Bei der Jagd nach der Kanzlerschaft muss es Sieger und Verlierer geben, das ist ganz natürlich, es liegt gleichsam in der Natur der Dinge, um nicht zu sagen, es ist die Seele des Spiels: In diesem Satz sind zwei ideologische Stolpersteine verborgen, wer sie bemerkt, kommt weiter, alle anderen müssen zurück auf Null. – Apropos Null. Bei einer Aussichtsquote von Null verwandelt sich der Kanzlerkandidat automatisch in einen Loser, wie das im Deutschen heißt, der Sprache des Landes, in dem alles heißer gegessen als gekocht wird – man verbrennt sich hier die Zunge selbst dann, wenn nur rohe Zutaten auf den Tisch kommen, aus denen der Gast sich sein Essen selbst basteln kann.

Ein Wahlkampf zum Beispiel, der langsam in die heiße Phase übergeht, besteht praktisch nur aus Ingredienzien, an denen sich jeder bedient, der mitzukämpfen behauptet, sie liegen so ungefähr über den Tisch ausgeschüttet, dass man sich gar kein Gericht dabei vorstellen kann, es sei denn das Jüngste. Bis dahin ist alles Thema, vor allem das, was unausgesprochen bleibt, zum Beispiel die Euro-Verwerfungen, die das Land noch teuer zu stehen kommen werden, das teure Griechenland, das uns nach der Wahl noch teurer sein wird, die verschleierte und verschlampte Einwanderungspolitik, ein Panikschürer ersten Ranges, die Energiewende auf Schlingerkurs und schließlich, als jüngstes und verwöhntestes Kind, die Krise der EU-Institutionen nach dem britischen Abgang und dem Abfall der Visegrád-Staaten vom rechten Glauben – wenn’s denn beim Glauben bleibt –: wir lesen, dass eine Mehrheit der Bevölkerung die Schlacht ums Kanzleramt gerade so und nicht anders will – »Bitte kein Themenwahlkampf, bitte, nur das nicht!« Da lächeln die Kämpfer, vor allem die Kämpferin, ein bisschen von oben herab, das ist wahr, sie könnten auch von unten hinauf lächeln, das wäre mühsamer, aber gerecht, der Themenberg, er erscheint dem Wahlbürger allzu hoch, um weggelächelt zu werden, vielleicht will er selbst auch weggelächelt sein, weil dann die Qual der Wahl sich von selbst erledigt. Denn wer die Wahl hat, hat die Qual, und wer die Qual hat, beißt sich auch … in den Hintern, jedenfalls manchmal, dort, wo es sich so bequem sitzt, solange man sitzt und ausschwitzt, was man an Feuchtem intus hat.

Da kommt der Skandal um den Diesel gerade noch rechtzeitig in die Gänge: ein Selbstzünder, bei dem jedes Kind weiß, was hinten ’raus kommt, Stick-, Stick-, wie heißt das Zeug? Stickoxide, ganz recht, manche Mitmenschen kriegen Erstickungsanfälle, wenn das Wort sie ansieht, es hat eine Art, einen anzusehen, es wird einem ganz anders dabei. Anderen wird dabei elektrisch, sie hüpfen auf ihren Sesseln herum, als sei dies ein Wettbewerb im Sackhüpfen, es herrscht aber Wahlkampf. Ein Kanzlerkandidat ohne Fortune, man weiß das, wird niemals Kanzler, deshalb ist es mehr als geschickt, auf halbem Weg die Elektroquote nach vorn zu schieben, zur Galvanisierung der Parteigänger, denn Quote … Quote ist gerecht. Und dass der Kandidat am Ende das doch nicht wird, was zu werden er sich vorgenommen, ist … richtig! Ungerecht. Ein Dilemma. Die Quote, die gute Quote, sie sollte, wie jedes, auch dieses Dilemma lösen. Wer Kanzler sein will und es nicht werden kann, obwohl die Chancengleichheit es ihm in die Wiege gelegt hat, warum, um alles in der Welt, sollte er nicht Quotenkanzler, kurz Quanzler werden? Was spricht dagegen? Der Vorschlag liegt auf dem Tisch, neben all den Ingredienzien zu einem Festmahl, Wahlkampf genannt, jeder kann ihn sich greifen wie eine Hasenkeule, der Kandidat wäre gut beraten, ihn sich rechtzeitig zu eigen zu machen, bevor der alerte Herr Lindner ihm doch noch zuvorkommt – ein geborener Quanzler, der es nur noch nicht weiß, aber bereits aus tiefster Seele anpeilt.

Man kann davon ausgehen, dass Quanzler auf Halde produziert werden.

 

 

Geschrieben von: Siebgeber Ulrich
Rubrik: Der Stand des Vergessens