragen der Klimamodellierung und hat in verschiedenen Arbeitsgruppen des IPCC mitgearbeitet. Zusammen mit Werner Krauß schrieb er das Buch Die Klimafalle: die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung (2013).

 

Gastbeitrag von: Eduardo Zorita

Steigende Temperaturen und häufiger wiederkehrende Dürren sollen die Anzahl und Verbreitung von Waldbränden weltweit stark ansteigen lassen – eine Folge von Klimawandel. Für viele mag es dann etwas überraschend erscheinen, dass die Daten, die die Satelliten seit circa 20 Jahren zu der jährlich weltweit verbrannten Fläche liefern, ein anderes Bild ergeben: Abgesehen von einigen regionalen Ausnahmen, wie z.B. am Rande des Amazonas-Dschungels, hat die jährlich verbrannte Fläche in den letzten Dekaden tendenziell abgenommen, während sich die Waldflächen ausgebreitet haben. Die Analyse dieser und anderer historischer Daten deutet darauf hin, dass ein noch stärkerer Faktor als das Klima einen größeren Einfluss auf Waldbrände hat. Dieser Faktor ist noch ungewiss, aber es kann der Mensch selbst sein. Dies ist Gegenstand der folgenden Ausführungen.

Satelliten beobachten in den letzten Dekaden die Erdoberfläche auf immer detailliertere Weise, mit feinerer, räumlicher und zeitlicher Auflösung. Waldbrände werden von den Satelliten als unverkennbare Hotspots an der Erdoberfläche erfasst. Diese Satellitenbilder können analysiert werden, um eine quantitative globale Abschätzung der jährlich abgebrannten Fläche zu ermöglichen. Aus diesen Daten lernen wir, dass jedes Jahr etwa 4 Prozent der mit Vegetation bedeckten Erdoberfläche brennt, am häufigsten in Afrika. Waldbrände sind also ein natürlicher Bestandteil des Waldökosystems. Die auf den jeweiligen Kontinenten gemittelte Entwicklung der verbrannten Flächen über die letzten Dekaden zeigt, dass in der Tat Waldbrände häufiger in den sogenannten ›Fire-Seasons‹ stattfinden, z.B. vermehrt im Spätsommer in Nordamerika. Das bedeutet also doch, dass das ›Wetter‹ die Rahmenbedingungen für Waldbrände entscheidend vorgibt. Allerdings zeigt auch die über Dekaden langfristige Entwicklung eine abnehmende Tendenz auf allen Kontinenten (1): Abgesehen von einzelnen Jahren und Regionen sind Waldbrände tendenziell seltener geworden und betreffen kleinere Gebiete.

Diese messbaren Beobachtungen von generell abnehmenden Waldbränden bedeuten allerdings nicht unbedingt, dass wärmere Temperaturen und eine zunehmende Trockenheit keinen Einfluss auf die Häufigkeit oder Intensität von Waldbränden hätten. Dieser Zusammenhang erscheint im Prinzip logisch und wird auch von sogenannten Feuer-Modellen bestätigt. Die oben geschilderten Satellitendaten zeigen jedoch deutlich, dass dieser Zusammenhang entweder komplexer ist als zuerst gedacht, oder dass andere, nicht klimatische, Faktoren eine wichtigere Rolle spielen und erforscht werden müssen.

Parallel zu der Abnahme der jährlich verbrannten Gesamtfläche, zeigen die Satelliten auch eine Zunahme der globalen Bewaldung oder zumindest der von Vegetation bedeckten Fläche. Diese Zunahme wurde sogar auf dem Titelblatt der Dezember 2019 Ausgabe der Zeitschrift Bild der Wissenschaft thematisiert. Eine sichere Erklärung dafür bleibt noch aus. Die vermehrte Aufnahme von CO2 durch Bäume, das Aufgeben von landwirtschaftlichen Flächen zu Gunsten des Waldes und die Intensivierung der Landwirtschaft, sind einige der bis jetzt herangezogenen, teilweise widersprüchlichen, Hypothesen. Welche Ursache auch immer diese Beobachtung haben mag, sie ist insofern wichtig, als dass darin eine mögliche Erklärung für die Abnahme der Waldbrände ausgeschlossen werden kann, nämlich dass jedes Jahr immer weniger Vegetation als Brennstoff für Waldbrände zur Verfügung stünde. Es muss also eine andere Erklärung gefunden werden.

Die Liste der potentiellen nicht-klimatischen Treiber von Waldbränden ist vielfältig und sicherlich haben diese hier aufgeführten folgenden Faktoren, je nach Region, einen größeren oder kleineren Einfluss:

– Die Verlegung von Überlandleitungen nahe bei oder durch Waldstücke.
– Die extensive Viehzucht mit frei laufenden Tieren, die das Wachstum von potentiellem Brennstoff begrenzen und damit die Waldbrandgefahr zunächst reduzieren.
– Die frühzeitige Auslöschung von Waldbränden, womit die natürliche Verbrennung von Kleinholz verhindert wird und folglich dessen Anhäufung über längere Perioden hinweg begünstigt wird, was dann wiederum zu heftigeren Waldbränden führen kann.
– Blitze sind häufig die Ursache von Waldbränden. Langfristige Beobachtungen der Blitzaktivität sind jedoch selten und es bleibt daher ungewiss, ob die Aktivität ab- oder zugenommen hat. Aufgrund dessen kann derzeit keine valide Aussage über den Zusammenhang von Klimawandel und Blitzhäufigkeit getroffen werden und ob sich dies durch den Klimawandel in Zukunft ändern wird.

Alle diese Faktoren spielen eine größere oder kleinere Rolle. Der jetzige Stand der Wissenschaft aber identifiziert den massiven Anstieg von Löscheinsätzen als die Hauptursache für die weltweite Verminderung von Waldbränden.

Die Frage, ob Klimaschwankungen doch einen Einfluss auf die Intensität oder Häufigkeit von Waldbränden haben ist deswegen mit aktuellen Daten nicht leicht zu beantworten. Es ist noch unklar, inwieweit die menschliche Einwirkung die möglichen natürlichen Einflüsse überdeckt. Um dies weiter zu erforschen hat die Wissenschaft andere Datenquellen gesucht, die einen längeren Untersuchungszeitraum abbilden: Wir verfügen glücklicherweise über andere Datensätze, die sowohl die Klimaschwankungen als auch die Häufigkeit regionaler Waldbrände in den letzten Jahrhunderten und Jahrtausenden nachträglich abbilden. Diese Daten stammen aus der Analyse von jahrhundertealten und von fossilen Baumstämmen sowie aus jahrtausendealten Ablagerungen in den Binnengewässern, den Seesedimenten.

Günstigere Temperatur- oder Feuchtebedingungen fördern das Wachstum der Bäume, die dann breitere Jahresringe, häufig aus schwererem Holz, hervorbringen. Diese Ringbreiten und Holzdichten lassen sich relativ einfach messen und bilden die häufigsten dendroklimatologischen Datensätze. Diese Beurteilung früherer Klimaverhältnisse und ihrer Veränderungen nach den Jahresbaumringen liefert dann, nach einer speziellen Datenverarbeitung, sehr nützliche Informationen über Klimaschwankungen in der Vergangenheit und zwar mit einer exakten, auf das Jahr genauen Datierung. Wahrscheinlich weniger bekannt ist es, dass nicht nur klimatische Bedingungen, sondern auch Waldbrände in der Vergangenheit ebenfalls ihre Prägung in Form von Brennspuren auf den Stämmen fossiler Bäume hinterlassen haben. Deren räumliche Verbreitung und Häufigkeit lassen sich als Zeichen von Waldbränden interpretieren, und zwar auch mit einer sehr genauen jährlichen Datierung. Man kann also aus der Analyse desselben Datensatzes aus einer Region zugleich die früheren Schwankungen sowohl im Klima als auch in der Häufigkeit von Waldbränden ableiten.

Etwas komplizierter, aber auch möglich, sind die ›Rekonstruktionen‹ für die fernere Vergangenheit. In diesem Fall analysieren Wissenschaftler Proben aus Seesedimenten. Die Bedingungen am Seeboden sind häufig sauerstoffarm, wodurch organische Überreste unversehrt über sehr lange Zeiträume erhalten bleiben. Im Sediment befinden sich auch Sammlungen von alten Pollenkörnchen. Die Zusammensetzung dieser Pollensammlungen nach Pflanzenarten gibt Auskunft darüber, welche Pflanzenarten in der Region um den See am häufigsten vertreten waren. Daraus lassen sich auch Temperatur und Niederschlag in der Vergangenheit indirekt ablesen. Im Gegensatz zu den aus Jahresringen gewonnenen Daten sind die aus den Pflanzenpollen abgeleiteten Klimarekonstruktionen, die mehrere Tausende von Jahren abdecken können, etwas ungenauer. Interessanterweise lassen sich diese aber auch mit anderen Datensätzen in Verbindung bringen, die einerseits die Häufigkeit von Bränden über diese lange Zeiträume abbildet – nämlich Befunde von Holzkohle – und zum anderen mit der Dichte menschlicher archäologischer Überreste.

Die Erkenntnisse aus allen diesen stellvertretenden Datensätzen lassen sich wie folgt verallgemeinert zusammenfassen: Klimaschwankungen in der Vergangenheit haben tatsächlich einen Einfluss auf Waldbrände gehabt, wobei höhere Temperaturen und trockene Perioden tendenziell die Intensität oder Häufigkeit von Waldbränden begünstigen. Dieser Einfluss ist aber bei weitem nicht so stark, oder nicht so direkt, wie man vermuten könnte. Es ist möglich, dass die Wechselwirkung von Temperaturen und Niederschlägen mit den anderen Einflussfaktoren für die Ausbreitung von Waldbränden komplizierter ist als gedacht. Außerdem wird deutlich, dass in den Regionen, in denen sich der Mensch schon früh ausgebreitet hat, er auch die Häufigkeit von Waldbränden entscheidend geprägt hat (2).

Was lehren uns diese Daten bezüglich des Klimawandels? Es ist möglich, dass der Klimawandel zukünftig vermehrt und weiter verbreitete und/oder intensivere Waldbrände als heute verursachen könnte. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse reichen jedoch noch nicht aus, um sichere Prognosen zu liefern. Zuerst müssen wir die jetzige Waldbranddynamik, die Rolle des Wetters und des Klimas besser verstehen, damit wir dann später den Faktor Klimawandel mit einbeziehen können. Die Wissenschaft ist aber leider noch nicht so weit. Unser Verständnis über die Ursachen von Waldbränden wird in sogenannten Waldbrandmodellen zusammengefasst, die ähnlich wie bei Klimamodellen, die Antriebe und die Dynamiken in einem komplizierten Computercode darstellen. Mit diesen Modellen versuchen Wissenschaftler die messbaren Daten zu reproduzieren. Allerdings sind die von vielen dieser Modelle errechneten abgebrannten Gesamtflächen und/oder deren langfristige Tendenzen falsch, was darauf hindeutet, dass wichtige Mechanismen, die zu Waldbränden führen oder diese begünstigen, noch nicht richtig verstanden sind. Das setzt ein Fragezeichen hinter die jetzigen Prognosen. Es ist also noch viel Forschung nötig.

Was aber diese Daten aus der Vergangenheit eindeutig belegen ist, dass Waldbrände in den letzten Jahrtausenden, auch in den letzten Jahrhunderten, viel verbreiteter als heute waren. Wir sind also keine Zeugen eines ›Age of Fire‹, wie in den Medien häufig suggeriert wird, sondern das Gegenteil ist eher der Fall. Wenn die Erklärung des direkten menschlichen Einflusses auf Waldbrände stimmen soll, hat der Mensch schon frühzeitig die natürlichen Wandbrände zu einem nicht kleinen Teil ›gezähmt‹: Er hat sie als ein zusätzliches Werkzeug dazu benutzt, die natürlichen Gegebenheiten zu seinen Gunsten zu gestalten. Im 20. Jahrhundert hat der Mensch die natürlichen Waldbrände stark unterdrückt, um Städte, Siedlungen und Infrastruktur, wie auch Ackerbau und Viehzucht, zu schützen. Diese menschlichen Ansiedlungen haben sich immer weiter in die von natürlichen Waldbränden häufig heimgesuchten Gebiete hinein erstreckt. Unser falscher Eindruck, dass Waldbrände zuletzt häufiger und heftiger in die menschliche Gesellschaft eindringen, ist eher anders herum zu erklären: Menschliche Siedlungen sind in Gebiete eingedrungen, die natürlicherweise eher dem Wald, und damit auch dem Waldbrand, gehören würden.

Diese Erkenntnisse sollen die mit dem Klimawandel verbundenen Risiken nicht verharmlosen. Sie verdeutlichen aber, dass nicht jede Änderung, jedes Extremereignis oder jede Tendenz, die wir heute in unserer Umwelt beobachten, dem antropogenen Klimawandel zuzuordnen sind. Die Ökosysteme sind auch natürlichen kurz- und langfristigen Schwankungen ausgesetzt, die häufig schwer zu verstehen sind. Der Mensch übt – schon seit Jahrtausenden – einen sehr starken Druck auf die Umwelt aus, der nicht immer mit dem jetzigen Ausstoß von Treibhausgasen verbunden ist. Eine erfolgreiche nachhaltige Erhaltung der Ökosysteme der Erde erfordert eine richtige Ursachenanalyse dieser Schwankungen und Tendenzen, umso mehr, wenn Klimawandel diese Ökosysteme unter veränderte Rahmenbedingungen setzten kann. Eine voreilige Annahmen, dass anthropogener Klimawandel hinter jeder Veränderung steckt, kann dazu frühen, dass im besten Fall das Problem nicht gelöst, falsch angegangen oder vielleicht sogar verschlimmert wird. Waldbrände lassen sich leicht – etwa so wie die Eisbären, als emotionsgeladene Bilder im Kulturkampf des Klimawandels darstellen. Diese Strategie nützt aber weder den Eisbären, noch dem Wald und nicht zuletzt auch nicht dem Kampf gegen den Klimawandel.

Nachweise:

(1) ANDELA, N. ET AL.: A human driven decline in global burned area. Science 356, 1356 doi:10.1126/science.aal4108 (2019).
(2) DOERR S. AND C. SANTIN: Global trends in wildfire and its impacts: perceptions versus realities in a changing world. Philosophical Transactions of the Royal Society B 371, 20150345 doi:http://dx.doi.org/10.1098/rstb.2015.0345 (2018).