von Gunter Weißgerber

Hitler? Schon wieder Hitler? Was soll es Neues geben, fünfundsiebzig Jahre nach seinem viel zu späten Tod? Alles ist bekannt, wird regelmäßig in vielen Medien besprochen und hat dennoch nicht das Ergebnis, dass es keine Hitleristen mehr unter uns mehr gibt. Eine große Mehrheit hat keinen Nachholbedarf, eine Minderheit wird auch zukünftig nicht durch Hitler- und Nationalsozialismuskritik aufwachen. So oder ähnlich war mein erstes Empfinden als ich vor einiger Zeit auf eine Rezension von »Hitler – Eine globale Biographie« stieß. Ich besorgte mir das Buch. Selber lesen ist besser denn vorgesetzt quasi relotiert bekommen.

Brendan Simms fokussiert nicht nur auf das Scheusal, den massenmörderischen Ideologen, er lenkt den Blick auch auf einen Hitler, der den Vereinigten Staaten ob ihres Lebensstandards und ihrer enormen Wirtschaftskraft in einer skurrilen Art von Hassliebe zugewendet war – ohne in deren Verfassung und den checks and balances für all das die konstitutiven Grundlagen zu erkennen. Hitler war nichtmarxistischer Sozialist mit tiefen Aversionen gegen den freien Markt, für Verstaatlichung, gegen die Bankenmacht. Brendan Simms belegt das gründlich.

Selbst die erfolgreiche föderale Struktur der Vereinigten Staaten führte bei Hitler nicht zu einem Umdenken hinsichtlich eines anderen seiner Hassobjekte deutscher Provenienz: den über Jahrhunderte gewachsenen Föderalismus von Kaiserreich und Weimarer Republik.

Der Impuls

»Am 17. Juli 1918 notierte Regierungsadjutant Fritz Wiedemann: ›Durch Gefr(reiten) Hitler wurden zwei amerikanische Gefangene … abgeliefert‹. Wer diese Männer waren und wie Hitler den Vorfall damals bewertete, ist nicht bekannt. Wir wissen jedoch, wie er ihn später interpretierte, nämlich als entscheidenden Moment in seinem Leben – und damit in der Geschichte des 20. Jahrhunderts. Er war überzeugt, dass ›diese Jungs‹ Nachkommen deutscher Auswanderer waren, die dem Vaterland wegen mangelnden ›Lebensraumes‹ verlorengegangen waren und die nun als Rächer in den Reihen einer unaufhaltbaren feindlichen Armee zurückkehrten. … Damals begann also alles: die Besessenheit von Deutschlands demographischer Schwäche, die letztlich nur durch ›Lebensraum‹ im Osten behoben werden konnte; der Respekt und die Furcht vor den angelsächsischen Mächten … und das Bestreben, eines weiteren – vom ›Weltjudentum‹ angezettelten – ›rassischen‹ Bürgerkrieg zwischen Angelsachsen und Teutonen zu vermeiden – oder zu überstehen, sollte sich eine neuerliche Auseinandersetzung als unvermeidlich erweisen.« (S.11/12).

Hitlers Hassliebe zu den Vereinigten Staaten von Nordamerika

Brendan Simms erweitert das Hitlerbild um einige wichtige Facetten. Geht der Großteil der aktuellen Forschung von Hitlers Obsessionen Bolschewismus und Weltjudentum aus, so rückt Simms Hitlers »Anglo-Amerika« und den internationalen Kapitalismus (gleich Weltjudentum) in dessen größte »Sorge«.

Hitler wollte Deutschland zu einer imperialen Macht mit einem dem Wohlstand der USA vergleichbaren Lebensstandard aufbauen – ohne Demokratie und gegen das internationale Kapital über die maximale Erweiterung des Lebensraumes für die deutsche Bevölkerung. Selbstverständlich auf Kosten der Lebensinteressen aller anderen Staaten und Bevölkerungen.

»Ab Mitte November 1919 ritt Hitler in einer ganzen Reihe öffentlicher Reden Attacken auf die Hauptfeinde, die ›absoluten Gegner England und Amerika. … Und nun Amerika. Als Geldland musste es in den Krieg eingreifen, um seine geborgten Werte nicht zu verlieren.‹ Hier stellte er explizit eine Verbindung zwischen seiner Kapitalismuskritik und dem feindseligen Verhalten des westlichen Bündnisses her. Sein Antisemitismus war eng damit verknüpft. ... ›Beim Juden ist der Geldbeutel das Heiligste. Amerika hätte zugegriffen mit oder ohne U-Boot‹ Bemerkenswert ist, dass Hitler ›die Amerikaner‹ und ›die Juden‹ nahezu austauschbar verwendete.« (S.56).

Textbeispiele der Hassliebe Hitlers zu den USA

»Die Vereinigten Staaten wurden in Hitlers Denken verstärkt sowohl zu einem Modell als auch zu einem Rivalen.« (S.99).
»Hitler verschlang die Memoiren eines aus Amerika zurückgekehrten deutschen Auswanderers. ›Man solle sich ein Beispiel an Amerika nehmen!‹ verkündete er. … ›Hitler dachte an das Auto als Beförderungsmittel auch des kleinen Mannes in die Natur – wie in Amerika‹. Darüber hinaus wollte er die Methoden der Massenfertigung auf den Hausbau anwenden.« Das ging so weit, dass er sich die NSDAP-Parteizentrale in einem Wolkenkratzer vorstellen konnte. (S.138).
»Bezeichnenderweise wies er die Forderung deutscher Automobilhersteller, durch höhere Zollschranken gegen die Konkurrenz von Henry Ford geschützt zu werden, zurück. Unsere Industrie soll sich nur anstrengen und gleiche Leistung vollbringen. … Wiederum waren die Vereinigten Staaten das explizite Vorbild.« (S.140).
Während seiner Haft in Landsberg bemühte sich Hitler um internationale Verbündete. Speziell um die Vereinigten Staaten ging es ihm und hier zuerst um Henry Ford. Der ihm jedoch die Unterstützung versagte. Im Allgemeinen aber war der Versuch, in den Vereinigten Staaten Fuß zu fassen, ein Fehlschlag. (S,142).
»In ›Mein Kampf‹ konzedierte er der ›amerikanischen Union‹ eine ›unerhörte innere Kraft‹ und sprach von einem ›gigantischen Staatenkoloß mit seinen enormen Reichtümern…‹«. (S.157)
»Auch das sozioökonomische Modell Amerikas, so wie er es sah, imponierte Hitler. ... Im Unterschied zur verkrusteten Sozialstruktur Europas biete Amerika Talenten aus allen Schichten Entwicklungschancen. (S.160).

Auf Seite 189 schreibt Brendan Simms: »Kaum jemand begriff, welche Bedeutung die Vereinigten Staaten in Hitlers Denken hatten.«

»Im Mittelpunkt von Hitlers Projekt der rassischen Filterung und Hebung stand der Lebensstandard. Dies war zum Teil deshalb so, … vor allem aber, weil er ausdrücklich mit dem Westen, insbesondere mit dem ›American Way of Life‹, in Konkurrenz treten wollte. Im Kampf um die Seele der deutschen Arbeiterklasse war in erster Linie nicht die Sowjetunion, sondern Amerika der (hassgeliebte – GW) Gegner.« (S. 348/349).

Das alles nützte Hitler nichts. Für die Vereinigten Staaten hatte das ›Dritte Reich‹ keinen Platz in ihrem Universum. London und Washington vertraten die Idee einer gemeinsamen globalen Führung auf der Grundlage von der angelsächsischen Verwandtschaft und der Verpflichtung auf demokratische Werte. Der »Zusammenstoß der beiden Ordnungsprinzipien« nationalsozialistischer Lebensraum und anglo-amerikanische Freiheit war »unvermeidlich«. (S. 616).

Assoziationen eines DDR-Staatsbürgerkunde-Opfers

Brendan Simms ist mir als vergleichender Totalitarismusforscher nicht bekannt. Interessanterweise lässt er dennoch frappierend DDR-Erinnerungen an den Geschichts- und Staatsbürgerkundeunterricht aufkommen. Und das nicht zu knapp.

Kommunistisch-sozialistische Plattitüden interessanter Urheberschaft

Wer hat das angeklagt? – Großkapital, Börsen- und Leihkapital, den Kapitalismus?
Wer hat das gefordert? – Verstaatlichung von Großkonzernen, Kontrolle der Banken, Bekämpfung des Kapitalismus? Hauptfeind kapitalistische USA?
Waren das Hitler oder Lenin, Stalin, Ulbrich, Honecker? Die NSDAP oder die KPdSU/SED?

Wären diese Begriffe im DDR-Schulunterricht in Geschichte oder Staatsbürgerkunde ohne die Nennung des Zitatgebers gefallen, kein Schüler hätte was gemerkt.

Nur mit den Juden, das klang in der DDR anders. Offen antijüdisch wollte sich die SED nicht geben. Den Ausweg fand sie in der Propaganda gegen den Zionismus (bei A. H. das ›Weltjudentum und Rothschild‹) und im infernalischen Hass auf Israel (eine Demokratie!). Lernte ich in der DDR die SED-Gesellschaftsarchitekturvorstellungen bis zum Überdruss kennen, so kam das bei der Lektüre dieses Buches alles wieder. Die (richtigen) Kommunisten um Lenin, Stalin, Mao Tse Tung, Pol Pot und wie sie alle hießen und heißen, praktizierten ihre Vorstellungen von Gesellschaftsarchitektur auf marxistischer klassenkämpferischer Basis. Wer nicht dazu gehörte, war Feind, Volksfeind, Ausbeuter, Verräter und wurde aus dem Weg geräumt. Millionen Opfer säumen die Spur dieser Ideologen.

Hitler war ebenso Gesellschaftsarchitekt mit extremem Gewaltpotential. Anders als die Marxisten/Kommunisten, die nach sozialen Aspekten willkürlich zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten unterschieden, war für Hitler sein Rasseaspekt das Kriterium. Er unterschied zwischen Herrscher- und im Rang tiefer stehenden Rassen. Wo die Kommunisten für das Glück der vermeintlich Ausgebeuteten über Leichenberge gingen, produzierten Hitler und seine Nationalsozialisten für das vermeintliche Glück ihrer Rasse industriell Leichenberge.

Brendan Simms richtet den Scheinwerfer auf eine unter Kommunisten/Sozialisten/Antifaschisten sehr unbeliebte ideologische Verschwägerung. Hitler war Sozialist, wenn auch ohne Marxismus. Deshalb der deutsche Wahn, alles Nationalsozialistische zu Faschismus umzubiegen? Besonders absurd ist das in den Fällen, in denen ausgerechnet linke Sozialdemokraten auf diese Kostümierung hereinfallen und damit ihre sozialdemokratischen Vorgänger der Weimarer Republik, der Bundesrepublik-alt und der SDP/SPD der DDR im faschistischen Regen stehen lassen. Hauptangriffsziel der Kommunisten war die Weimarer Demokratie, die maßgeblich von der Sozialdemokratie mitgestaltet wurde. Einer Sozialdemokratie, die sie als Sozialfaschisten mitsamt in Verruf brachte und damit die Demokratie in den Ruch des Faschismus zogen. Die Demokratie als Kostüm des staatsmonopolistischen Kapitalismus und in dessen angeblich höchster Form: des Imperialismus. Eine Linie, die sich in der SED-Propaganda bis 1989 ihren Platz erhielt. Die Volksaufstände 1953 in der DDR, 1956 in Ungarn, der ›Prager Frühling‹ 1968, ›Solidarnost‹ 1981, die Friedliche Revolution 1989 – all diese epochalen demokratischen Ereignisse waren in der SED-Logik ›faschistisch‹. Demokratie gleich Faschismus. Bezeichnenderweise kämpft die Antifa in Deutschland noch immer mit diesen Slogans gegen die Bundesrepublik.

»›Wenn ein Volk seine Kraft vergeudet‹, warnte er (Hitler –GW) Mitte November 1930, werde eine andere Macht es sich untertan machen, die ›überstaatliche Hochfinanz‹«. Im Staatsbürgerkunde-Unterricht der DDR hieß das ›die Herrschaft des Kapitals‹. Simms schreibt weiter:

»Die NSDAP behielt in der Wirtschaftspolitik ihren scharf antikapitalistischen Kurs bei und forderte weiterhin die Verstaatlichung von Großbanken, das Verbot des Aktienhandels, die Begrenzung von Kreditzinsen, und die Konfiszierung allen Besitzes der ›Bank- und Börsenfürsten‹ sowie sämtlicher Gewinne aus Krieg, Revolution und Inflation.« (S. 239).

Samt und sonders waren das alles politische Standpunkte, die bis 1989 in der offiziellen SED-Kritik am ›Kapitalismus‹ und in vielen täglichen Parolen fast wortgleich ihren Platz hatten. Auch die ›Wirtschaft‹ stand in Hitlers Weltbild als Gegner so wie diese auch heute noch im linken Spektrum der politischen Landschaft als Gegner behandelt wird.

»... hinter diesen Kräften der Bejahung unserer Versklavung steht in unbegreiflicher Engstirnigkeit die sogenannte deutsche Wirtschaft«. (S.239). Brendan Simms formuliert auf eine interessante Weise: »Stand die NSDAP im Allgemeinen auf der äußersten Linken der äußersten Rechten, so stand sie in der Wirtschaftspolitik auf der äußersten Rechten der äußersten Linken«. (S.239). Was die noch immer zu konstatierende Anziehungskraft des ›Antikapitalismus‹ von NSDAP und SED ein Stück zu erklären vermag.

Solange sich die demokratische Linke nicht von ihrem sozialistischen Antikapitalismusklamauk zu trennen vermag, genauso lange wird sie die äußerste Linke und die äußerste Rechte gleichermaßen in der Gesellschaft bedienen. Gewisse Sensoren stimmen überein. Die fahrlässige Nutzung des kommunistischen Faschismusbegriffs statt der korrekten Bezeichnung ›Nationalsozialismus‹ macht das Problem wie in einem Brennglas sichtbar. Hitler war im Grunde ein extremer Linker. Rechts an ihm war in wirtschafts- und finanzpolitischer Hinsicht nichts. Als Rassist unterschied er sich von den linken Marxisten. Beim Morden dagegen unterschied ihn wiederum nichts von seinen Linksaußengegnern. Abermillionen zählten seine Opfer, die er systematisch und willkürlich rassisch und politisch auswählte. Abermillionen zählten Lenins und Stalins Opfer, die diese systematisch und willkürlich nach Besitzverhältnissen und politisch auswählten.

Interessant in diesem Zusammenhang ist eine Deutung von Hugo Fischer in »Lenin: der Machiavell des Ostens.« nachzulesen in Iablis 2019:

»Die von ihnen besorgte vorliegende Erstausgabe hat eine verschlungene Genese hinter sich. Das Lenin-Buch sollte im Frühjahr 1933 bei der Hanseatischen Verlagsanstalt Hamburg erscheinen. Einige Sätze verweisen darauf, dass Fischer noch zu Beginn des Jahres einige Textpassagen eingefügt hat. So schreibt er im Einleitungskapitel (»Über die Sendung der Deutschen. Das Reich als Potenzierung des nationalen und sozialen Staates«), wo er – unter Bezug auf Hegel – seine Geschichtsvision exponiert: »Für eine antikapitalistische Revolution ist es im nationalsozialistischen Deutschland zu spät: wenn eins klar und deutlich ist, dann ist es dies, daß der moderne Deutsche dem Teufel der Rechenhaftigkeit und des Profitgeistes die Fetzen des Vertrages, den er mit ihm abgeschlossen hatte, ins Gesicht schleudert. […] Zweifellos ist heute in Deutschland die politische Macht des Staates stark genug dazu, diesem niedrigen Teufel, die Stirn zu bieten und ihn in die Knie zu zwingen. 1933 geschieht es zum erstenmal, daß ein deutscher Minister (sic!) den ernstzunehmenden Willen bekundet, die ›soziale‹ Revolution mit der nationalen zugleich durchzuführen.« (16f.)

Wie Menschen, die sich humanistisch und links sehen, den Terror und den Massenmord der Nationalsozialisten völlig zurecht brandmarken und gleichzeitig den Terror und den Massenmord der Lenins, Stalins, Maos, Pol Pots usw. verharmlosen und einem höheren Ziel unterordnen, genau das verstand ich noch nie und werde es nie verstehen wollen. Hitler hatte ja auch sein höheres Ziel, die höhere Rasse. Bei den Kommunisten hieß das ›Der neue Mensch‹ und ›Die Liquidierung der Kulaken als Klasse‹. Gesellschaftsarchitekten unter sich.

Die Lektüre dieses Buches liefert eine stimmige Erklärung, weshalb SED, linke Sozialisten, Antifa usw. tunlichst den Begriff ›Nationalsozialismus‹ vermeiden und ihn meiden wie der Teufel das Weihwasser.

Nationalsozialistische Plattitüden Hitler

»Verstaatlichung von Trusts« (S. 76), »... dass der Krieg (gemeint ist WK I GW) von einer anglo-amerikanischen kapitalistischen Verschwörung angezettelt worden sei« (S.77), »US-Präsident Woodrow Wilson ein ›Agent des internationalen Großkapitals‹« (S.79), mit Amerika »trat das internationale Großkapital sichtbar in Erscheinung« (S. 79), »›Nutznießer‹ des Friedensvertrages (gemeint ist der Vertrag von Versailles GW) sei das ›internationale Börsen- und Leihkapital‹ … Nach dem ›Zusammenbruch der nationalen Reichsmacht‹ herrsche ›das internationale, vaterlandslose Kapital, unabhängig von Person, Ort, Nation‹« (S.81).
 

All das ging bei Hitler nie ohne die Juden, nicht ohne seine Rothschild-Obsession.

»Verursacht wurde diese ungleiche Verteilung nach Hitlers Überzeugung durch einen globalen Kapitalismus und das mit ihm verbundene politische System. ›Die internationale Ausbeutung des Kapitalismus muss bekämpft werden‹, forderte er, ›ebenso das internationale Leihkapital‹ … ›Wir wollen aus Weltsklaven Weltbürger werden‹« (S.90).
»›Wir bekämpfen den Juden‹, … ›weil er den Kampf gegen den Kapitalismus verhindert‹« (S.57).
»Laut einem seiner Zuhörer beschuldigte Hitler den ›alten Staat‹, dass er die soziale Gesetzgebung ›nur als Gnade, nicht als selbstverständliches Recht‹ behandelte und ›die Kluft zwischen dem geistigen und körperlichen Arbeiter nicht zu überbrücken vermochte‹ … Hitler trat für ›Sozialismus‹ ein … wahrer Sozialismus ist höchstes Volkstum« … ›Ich lasse mich lieber in einem bolschewistischen Deutschland aufhängen‹, bekannte er, ›als in einem französischen Süddeutschland selig werden‹« (S.94/95).
»Auch im ›Arbeitsplan des Ausschusses für Volksernährung der nationalsozialistischen Bewegung‹, den Hitler im Sommer 1932 absegnete, spiegelten sich die herausragende Stellung des Antikapitalismus … wider. …›dass der Staat die Grundgüter der Nation‹ nämlich ›Nährgut und Arbeitskraft‹ schützen müsse«. (S. 112).

Interessanterweise zog es Hitler nach dem November 1918 weder in die »paramilitärischen Freikorps noch in eine der Grenzschutzeinheiten im Osten, in denen ›national‹ Gesinnte üblicherweise Zuflucht suchten. ... Er unternahm auch nichts« gegen die linksradikale Räteregierung Eisner; »möglicherweise sympathisierte er sogar mit ihr« S.52).

Föderalismus

Adolf Hitler war ein Todfeind des Föderalismus in Deutschland. Diskussion und Diskurs innerhalb eines demokratischen staatlichen Gefüges standen seinem Führerprinzip des Durchregierens von oben nach unten im Wege. Brendan Simms zitiert den späteren Diktator aufschlussreich mit »Lieber ein bolschewistisches Großdeutschland … als ein von Franzosen und Tschechen abhängiges Süddeutschland« (S.61). Offenkundig sah er den bayerischen Partikularismus als die größere Gefahr gegenüber dem Kommunismus an. War das eine frühe Äußerung Hitlers über den Föderalismus Anfang der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts, so rückte er 1932 das für ihn dornige Föderalismusproblem zum wiederholten Male in seinen Blickpunkt. Hintergrund waren die Spannungen zwischen der Reichsregierung, die sich (gemäß der Wirkungsweise des Artikel 48 der ›Weimarer Verfassung‹ – GW) auf Hindenburg stützen konnte und den demokratisch gewählten Landesregierungen. (S.278).

Nach dem 23. März 1933 mit dem Beschluss über das ›Ermächtigungsgesetz‹ machte Hitler mit dem verhassten Föderalismus kurzen Prozess. Zwei »Gesetze zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich« schlugen alle Macht der »Reichsgewalt« zu. (S.317). – öffentlich kenntlich gemacht durch das Verbot der demokratischen Flagge der Republik ›Schwarz-Rot-Gold‹ und das Hervorholen der alten ›Schwarz-Weiß-Rot[en]‹ Flagge.

Es war dann diese ›Reichgewalt‹, in deren Verantwortung die Konzentrationslager, die Rassengesetze, der Anschluss Österreichs, die Annexion des Sudetenlandes, die ›Reichspogromnacht‹, der ›Hitler-Stalin-Pakt‹, der zweite Weltkrieg in deutschem Namen, der ›Holocaust‹, die unsäglichen Verbrechen von Wehrmacht und SS, die Niederlage 1945, die Vertreibung von Millionen Deutschen und der Verlust des alten Ostdeutschlands, die deutsche Teilung bis 1990, die kommunistische Diktatur im heutigen Ostdeutschland mit der zweiten Auslöschung des Föderalismus und die Kosten der deutschen Einheit seit 1990 liegen würde. Ohne die totale Machtergreifung Hitlers und der NSDAP hätten die Deutschen und die gesamte Welt die nationalsozialistischen Verbrechen nicht zu erleiden gehabt.

Selbstverständlich setze ich Hitlers Reich und die DDR nicht gleich. Allenfalls bis 1936/1937 gäbe es hierzu eine Berechtigung. Beide Staaten waren Diktaturen, verfolgten politisch Andersdenkende brutal, sperrten diese ein. Was die Lager anging, sind die Zeiträume 1933-1936/37 und 1949-1989 partiell vergleichbar. Im Vorfeld der Friedlichen Revolution 1989 wurden in der DDR Internierungslager geplant. Gewaltfrei wäre das mit (Staats-)Sicherheit nicht abgegangen. Totale Beglückung führt immer durch Lager.

Wer die Verbrecher und ihre Ideologien vergleichen will, sollte Nationalsozialismus und Kommunismus vergleichen. Die DDR als später stalinscher Wurmfortsatz ist für die monströsen Verbrechen der Kommunisten nicht in Haftung zu nehmen. In der Tat in Haftung zu nehmen sind allerdings die Verniedlicher der kommunistischen Verbrechen. Diese und die Leugner der nationalsozialistischen Verbrechen nehmen sich nichts.

Geschrieben von: Weißgerber Gunter
Rubrik: Geschichte